Lucie SakurazukamoriHm. Alle Begriffe wurden durch den Menschen erschaffen, oder etwa nicht?
Yup. Und deswegen existiert Gewalt einzig und allein in unseren Köpfen, weil sie an die menschlichen Moralvorstellungen (die es außerhalb der menschlichen Köpfe wohlgemerkt nicht gibt) gekoppelt ist.
Somit würden alle Begriffe, alle Dinge nur in unseren Köpfen existieren. Da jegliche Begrifflichkeiten von Menschen gemacht wurden. Vor allem jegliche Gefühle und Gefühlsmotivierten Taten.
Begriffe sind eine Möglichkeit, existenzielles in Worte zu fassen. Gewalt existiert, Gewalt ist real. Schläge, Mobbing ... all das ist erfahrbar und real. Genau wie Trauer real ist. Oder Freude. Für all das gibt es einen Begriff. Weil Menschen Wörter suchen für etwas, dass sie real erfahren und das sie bezeichnen wollen.
Feael Silmarien
Ich will hier wirklich niemandem auf die Füße treten, es ist nur meine Meinung, die ich einfach nur gesagt haben will, ohne sie jemandem aufzwingen zu wollen: Gegen Gewalt zu sein, macht für mich genauso viel Sinn wie gegen die Kälte im Winter zu sein.
Gegen Kälte im Winter zu sein bedeutet, dagegen zu sein, dass Menschen in unserer modernen Gesellschaft erfrieren müssen. Zum Beispiel. Genau wie gegen Gewalt zu sein bedeutet, Gewalt nicht tatenlos hinzunehmen, sondern sich aktiv dagegen zu wehren.
Was du also möchtest ist aktive Hilfe für Gewaltopfer. Handeln, statt darüber reden.
Allerdings soll gegen die Gewalt an sich nicht vorgegangen werden, sondern nur der Dreck danach weggeräumt werden? Schadenbegrenzung bei einem nützlichen Übel also?
Feael Silmarien
Wenn es also keine Gewalt und keine negativen Erfahrungen gäbe, käme es zum Stillstand der Entwicklung.
Ich denke, du meinst das Prinzip von Ying und Yang. Das Gute kann nicht ohne das Schlechte existieren und umgekehrt. All unsere Erfahrungen formen uns, die guten und die schlechten. Positive Erfahrungen und Erfolge können jedoch genau so ein Antrieb und eine Motivation darstellen, wie negative Erfahrungen oder ein Scheitern.
Deine Aussage "zu lernen damit umzugehen" lapidarer formuliert: "Gibt dir das Leben eine Zitrone, dann mach Limonade draus." ^^
― H.P. Lovecraft, From Beyond
Was hat man denn konkret gegen die Existenz von Gewalt in der Hand? 'Dagegen sein'? Einfach nicht mitmachen? Dann hat man aber auch eine Heizung gegen die Kälte in der Hand.
Man kann sich dagegen entscheiden Gewalt anzuwenden. Man kann nicht gewalttätig sein, im wahren Wortsinn.
Wenn keiner Gewalt anwendet, gibt es keine Gewalt. Wenn alle den Winter ignorieren wird es trotzdem kalt.
Und nur weil Menschen keine Gewalt mehr anwenden, verschwindet sie auch nicht. Sie ist noch immer in den Köpfen - und nicht zuletzt im Tierreich.
Wenn alle die Heizung anstellen, ist keinem kalt. ;)
Und nur weil Menschen keine Gewalt mehr anwenden, verschwindet sie auch nicht. Sie ist noch immer in den Köpfen - und nicht zuletzt im Tierreich.
Wenn alle die Heizung anstellen ist es im Winter trotzdem kalt. Vor allem nachts ist es bekanntlich kälter als draußen. ^^
Wenn ein Kind noch nie Schnee gesehen hat, vermisst es ihn nicht und glaubt unter Umständen auch nicht an seine Existenz.
Wenn keine Gewalt existieren würde, wäre sie auch nicht mehr in den Köpfen. Was der Mensch nicht kennt, dass kümmert ihn nicht.
Das ist eine Utopie, das ist mir klar. Menschen sind Bastarde. Aber das ist kein Grund und keine Entschuldigung die Existenz von Gewalt schönzureden und/oder nicht zu versuchen, darauf zu verzichten.
