FanFiktion.de - Forum / Schreibwerkstatt - Freie Arbeiten – Prosa / [Romanze/Drama, P16 Slash] Mein eigenes Berlin
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Schreibwerkstättler
Schreibwerkstatt-Autor
Beitrag #1, verfasst am 05.01.2018 | 21:32 Uhr
Hey, liebe Schreibwerkstättler! Ich hab erst vor kurzem davon erfahren, dass es hier so eine Austausch-Ecke im Forum gibt, in der man sich mit Kritikern und Geschichten auseinandersetzen kann. Ernstgemeinte Kritik? Wow, immer her damit. Ich war sofort angefixt von der Idee, hier einen meiner längeren Texte mal unter die Lupe nehmen zu lassen. Warum? Weil er anders ist. Anders inwiefern?
Das erkläre ich euch gern.
Meine Story-Idee
Milena und Nik sind vor kurzem aus einer Kleinstadt nach Berlin gezogen und haben in der Großstadt einen Mann kennengelernt, der ihnen ein Rätsel nach dem anderen aufgibt. Zwischen ihnen entwickelt sich eine Beziehung. Chris ist Urbeliner und kann nichts mit dem Gedanken anfangen, dass das Paar aus Konstanz mehr in ihre Affäre hineininterpretiert, als er ursprünglich vorgesehen hat. Für ihn sind Gefühle nicht nur aufgrund seines Lebensstils undenkbar. Er hat regelrecht Panik davor, dass sie merken könnten, dass er etwas von ihnen verbirgt – dieses Geheimnis ist eine Zerreißprobe für ihn. Er möchte ihnen nicht wehtun und kann gleichzeitig einfach nicht mit der Wahrheit herausrücken. Seine Psyche macht das auf Dauer nicht mit, da helfen auch der Zuspruch seiner besten Freundin Sophie und die unzähligen Therapiemaßnahmen (die er gerne mal ausfallen lässt) nicht. Schlimm wird es vor allem dann, wenn Milena oder Nik versuchen, etwas mehr über ihn herauszufinden oder ihm Hilfe anbieten wollen. Er reagiert gereizt und zieht sich völlig vor ihnen zurück. Kein guter Nährboden, nicht für Gefühle, nicht für Vertrauen. Trotzdem wird Chris das Gefühl nicht los, dass Milena und Nik sich in ihn verlieben – etwas, das er auf keinen Fall möchte. Er kann die Polyamorie-Affäre trotzdem nicht beenden oder ihnen die Wahrheit über sich und seine Krankheit erzählen.
Hier noch die Kurzbeschreibung im Archiv:
„Indikatoren einer Großstadt sind Lärm, Schmutz und Masse. Ballt sich dies alles zusammen, fällt es als Individuum schwer zu deuten, wo man selbst und die eigene Welt anfängt, wo aufhört. In Berlin schafft man neben Millionen anderen sein eigenes Universum. Man entscheidet, wen man ausschließt, wen man hineinlässt. Und eigentlich glaubt man, die Kontrolle darüber zu besitzen. Bis man feststellt, dass Träume, Erfolg und Liebe nicht kontrollierbar sind. Christoph ist in Berlin geboren, dort aufgewachsen und dachte eigentlich, dass er sein eigenes abgeschottetes Universum sicher gegen jede Art von spießiger Vernunft errichtet hätte. Ohne Gedanken an Konsequenzen lebt er in den Tag und lässt keine Chance auf schnelllebige Abenteuer aus. Bis er auf ein junges Paar trifft, das gerade erst nach Berlin gezogen ist, um ein neues Leben zu beginnen. Aus einem anfänglichen Abenteuer wird mehr – und Chris merkt erst nach einem großen Fehler, dass er sich in etwas hineinmanövriert hat, das er so nie wollte. PolyAmorie/m-f-m“
Meine Nicht-Gerade-Leichte-Kost
Kurz umrissen: Es geht um Polyamorie, Depressionen, Psychische Krankheiten, Angst und auch um Krankheit.
Mein Anliegen
Dieser Ausschnitt, der aus einer längeren Prosageschichte von mir stammt, soll euch ein wenig das Bild vermitteln, wie die Beziehung der Drei im Alltag sieht. Die Situation ist sehr zerrissen, wie ihr vielleicht bemerken werdet.
Meine Fragen an euch wären daher: Wie transportiert sich das? Kommt Chris‘ Zerrissenheit gut rüber. Wirkt die Situation überzeichnet oder realistisch?