Hat das irgendjemand gemacht? Hat irgendjemand geleugnet, dass Gewalt existiert? Ich erinnere mich nicht. Trotzdem ist es eine Sache, wenn man die Fantasie hat, z.B. dem unverschämten Kerl, der sich vordrängt, einen Dampfhammer zu verpassen, und eine andere, es auch wirklich durchzuführen.
Ein Urinstinkt des Menschen ist es auch, niemand Fremden näher als einen Meter an sich heranzulassen. Trotzdem setzen wir uns jeden Tag in den öffentlichen Verkehrsmitteln, im Kino, in der Warteschlange, etc. darüber hinweg. Für mich persönlich ist das keine schöne Sache. In mir ist dieser Instinkt nämlich extrem stark, und ich muss mich schlimm zusammenreißen, nicht zumindest verbal gewalttätig zu werden, wenn jemand in diesen persönlichen Freiraum einfach so eindringt (zum Beispiel am Bankschalter oder beim Einkauf an der Kasse). Trotzdem schaffe ich das meistens. Von dem her ... man muss nicht unbedingt seinen Urinstinkt leugnen, aber nachgeben muss man auch nicht.
Ob es nun gut ist oder schlecht, sich gegen die eigene Natur zu sträuben, ist eigentlich ziemlich wurscht. Mir ist es nur um den unpassenden Vergleich Kälte im Winter/Gewalt gegangen. Das passt einfach nicht, denn für die Kälte im Winter können wir nichts, die ist einfach da und verschwindet auch nicht durch die Heizung in der Wohnung. Gewalttätige Gedanken können wir aber rein theoretisch einfach ignorieren, bzw. nicht zu Taten werden lassen. So einfach ist das.
― H.P. Lovecraft, From Beyond
Egal, ich denke, wir sollten mal zum Thema zurück, und wenn ich es richtig deute, geht es hier um Gewaltdarstellungen in literarischen Werken, nicht um Gewalt in der Realität.
Rebellion der Synthetiker: http://www.amazon.de/Rebellion-Synthetiker-Angela-Fleischer/dp/3943795268
Vagabunden des Alls: http://www.amazon.de/Vagabunden-des-Alls-ebook/dp/B007QY63PY
Ohne Licht kein Schatten. Ich glaube nicht, dass es eine sonderlich schöne Utopie ist, in der Urinstinkte des Menschen ausradiert oder unterdrückt würden. Schönreden ist eine Sache, aber nicht anerkennen, dass Gewalt nunmal in der Natur des Menschen (und vieler anderer Lebensformen) liegt, bringt auch nichts.
Eine Gesellschaft, wie wir sie haben, funktioniert nur dadurch, dass wir unsere Instinkte unterdrücken. Gewalt lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass sie in der Natur des Menschen liegt, dass sie ein Instinkt ist - als Instinkt dient Gewalt dem Überleben und der Verteidigung, im Tierreich erweitert sich das auf Machtdemonstrationen (Beispiel: Alphatier kämpft gegen jungen Konkurrenten, der Stärkere demonstriert dadurch: "Ich bin das legitime Alphatier"). Aber. Da wir als Menschen und als Gesellschaft inzwischen so weit sind, dass wir zumindest theoretisch alle als gleichberechtigt ansehen, hat Gewalt als Machtdemonstration meiner Meinung nach keine Daseinsberechtigung - das bezieht sich insbesondere auf sexuelle Gewalt, die nichts anderes ist.
Natürlich heißt das nicht, dass sie nicht existiert, und genau deshalb sollte sie auch thematisiert werden. Wie schon gesagt wurde, kommt es darauf an, wie man sie thematisiert. Wenn ein Autor ernsthaft und bedacht mit dem Thema umgehen kann, bin ich dafür, dass er das auch tut. Wenn ein Autor Gewalt trivialisiert und sie im Prinzip als Publikumsmagnet dient, dann bin ich dagegen. Außerdem sollte man bescheid wissen über das, was man da in seine Geschichte einbindet. Unrealistische Vergewaltigungs-/Mobbing-/...-Szenarien sind in den meisten Fällen nichts anderes als Trivialisierung. Da denke ich z. B. an Fanfictions, wo Charakter A Charakter B vergewaltigt, und am nächsten Tag lieben sie sich auf einmal, als wäre nichts gewesen. Das suggeriert: "Ach, Vergewaltigung ist ja gar nicht so schlimm." Charakter A und Charakter B dürfen durchaus zusammenkommen. Aber nicht ohne eine langwierige und glaubwürdige Entwicklung.