Regt die Szene denn generell das Interesse an der Story an oder ist sie für euch eher Null-Acht-Fünfzehn? Was kann das Thema für euch und wie wünscht ihr euch die Umsetzung mit Polyamorie? Braucht die Welt solche Storys oder eher: Ne, kann weg?!
Wäre super-nett, wenn ihr das ein wenig mit Anregungen beantworten könntet ?
Die Story trägt den Namen „Mein eigenes Berlin“ (http://bit.ly/2vMzv6m - Klick, um zur abgeschlossenen Story im Archiv zu kommen), ist auf P18-Slash gesetzt und ist mit 37 Kapiteln schon abgeschlossen. Gerade stecke ich aber in einer Phase der intensiven Überarbeitungen, deshalb: Immer her mit Feedback.
Mein Story-Ausschnitt:
Hier geht es um eine Szene, die kurze Zeit nach den ersten intimen Treffen zwischen den Dreien stattfindet. Vielleicht ist die Hintergrundinfo, dass Chris Kellner ist und Nik eine Tochter hat, ganz praktisch, um den Zusammenhang zu begreifen.
Ich hoffe sehr, dass man die Szene versteht, sie ist etwa im zweiten Drittel der Gesamt-Story angesiedelt. Später soll auch noch eine zweite Szene für euch kommen, bei der ihr noch einmal einen genaueren Blick auf das Beziehungsgeflecht der Drei bekommt.
Und here we go (3500 Wörter):
Es war einer der wenigen Samstage im Jahr, an denen er abends tatsächlich frei hatte. Bedauerlicherweise war der Abend nicht eben mit geilem Wetter gesegnet. Es schneite in großen, dichtreibenden Flocken auf die Straßen von Berlin herunter.
Nach der Frühschicht ließ Chris sein Singlespeed im Innenhof des Kiezeck stehen und schlenderte mit hochgeschlagenem Kragen die Seitenstraßen von Charlottenburg hinunter. Als der vertraute, repräsentable Altbau in sein Sichtfeld kam, schnippte er seine Kippe in den Schneematsch und atmete tief durch.
So beschäftigt, wie die beiden waren, hatte er sie schon ewig nicht sehen können. Deswegen war er ein klein wenig euphorisch, als er endlich vor der Haustür des Paars stand, klingelte und Milenas Stimme durch die Anlage lachen hörte: „Komm rauf. Ich hoffe, du hast Hunger.“
In der Wohnung roch es gut, nach frisch zubereitetem Essen, nach Milena, nach Nik. Er schloss die junge Frau in eine feste Umarmung, drückte seine Nase in ihr Haar: „Hey.“
Milena küsste seine Halsbeuge und erwiderte seinen Gruß rau: „Hey.“ Sie beobachtete ihn lächelnd dabei, wie er sich aus dem sandfarbenen Trenchcoat schälte und die Boots abstreifte, und führte ihn anschließend ins Wohnzimmer. Irgendjemand hatte sich die Mühe gemacht, einige Kerzen auf dem wuchtigen Esstisch zu erhellen, was große Schatten an die kahlen Wände warf. Das Licht war warm und umschmeichelte Niks Züge, der sich von seinem Stuhl erhob und ihn ohne Umschweife umfing. Als Chris warme Lippen auf seinen fühlte, zuckte er kurz zurück, so heftig war das vertraute und doch nie gewohnheitliche Gefühl noch immer, ihnen so nahe sein zu können. Wie ein elektrischer Schlag, der ihm direkt in den Magen zog.
„Du hast gekocht?“, fragte er etwas atemlos in den Kuss hinein und ließ den Blick zu der Suppenterrine aus Keramik wandern, die in der Mitte des Tischs neben Wein- und Wasserkaraffe stand. Milena und Nik hatten offenbar nicht auf ihn gewartet, ihre tiefen Teller waren bereits wieder halb geleert. Es roch verführerisch gut.
Chris runzelte die Stirn. Sicher war er sich nicht, ob er es gutheißen sollte, wenn sie nicht sofort ins Schlafzimmer gingen. Einmal mehr durchbrachen die beiden nämlich seine guten Vorsätze, dass es hier nur um Sex ging. Andererseits roch es wirklich verdammt gut. Etwas Smalltalk am Wochenende konnte in ihrer Affäre vielleicht zum guten Ton integriert werden. Auch, wenn der Kerzenschein etwas drüber war.