Lucie Sakurazukamori
Somit würden alle Begriffe, alle Dinge nur in unseren Köpfen existieren. Da jegliche Begrifflichkeiten von Menschen gemacht wurden. Vor allem jegliche Gefühle und Gefühlsmotivierten Taten.
Begriffe sind eine Möglichkeit, existenzielles in Worte zu fassen. Gewalt existiert, Gewalt ist real. Schläge, Mobbing ... all das ist erfahrbar und real. Genau wie Trauer real ist. Oder Freude. Für all das gibt es einen Begriff. Weil Menschen Wörter suchen für etwas, dass sie real erfahren und das sie bezeichnen wollen.
Dem würde ich nur beschränkt zustimmen. Begriffe sind nicht in der Lage, Existenzielles in Worte zu fassen. Sie können es lediglich nur abbilden. Begriffe spiegeln die subjektive Wahrnehmung des Existeziellen wieder, nicht das Existenzielle selbst. Schließlich kann man doch nur die Dinge verarbeiten und in Worte fassen, die man zuvor wahrgenommen hat. Und Wahrnehmung ist ein Abbild und ein Abbild ist eine Verfälschung.
Ich sage ja nicht, dass es Gewalt nicht gibt. Es gibt sie. Aber eben in unseren Köpfen. Außerhalb der Köpfe gibt es nur: Individuum A begeht an Individuum B Handlung C. Dass es sich um Gewalt handelt und schlecht ist, wird erst vom Menschen konstruiert und benannt. Aber die Konstruktion ist real und hat reale Auswirkungen, dem widerspreche ich ja nicht.
Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Es gibt keinen Konsens darüber, was Gewalt ist. Im Kopf eines jeden Individuums schwirrt ein eigenes Verständnis. Was man heute als Gewalt ansieht, sah man früher z.B. noch nicht so. Hm ... Also in Russland zumindest (in Deutschland wahrscheinlich auch) war es z.B. lange Zeit üblich (und ist es wahrscheinlich auch heute noch), Babies ausgestreckt und ganz fest in Tücher zu wickeln, praktisch also zu fesseln, sodass das Kind nur reglos daliegen und schreien konnte. Aber das tat man - wie mir erklärt wurde -, weil man glaubte, dass die Ärmchen und Beinchen sonst krumm werden könnten. Ist sowas Gewalt? Das Kind wurde wohl kaum gefragt, ob es denn gefesselt daliegen möchte. Aber den Eltern lag sicherlich auch nichts ferner als seinem Kind Gewalt anzutun. Tja. Und ich fand dieses Fesseln schon immer schrecklich (ich selbst wurde nie so eigewickelt, glaube ich).
Lucie Sakurazukamori
Gegen Kälte im Winter zu sein bedeutet, dagegen zu sein, dass Menschen in unserer modernen Gesellschaft erfrieren müssen. Zum Beispiel. Genau wie gegen Gewalt zu sein bedeutet, Gewalt nicht tatenlos hinzunehmen, sondern sich aktiv dagegen zu wehren.
Was du also möchtest ist aktive Hilfe für Gewaltopfer. Handeln, statt darüber reden.
Allerdings soll gegen die Gewalt an sich nicht vorgegangen werden, sondern nur der Dreck danach weggeräumt werden? Schadenbegrenzung bei einem nützlichen Übel also?
Könntest du bitte weniger interpretieren und dich darauf beziehen, was ich vorher geschrieben habe? Provokative rhetorische Fragen sind zwar etwas Schönes, aber in einer Diskussion mit einem dermaßen ernsten Thema finde ich sie nicht angebracht. Ich habe vorher geschrieben, dass ich Gewalt im Allgemeinen weder als gut noch als schlecht einstufe und daher verzerrt der Ausdruck "nützliches Übel" meine Aussage schon sehr krass.
Nun gut, zum Thema: Handeln kann ja nicht nur in Hilfe bestehen, sondern auch in der Prävention. Ich sage es mal so: Die bloße Wahrscheinlichkeit, dass jemand oder sogar man selbst Opfer von Gewalt wird, kann man durchaus senken, aber Gewalt ausrotten wird man nie. Und das ist - wie gesagt - weder gut noch schlecht, sondern das ist eben so. Zum menschlichen Miteinander gehört eben der Konflikt auf allen möglichen Ebenen. Um Gewalt auszurotten müsste der Mensch aufhören Mensch zu sein.
Also ich denke, dass wir uns in diesem Punkt schon sehr einig sind, es eben nur mit verschiedenen Worten ausdrücken.
Lucie Sakurazukamori
Ich denke, du meinst das Prinzip von Ying und Yang. Das Gute kann nicht ohne das Schlechte existieren und umgekehrt. All unsere Erfahrungen formen uns, die guten und die schlechten. Positive Erfahrungen und Erfolge können jedoch genau so ein Antrieb und eine Motivation darstellen, wie negative Erfahrungen oder ein Scheitern.
Deine Aussage "zu lernen damit umzugehen" lapidarer formuliert: "Gibt dir das Leben eine Zitrone, dann mach Limonade draus." ^^
Joar, mit Ying und Yang kann man das gut erklären. Positive Erfahrungen werden "normal" und können dann nicht mehr als Antrieb dienen, wenn es keine negativen gibt. Wenn man verstehen will, was der Himmel ist, muss man erst durch die Hölle gehen, und wenn man verstehen will, was Hölle ist, muss man vorher im Himmel gewesen sein.
Altais
Gegen die Kälte im Winter hat der Mensch (noch) nichts in der Hand, und er hat sie auch nicht verursacht, im Gegensatz zur menschlichen Gewalt. Dieser Vergleich ist nicht passend.
Klar wird Gewalt vom Menschen verursacht, aber ich wage anzuzweifeln, dass es in der Mehrheit der Fälle bewusst passiert. Gaya Lipin hat z.B. vorhin die Stromschläge für Kinder in BNW als Gewalt bezeichnet. Und ich denke, jeder hier würde dem zustimmen. Allerdings ist jetzt auch keineswegs so, dass die Erzieher der Meinung sind, Kindern Gewalt anzutun. Das ist sozusagen eine normale Erziehungsmaßnahme, damit die Kinder in ihrem späteren Leben "glücklich" sind. Ich wette, jeder von uns begeht täglich Gewalt in irgendeiner Form, trampelt über die Füße anderer, und merkt es nicht einmal bzw. denkt, damit etwas Gutes zu tun. Gewalt gehört zum menschlichen Mitereinander, sie gehört zur menschlichen Natur und ist daher genauso natürlich wie die Kälte im Winter.
Lucie Sakurazukamori
Menschen sind Bastarde.
Also ICH würde diesen Satz bereits als verbale Gewalt einstufen. ;)
Altais
Ein Urinstinkt des Menschen ist es auch, niemand Fremden näher als einen Meter an sich heranzulassen.
Kleine Anmerkung am Rande: Das ist kein Instinkt, sondern eine deutsche Eingenheit. Es gibt Kulturen mit wesentlich weniger Berührungsangst, und da ist es völlig nomal, wildfremde Menschen ohne deren Erlaubnis zu berühren. Ich glaube, da gibt es diesen "personal space"-Begriff. Alles abhängig von Kultur, der Bevölkerungsdichte und Individuum. Wenn also alle Meschen der Welt ihr Leben lang wahllos miteinander kuscheln würden, gäbe es diesen "Instinkt" vermutlich nicht.
Aber gut. Ich denke, wir sind uns alle in mindestens einem Punkt einig: Wenn man Gewalt in Geschichten thematisiert, dann bitte verantwortungsvoll.
Kurt Tucholsky
Bedingt. Gewalt, ganz gleich ob sexuell oder nicht, tangiert mich nur begrenzt. Emotionale Gewalt ist es, die mich trifft. Trotzdem halte ich auch da gewissen “Abstand” zur Figur, um ihre Reaktionen gut einfangen zu können. Es ist für den Leser nicht wichtig, wie ich mich fühle, wenn ich es schreibe, es ist für ihn wichtig, wie es der Figur dabei geht.1. Fühlt ihr mit dem jeweiligen Charakter auch mit?
Beim Lesen sieht es schon anders aus. Da ich ein sehr empathischer Mensch bin, fühle ich sehr mit den Charakteren mit, vergieße auch mal Tränen oder schreie vor Wut. Aber ebenso freue ich mich, wenn dem Charakter was Gutes passiert. (Bei "Das Streben nach Glück" habe ich am Ende Rotz und Wasser geheult, nachdem ich schon überlegt hab, ob ich diesen "depressiven Mist" ausmache.)