Als Nik seinen konsternierten Ausdruck zu bemerken schien, schlug er ihm spielerisch auf die Schulter: „Erbsensuppe. Genau das Richtige, um groß und stark zu werden.“
Chris verdrehte die Augen und stellte stumm fest, dass Nik unerträgliche Papa-Phrasen auf Lager hatte, sobald er nach einem längeren Aufenthalt aus Konstanz zurückkam.
„Ich weiß nicht, worauf du anspielst, Daddy“, entgegnete Chris gleichgültig-provokant und bemerkte nicht ohne Wohlgefallen das helle Blitzen in Niks Augen. Chris überging es und ließ sich neben Milena auf den Stuhl sinken, die es sich gerade wieder bequem gemacht hatte und aus der Terrine grünschimmernde Suppe in einen dritten Teller schöpfte. „Sieht wirklich verdammt gesund aus.“
Um sich ein wenig Appetit zu verschaffen, griff er nach der Weißweinkaraffe und schenkte sich großzügig ein. „Wie war eure Woche?“
Sie lächelte verhalten. „Verdammt anstrengend und irgendwie doch nicht erwähnenswert. Wie läuft die Jobsuche?“
„Ich hatte ein Probearbeiten und fang nächste Woche wahrscheinlich bei einem Italiener in Friedrichshain an.“
Nun lagen beide Augenpaare auf ihm. „Was?“, entfuhr es Milena. „Davon hast du gar nichts erzählt!?“
„Ich wollte verhindern, dass du mir an dem Abend alle fünf Minuten schreibst und frägst, ob die Probeschicht gut läuft“, entgegnete er.
„Wie kommst du denn drauf, dass ich so etwas machen würde?“, fragte sie mit Unschuldsmiene, die er nur mit eindeutigem Blick erwiderte. „Keine Ahnung, Milena.“
„Sicher, dass du das packst mit der Doppelbelastung?“ Nik legte den Kopf schief. „Du gehst doch im Kiezeck schon an deine Grenzen.“
Chris runzelte die Stirn und sank etwas in sich zusammen: „Wie kommst du drauf?“
„Naja, es hat doch einen Grund, dass du so …“
Er kam nicht weiter, denn Chris griff halb aufgebracht, halb genervt nach seinem Glas: „Ja, ich bin dünn, verdammt! Na und? Kann ja nicht jeder so sein wie du?!“
Nun war es Milena, die eine Hand auf Chris‘ Bein legte. „Schon gut“, bekam er dann heraus, als das Blitzen der Wut ebenso schnell verflog, wie es gekommen war. „Ich bin wirklich etwas müde. Aber …“
Wie konnte er erklären, dass er immer und ständig so müde war in letzter Zeit? Er wusste ja, dass es den beiden auffiel. Er hatte abgenommen. War ständig gereizt, verplapperte sich wie gerade eben, wenn es um Milenas Privatangelegenheiten ging, und vergriff sich nun auch noch im Ton. Es lag nicht nur an den langen Partynächten, dem vielen Alkohol ohne Grundlage und den durchgewachten Nächten auf Droge. Der Termin bei seiner Fachärztin hatte wenigstens ihm offenbart, warum es bergab ging. Aber davon ahnten die beiden ja nichts. Sie meinten es nur gut. Und wenn Nik manchmal mitten in der Nacht in der Küche stand, um ihm etwas zu kochen, dann musste es gerade wirklich schlimm um ihn stehen. Plötzlich bekam diese Geste eine völlig neue Bedeutung. Und dieses Essen gerade auch. Und die Aussage von Nik, dass die Erbsensuppe ihn schon stärken würde.
„Sorry.“
Nik schüttelte nur den Kopf: „Gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Ich drück dir die Daumen für den neuen Job.“
Chris überkam das Gefühl, dass es besser wäre, jetzt zu gehen. Ihm stand nicht mehr der Sinn nach Sex oder Ähnlichem. Er wollte sich einfach vergraben. Für einige Sekunden sogar am liebsten in Niks Armen, den er mit brennenden Augen musterte. Er zwang sich, zu blinzeln, hob den Kopf, um gegen die Tränen anzukämpfen und fluchte unterdrückt. Was zur Hölle war nur los mit ihm!? Wie konnten kleine, unwesentliche Aussagen ihn nur derart aus dem Konzept bringen?