Weder noch. Ich tendiere eher dazu, die Szene analytisch zu betrachten. Warum, wieso, weshalb? Wie reagiert Charakter A und wie Charakter B?2.Habt ihr bei diesen Szenen, wie ein Wasserfall geweint oder einfach nur bemitleidet?
Wieder ist es beim Lesen anders. Da steht für mich das Erleben im Vordergrund. Meine Reaktionen habe ich ja schon bei 1. geschildert.
Nur aufgrund von (sexueller) Gewalt lese ich keine Geschichte und breche sie auch nicht ab. Ich entscheide das eher aufgrund des Schreibstils und der (bisherigen) Storyline bzw. Prämisse. Geschrieben habe ich schon beides und werde wohl auch beides wieder schreiben.3. Habt ihr einen Anreiz solche storys weiter zu lesen?
(Hier muss ich passen, weil ich nicht weiß, was gemeint ist.)4. Suchen die Autor/in solche Informationen oder schreiben sie einfach drauflos?
Beides ist ein Teil unserer Welt und es sollte darüber geschrieben werden, damit man sich damit (auf unschädliche Weise) auseinandersetzen kann.5. Was denkt ihr persönlich über diese Thema " körperliche und Sexuelle Gewalt"?
Weil es ein Thema ist, das man selbst wohl nicht aus erster Hand erfahren möchte. Geschichten und Romane waren seit jeher auch dafür da, um Dinge zu erleben, die man in der Realität nicht erleben kann oder möchte. Sowohl im geschriebenen Wort, als auch in bewegten Bildern kann man das auf ungefährliche Art und Weise tun.6. Warum gibt es soviele oder auch nicht, solche storys, die um Gewalt zu tun hat??
Es ist das gleiche Prinzip wie bei einer Achterbahn. Man kann das Gefühl der Gefahr erleben, ohne tatsächlich in Gefahr zu sein.
Just because you can't imagine something doesn't mean it is not real.
"Any intelligent fool can make things bigger, more complex and more violent. It takes a touch of genius, and a lot of courage, to move in the opposite direction."
Albert Einstein
horror-girl
1. Fühlt ihr mit dem jeweiligen Charakter auch mit?
Das ist ganz unterschiedlich. Kommt darauf an, wie es dargestellt wird und wen es betrifft. Wenn der Fantasyheld auf seiner Reise salopp gesagt einfach mal zehn angreifende, beliebig austauschbare und gesichtslose Orks wegklatscht, dann tangiert mich das nicht. Je sympathischer, unschuldiger und wehrloser die Figur ist, die von Gewalt betroffen ist, desto mehr Mitgefühl habe ich tendenziell. Ein Faktor ist außerdem die Bindung an die Figur - wenn ich sie schon seit 100, 200 Seiten begleite, trifft mich ihr Leiden eher, als wenn sie gerade zum ersten Mal auftritt. Aber ich habe auch schon gemerkt, dass mein Mitgefühl gegen Null geht, wenn das Setting allzu grimdark wird - wahrscheinlich ist das dann ein Stück weit Selbstschutz.
Beim Schreiben fühle ich automatisch stärker mit als beim Lesen, weil ich mich aktiv in die Lage der Figur hineinversetze. Einige Dinge wie sehr detaillierte Folter und sexuelle Gewalt schreibe ich deswegen nicht aus, weil ich sie mir gar nicht vorstellen will.
2.Habt ihr bei diesen Szenen, wie ein Wasserfall geweint oder einfach nur bemitleidet?
Dass ein Buch mich zum Weinen bringt, ist sehr selten (das ist eher bei nichtfiktiven Texten der Fall). Mitleid hab ich aber durchaus mal. Traurigkeit ist aber nicht das einzige Gefühl, dass beim Lesen gewalthaltiger Szenen hochkommt, sondern auch Wut und Ekel können da auftreten. Manchmal auch ein Zusammenzucken oder eine kleine Abwehrbewegung, z.B. kam mir beim Lesen mal eine Folter-Szene unter, bei der die Finger der Person verletzt wurden, da ballen sich schon mal die eigenen Hände schützend zu Fäusten.
Beim Schreiben wiederum übernehme ich die Stimmung der Figur, aus deren Sicht ich schreibe, was das Ganze schon intensiviert. Aber auch da sind strömende Tränen sehr selten.