Er fühlte, wie Milena ihre Arme um seine Leibesmitte schlang, und umklammerte das Weinglas fester. Sie küsste seine Wange: „Willst du dich hinlegen?“
Erneut fluchte er leise. Er kannte es nicht, dass sich jemand anderes um ihn sorgte als vielleicht Sophie, deren Nerven er in letzter Zeit auch ziemlich überstrapaziert hatte. Ihn plagte zugleich schlechtes Gewissen, wie auch der Unwille, sich das eingestehen zu wollen. Er hatte ihre Fürsorge wirklich nicht verdient. Nicht nach all den Lügen und den geheimen Spielen, die er hinter dem Rücken des Paars abzog.
Fuck.
„Vielleicht sollte ich besser gehen“, hielt er dagegen und das gerade so laut, dass Milena ihn zu verstehen schien.
„Hast du mal nach draußen gesehen?“
Chris schaute auf. Vor den Fenstern tanzten eisig wirkende, dicke Flocken im Wind, der gegen die Scheiben peitschte. Nichts war zu hören, aber das dichte Treiben sprach für sich. Der Schneefall hatte sich in einen kleinen Sturm gewandelt. Nichts, das er als Berliner Kind nicht kannte oder gewachsen wäre.
Er griff nach seinem Handy, checkte die Uhrzeit, nur, um irgendwas zu tun, während er Niks prüfenden Blick auf sich spürte. Gerade einmal 19:37 Uhr und er fühlte sich, als hätten ihn sämtliche Kieslaster des Landes überrollt.
„Bahnen fahren noch“, erklärte er unnötigerweise. Sie waren in Charlottenburg, verdammt. Hier gab es U-Bahnhöfe an jeder größeren Straßenkreuzung, von denen Bahnen im Minutentakt abfuhren. Er müsste nur aufstehen und aus der Tür raus. Aber er konnte nicht.
Milena hob den Kopf von seiner Schulter und erstarrte, als sie auf sein Handydisplay blickte. Nur kurz, dann lachte sie auf: „Du hast ludic auf deinem Handy?“
Chris starrte auf das Arsenal an Nachrichten, die via App auf sein Handy geschickt worden waren. Die push-up Informationen der Dating-App malten mit Logos und Smileys ein kleines Kunstwerk auf das Display.
Schnell ließ er das Display schwarz werden: „Ja, nur … spaßeshalber.“
„Ich reiß dir schon nicht den Kopf ab.“ Milena grinste schief und hob dabei neugierig die Brauen. „Zeig mal.“
Auch Nik lehnte sich jetzt vor und Chris fühlte sich, als hätte man ihn in einen Bottich voll Crushed Ice gesteckt. Wie bitte?
„Wozu hast du ludic auf deinem Handy?“ Nik musterte ihn und die App ein wenig angewidert, ein wenig belustigt. Aber vor allem neugierig. „Ist das nicht fürchterlich oberflächlich?“
„Darum geht es ja, Romeo“, entgegnete Chris immer noch leicht gereizt. „Ich hab‘ mir das vor Ewigkeiten mal drauf geladen und manchmal kommen eben noch Nachrichten durch. Das sind irgendwelche Bots …“
Nun schien Niks Interesse endgültig geweckt. Er schob seinen leeren Teller von sich und zog seinen Stuhl näher zu ihnen. „Hast du darüber tatsächlich Dates ausgemacht? Ich meine … so …“
„Sex-Treffen?“, ergänzte Chris und fragte sich stumm, wie jemand wie Nik so unschuldig sein konnte. „Ja, schon.“
„Echt?“, entfuhr es Milena belustigt und ihr Gesicht leuchtete doch irgendwie fasziniert auf. Für sie schien das eine völlig andere Welt zu sein, die sie niemals betreten aber doch gerne mal aus der Ferne betrachten wollen würde. Kleinstädter. „Was für Frauen treiben sich denn da rum?“
„Ganz normale Frauen.“ „Hast du noch mehr Bilder?“ Nik hob die Brauen und lehnte sich über das schwarze Display. „Ich mein, keine Bots, sondern von Frauen, mit denen du wirklich was hattest.“
Chris blieb kurz die Spucke weg. Wie bitte!?