3. Habt ihr einen Anreiz solche storys weiter zu lesen?
Kommt auf die Story an. Wichtig sind mir der Plot, der Stil und die Figuren - wenn mich das interessiert, lese ich weiter. An sich bin ich hart im Nehmen, aber eine bloße Aneinanderreihung von Grausamkeiten will ich nicht lesen, denn Gewalt ersetzt eben keine Spannung. Um das Thema sexuelle Gewalt mache ich jedoch lieber einen Bogen, denn zu oft habe ich schon gesehen, dass es falsch dargestellt wurde und als billiges Drama genutzt wurde.
4. Suchen die Autor/in solche Informationen oder schreiben sie einfach drauflos?
Da kann ich am ehesten für mich selbst sprechen: bevor ich ein Thema aufgreife, informiere ich mich darüber, denn alles andere wäre Betroffenen gegenüber taktlos. Leider habe ich schon das ein oder andere Buch gelesen, bei dem ich vermute, dass vorher nicht recherchiert wurde. Vor allem, wenn Opfer von Entführung und Vergewaltigung sich in den Täter verlieben, möchte ich am liebsten in die Tischkante beißen. Ja, ja, ich weiß, Stockholm-Syndrom und so, aber in der Fachwelt ist umstritten, ob das Stockholm-Syndrom überhaupt existiert.
Als positives Beispiel möchte ich "Liebes Kind" von Romy Hausmann hervorheben. Beim Lesen hatte ich den Eindruck, dass die Autorin sich wirklich mit Traumafolgestörungen auseinandergesetzt hat.
5. Was denkt ihr persönlich über diese Thema " körperliche und Sexuelle Gewalt"?
Ich verstehe die Frage nicht ganz. Kaum jemand wird wohl "super Sache" antworten. Wie andere schon geschrieben haben, sie sind ein hässlicher, aber realer Teil unserer Welt, über den man nicht nur schreiben kann, sondern ab und an vielleicht sogar sollte, solange man mit dem nötigen Taktgefühl an die Sache herangeht. Ich mag es aber nicht, wenn exzessive Gewaltdarstellungen nur zur Deko dienen, um eine Welt möglichst düster erscheinen zu lassen. Das ist ein Grund, warum ich GoT abgebrochen habe. Man kann Gewalt auch sehr eindringlich thematisieren, ohne dass gleich das Blut literweise zwischen den Seiten hervorquillt.
6. Warum gibt es soviele oder auch nicht, solche storys, die um Gewalt zu tun hat??
Wir Menschen sind regelrecht darauf "programmiert", Dingen Aufmerksamkeit zuzuwenden, die uns töten können. Deswegen werden wir gleich hellhörig, wenn es um Krankheiten, Gifte, gefährliche Tiere oder aggressive Artgenossen geht - denn Wissen bietet hier einen Überlebensvorteil. Besondere Faszination übt hierbei aus, dass wir uns durch Geschichten mit diesen Themen auseinandersetzen können, ohne uns selbst in Gefahr zu bringen. Ich bin nicht unbedingt der größte Fan von Evolutionspsychologie, aber hier passt diese Perspektive durchaus. Manche Leute sagen auch, dass die Auseinandersetzung mit Gewalt ihnen hilft, eigene Gewalterfahrungen einzuordnen und zu verarbeiten.
1. Fühlt ihr mit dem jeweiligen Charakter auch mit?
In der Regel nein, da mir bewusst ist, dass ich mit fiktiven Figuren zu tun habe und derartige Schockmomente dem Spannungsaufbau dienen sollen (was nicht immer gelingt).
2.Habt ihr bei diesen Szenen, wie ein Wasserfall geweint oder einfach nur bemitleidet?
Nein, nie. Manchmal habe ich das Weltbild des Autoren bemitleidet, da mir nicht in den Kopf ging, wie man bestimmte besonders grafische oder unempathisch-grausame Szenen überhaupt ausschreiben und veröffentlichen konnte.
3. Habt ihr einen Anreiz solche storys weiter zu lesen?
Wenn die RGZ so grottig ist, dass man in jedem Satz was zu lachen hat, aus eben diesem Grund. Ansonsten nein.
4. Suchen die Autor/in solche Informationen oder schreiben sie einfach drauflos?
Meiner Empfindung nach recherchieren 99% nichts, bzw. haben keinerlei persönliche Erfahrung oder Ahnung und schreiben nur der Aufmerksamkeitsheischerei zuliebe diesen Kram.