Da machte er sich wochenlang einen Kopf darüber, dass die beiden mit einer Affäre womöglich doch nicht so gut klarkommen würden, wie er gehofft hatte, und jetzt das. Die wollten tatsächlich begutachten, wen er flachgelegt hatte. Von Eifersucht keine Spur. Ganz im Gegenteil. Da war nur Neugier; eine Faszination, als hätten sie soeben einen neuen Kontinent entdeckt und wollten nun die erste Südfrucht kosten, ehe sie ihrem eroberten Territorium einen Namen geben würden. Immer wieder überraschten Milena und Nik ihn. Und das gab Chris irgendwie Hoffnung, dass diese Sache eben doch locker und entspannt war. Dass Sophie sich täuschte und sie keinesfalls eine Leine um seinen Hals legen wollten. Sie ließen ihm seine Freiheiten und konnten sich selbst für so einen Mist wie Dating-Apps begeistern.
Auch, wenn es ihnen im Augenblick wahrscheinlich nur darum ging, ihn aufzuheitern.
Das erkläre ich euch gern.
Meine Story-Idee
Milena und Nik sind vor kurzem aus einer Kleinstadt nach Berlin gezogen und haben in der Großstadt einen Mann kennengelernt, der ihnen ein Rätsel nach dem anderen aufgibt. Zwischen ihnen entwickelt sich eine Beziehung. Chris ist Urbeliner und kann nichts mit dem Gedanken anfangen, dass das Paar aus Konstanz mehr in ihre Affäre hineininterpretiert, als er ursprünglich vorgesehen hat. Für ihn sind Gefühle nicht nur aufgrund seines Lebensstils undenkbar. Er hat regelrecht Panik davor, dass sie merken könnten, dass er etwas von ihnen verbirgt – dieses Geheimnis ist eine Zerreißprobe für ihn. Er möchte ihnen nicht wehtun und kann gleichzeitig einfach nicht mit der Wahrheit herausrücken. Seine Psyche macht das auf Dauer nicht mit, da helfen auch der Zuspruch seiner besten Freundin Sophie und die unzähligen Therapiemaßnahmen (die er gerne mal ausfallen lässt) nicht. Schlimm wird es vor allem dann, wenn Milena oder Nik versuchen, etwas mehr über ihn herauszufinden oder ihm Hilfe anbieten wollen. Er reagiert gereizt und zieht sich völlig vor ihnen zurück. Kein guter Nährboden, nicht für Gefühle, nicht für Vertrauen. Trotzdem wird Chris das Gefühl nicht los, dass Milena und Nik sich in ihn verlieben – etwas, das er auf keinen Fall möchte. Er kann die Polyamorie-Affäre trotzdem nicht beenden oder ihnen die Wahrheit über sich und seine Krankheit erzählen.
Hier noch die Kurzbeschreibung im Archiv:
„Indikatoren einer Großstadt sind Lärm, Schmutz und Masse. Ballt sich dies alles zusammen, fällt es als Individuum schwer zu deuten, wo man selbst und die eigene Welt anfängt, wo aufhört. In Berlin schafft man neben Millionen anderen sein eigenes Universum. Man entscheidet, wen man ausschließt, wen man hineinlässt. Und eigentlich glaubt man, die Kontrolle darüber zu besitzen. Bis man feststellt, dass Träume, Erfolg und Liebe nicht kontrollierbar sind. Christoph ist in Berlin geboren, dort aufgewachsen und dachte eigentlich, dass er sein eigenes abgeschottetes Universum sicher gegen jede Art von spießiger Vernunft errichtet hätte. Ohne Gedanken an Konsequenzen lebt er in den Tag und lässt keine Chance auf schnelllebige Abenteuer aus. Bis er auf ein junges Paar trifft, das gerade erst nach Berlin gezogen ist, um ein neues Leben zu beginnen. Aus einem anfänglichen Abenteuer wird mehr – und Chris merkt erst nach einem großen Fehler, dass er sich in etwas hineinmanövriert hat, das er so nie wollte. PolyAmorie/m-f-m“
Meine Nicht-Gerade-Leichte-Kost
Kurz umrissen: Es geht um Polyamorie, Depressionen, Psychische Krankheiten, Angst und auch um Krankheit.
Mein Anliegen
Dieser Ausschnitt, der aus einer längeren Prosageschichte von mir stammt, soll euch ein wenig das Bild vermitteln, wie die Beziehung der Drei im Alltag sieht. Die Situation ist sehr zerrissen, wie ihr vielleicht bemerken werdet.
Meine Fragen an euch wären daher: Wie transportiert sich das? Kommt Chris‘ Zerrissenheit gut rüber. Wirkt die Situation überzeichnet oder realistisch?
Regt die Szene denn generell das Interesse an der Story an oder ist sie für euch eher Null-Acht-Fünfzehn? Was kann das Thema für euch und wie wünscht ihr euch die Umsetzung mit Polyamorie? Braucht die Welt solche Storys oder eher: Ne, kann weg?!