5. Was denkt ihr persönlich über diese Thema " körperliche und Sexuelle Gewalt"?
Dass sie kein"Stilmittel" sein darf, um einen hanebüchernen Plot durch Schockmomente aufzubauschen. Es gibt Szenen oder Konstellationen aus Figuren und Ereignissen, die die Darstellung von Gewalt rechtfertigen oder sogar befehlen. Wenn durch die Straßen marodierende Soldaten Frauen in der gerade unterworfenen Stadt vergewaltigen, ist das eine traurige, aber realistische Darstellung. Wenn aber nur Lieschen M. nach ihrem Clubbesuch durch die Straßen hechtet, um vom smarten Justin S. vergewaltigt zu werden, in den sie sich nach ein bisschen Rumgeheule verliebt, weil Baum, dann möchte ich virtuelle Seiten schreddern. Es besteht ein großer Unterschied zwischen unreflektierter Toxizität und situationsgegebener Gewalt.
6. Warum gibt es soviele oder auch nicht, solche storys, die um Gewalt zu tun hat??
Weil es leider viele Leser gibt, die Geschichten sehr oberflächlich betrachten und sich gar nicht bewusst machen, was für eine kranke Message sie da hypen - erst recht dann, wenn die dargestellte Gewalt durch das angeblich attraktive Aussehen des Ausführers sexualisiert und glorifiziert wird. Mich beschleicht oft das Gefühl, dass für viele angeblich gutes Aussehen jeden Zweck und jedes Mittel heiligt.
~ Ezio Auditore da Firenze
Je nachdem, wie glaubwürdig die Gewalt und der entsprechende Charakter beschrieben wird. Wenn ich bemerke, dass die Gewalt zum Selbstzweck existiert, als Stilmittel, um Leser anzulocken, dann nicht.
2.Habt ihr bei diesen Szenen, wie ein Wasserfall geweint oder einfach nur bemitleidet?
Nein, eher nicht geweint wie ein Wasserfall. Da muss etwas schon extrem gut beschrieben sein.
3. Habt ihr einen Anreiz solche storys weiter zu lesen?
Wie gesagt, kommt darauf an. Sinnlose sich immer weiter steigernde Gewalt bringt mich eher rasch zum Wegklicken.
4. Suchen die Autor/in solche Informationen oder schreiben sie einfach drauflos?
Wieder: kommt darauf an. Jemand, der es aus irgendeinem Grund geil findet, wenn sich fiktive (oder im Falle von Real Person FFs nicht fiktive) Charaktere Unaussprechliches gegenseitig antun, wird das sicher kaum recherchieren. Jemand, bei dem der Plot und das Setting eine solche Gewalt verlangen, eher doch. Wobei ich generell finde, dass Gewalt nicht unbedingt übergraphisch beschrieben werden muss, denn sonst erweckt sie definitiv den Eindruck, nur als Effekthascherei zu dienen. Oder Schlimmeres.
5. Was denkt ihr persönlich über diese Thema " körperliche und Sexuelle Gewalt"?
Naja, es ist leider ein menschliches Thema, und manchmal erfordert es, wie gesagt, der Plot. Z.B. in Thrillern und Horrorgeschichten. In Romanzen hat es meiner Meinung nach wenig zu suchen. Bzw. wird mir niemand (sexuelle) Gewalt als "romantisch" verkaufen können. Mit diesen klassischen Gesundvögel-, oder (Pseudo-)BDSM-Dark-"Romance"-Geschichten kann man mich jagen. Ich finde, dass Charaktere nachvollziehbar bleiben sollten.
6. Warum gibt es soviele oder auch nicht, solche storys, die um Gewalt zu tun hat??
Weil manche Autoren eben gerne edgy sind und/oder sich auf diese Weise mehr Rückmeldung erwarten. Oder weil es nun mal ein menschliches Thema ist.
― H.P. Lovecraft, From Beyond
Wenn er gut geschrieben ist und ich mitfühlen kann.
2.Habt ihr bei diesen Szenen, wie ein Wasserfall geweint oder einfach nur bemitleidet?
Ich bin ja ein gefühlskaltes Monster, was das angeht. Ich habe genau bei einer Geschichte wirklich geheult wie ein Wasserfall und das war der Film "The Fountain" von Darren Afronofsky. Das ganze "Sterbe"-Thema hat mit ultra mitgenommen, egal auf wie vielen erzählerischen Ebenen das verpackt ist.
3. Habt ihr einen Anreiz solche storys weiter zu lesen?
Gute Storys ließt man weiter, egal wie viel Schlimmes dem Charakter passiert.
4. Suchen die Autor/in solche Informationen oder schreiben sie einfach drauflos?
5. Was denkt ihr persönlich über diese Thema " körperliche und Sexuelle Gewalt"?
6. Warum gibt es soviele oder auch nicht, solche storys, die um Gewalt zu tun hat??
Diese drei Punkte kann ich zusammenfassen mit einer kleinen Story, die mir hier auf FF.de mal passiert ist. Ich hatte eine wirklich schlimme Verhgewaltigungsszene geschrieben in einem Kapitel. Und dann bekam ich Reviews, wo die Leute meinten wie schlimm daseschrieben wurde und das man schlucken musste und dass man voll mitfühlt in der Szene und das ja gar nicht "romantisch" ist. Ehrlich, ich musste darüber lachen und dachte: "Ja, Leute, genauso war es ja auch gedacht!" Vielleicht liegt es an diesen ganzen schlechten "Vergewaltigung ist nur unterdrückte LIebe"-Storys im Archiv. Wo die weiblichen Charaktere dann dermaßen gestockholmt sind, dass sie ihren Vergewaltiger am Ende noch heiraten oder solche Scherze. Gut, das ganze Romantik-Genre ist ja bösartig, wenn man mich fragt. Egal ob FFs oder irgendwelche "Romantik-Komödien", wo dann irgendein schüchterner Nerd seine Traumfrau so lange stalkt bis sie sich endlos in ihn verliebt. Urgs! Patriachaler gehts echt nicht. Und wird dann "liebe" genannt. Warum nicht gleich mit der Keule die Frau ohnmächtig hauen und in die Höhle zerren? Das sind halt so "Männerphantasien". Was die Frau denkt oder fühlt? Wurst! Die Frau hat dem dämlichen Incel, der hinter ihr her ist, gefälligst Zuneigung zu zeigen, sonst ist sie böse und verkommen! Ich versuche meine Frauen ja wenigstens noch kämpferisch zu schreiben, aber die meisten Frauencharaktere sind das eben nicht. Die meisten sind 50er Jahre Sklaven, die außer Kochen und Kinder kriegen keine Aufgaben haben. Und falls die Frau doch ne Karriere hat muss sie diese gefälligst für den Mann aufgeben. Schließlich liebt der kleine, doofe Stalker sie so sehr! Grrr! Das nur mal zum Bild der Frau in solchen Storys.
Um aber mal zum eigentlichen Themazurück zu kommen: Warum schreibt man sowas?
Zum einen weil in jedem Autor auch ein bösartiger Sadist steckt, der sich wie Mister Burns die Hände reibt, wenn er seine Figuren ins Unglück stürzt. "Ausgezeichnet!"
Sicher gibt es Autor/innen die vielleicht auch eigene Erlebnisse mit dem Schreiben verarbeiten. Ich habe das viel in meiner Anfangszeit gemacht, dass da quasi in jedem Text mein Schultrauma mit Mobbing und allem drum und dran gelandet ist. Mittlerweiler verpacke ich das anders. Weniger Seelenstriptease in den Texten.
Und Gewalt ist eben so ein "Menschheitsthema". Ich bin ja auch jemand, der kaum eine Story unter P18 hier im Archiv stehen hat. Wegen Sex und Gewalt. Wir Menschen sind eben so. Gewalt macht Geschichten eben erst so richtig interessant. War schon im grieschischen Theater so. Diese ganzen Klassiker, die wir in der Schule hatten, da kommt doch kaum einer ohne Gemetzel aus. (Nech, Mister Shakespeare?) Nur falls es mal wieder jemand auf die bösen Medien von heute schieben will. Nö, uns Schimpansen, macht fiktive Gewalt einfach nur Spaß. Je übertriebener desto besser. Wenn es zu realitisch wird, dann ist das quasi ein Eindringen in unsere Komfortzone. Ich kenn z.b. Leute die schauen jeden noch so blutigen Splatterfilm, aber bei der minutenlangen Vergewaltigungsszene in "Irreversible" sind sie alle umgefallen. Ich für meinen Teil habe meine Grenzen bei "The Hills Have Eyes" gefunden. Und das tatsächlich nicht bei der berüchtigten Vergewaltigungsszene, sondern als die Mutanten das Baby essen wollen. Und ich bin was fiktive Gewalt angeht nicht zimperlich, aber das war dann doch zu viel des Guten.
-Severus Snape