Wäre super-nett, wenn ihr das ein wenig mit Anregungen beantworten könntet ?
Die Story trägt den Namen „Mein eigenes Berlin“ (http://bit.ly/2vMzv6m - Klick, um zur abgeschlossenen Story im Archiv zu kommen), ist auf P18-Slash gesetzt und ist mit 37 Kapiteln schon abgeschlossen. Gerade stecke ich aber in einer Phase der intensiven Überarbeitungen, deshalb: Immer her mit Feedback.
Mein Story-Ausschnitt:
Hier geht es um eine Szene, die kurze Zeit nach den ersten intimen Treffen zwischen den Dreien stattfindet. Vielleicht ist die Hintergrundinfo, dass Chris Kellner ist und Nik eine Tochter hat, ganz praktisch, um den Zusammenhang zu begreifen.
Ich hoffe sehr, dass man die Szene versteht, sie ist etwa im zweiten Drittel der Gesamt-Story angesiedelt. Später soll auch noch eine zweite Szene für euch kommen, bei der ihr noch einmal einen genaueren Blick auf das Beziehungsgeflecht der Drei bekommt.
Und here we go (3500 Wörter):
Es war einer der wenigen Samstage im Jahr, an denen er abends tatsächlich frei hatte. Bedauerlicherweise war der Abend nicht eben mit geilem Wetter gesegnet. Es schneite in großen, dichtreibenden Flocken auf die Straßen von Berlin herunter.
Nach der Frühschicht ließ Chris sein Singlespeed im Innenhof des Kiezeck stehen und schlenderte mit hochgeschlagenem Kragen die Seitenstraßen von Charlottenburg hinunter. Als der vertraute, repräsentable Altbau in sein Sichtfeld kam, schnippte er seine Kippe in den Schneematsch und atmete tief durch.
So beschäftigt, wie die beiden waren, hatte er sie schon ewig nicht sehen können. Deswegen war er ein klein wenig euphorisch, als er endlich vor der Haustür des Paars stand, klingelte und Milenas Stimme durch die Anlage lachen hörte: „Komm rauf. Ich hoffe, du hast Hunger.“
In der Wohnung roch es gut, nach frisch zubereitetem Essen, nach Milena, nach Nik. Er schloss die junge Frau in eine feste Umarmung, drückte seine Nase in ihr Haar: „Hey.“
Milena küsste seine Halsbeuge und erwiderte seinen Gruß rau: „Hey.“ Sie beobachtete ihn lächelnd dabei, wie er sich aus dem sandfarbenen Trenchcoat schälte und die Boots abstreifte, und führte ihn anschließend ins Wohnzimmer. Irgendjemand hatte sich die Mühe gemacht, einige Kerzen auf dem wuchtigen Esstisch zu erhellen, was große Schatten an die kahlen Wände warf. Das Licht war warm und umschmeichelte Niks Züge, der sich von seinem Stuhl erhob und ihn ohne Umschweife umfing. Als Chris warme Lippen auf seinen fühlte, zuckte er kurz zurück, so heftig war das vertraute und doch nie gewohnheitliche Gefühl noch immer, ihnen so nahe sein zu können. Wie ein elektrischer Schlag, der ihm direkt in den Magen zog.
„Du hast gekocht?“, fragte er etwas atemlos in den Kuss hinein und ließ den Blick zu der Suppenterrine aus Keramik wandern, die in der Mitte des Tischs neben Wein- und Wasserkaraffe stand. Milena und Nik hatten offenbar nicht auf ihn gewartet, ihre tiefen Teller waren bereits wieder halb geleert. Es roch verführerisch gut.
Chris runzelte die Stirn. Sicher war er sich nicht, ob er es gutheißen sollte, wenn sie nicht sofort ins Schlafzimmer gingen. Einmal mehr durchbrachen die beiden nämlich seine guten Vorsätze, dass es hier nur um Sex ging. Andererseits roch es wirklich verdammt gut. Etwas Smalltalk am Wochenende konnte in ihrer Affäre vielleicht zum guten Ton integriert werden. Auch, wenn der Kerzenschein etwas drüber war.
Als Nik seinen konsternierten Ausdruck zu bemerken schien, schlug er ihm spielerisch auf die Schulter: „Erbsensuppe. Genau das Richtige, um groß und stark zu werden.“
Chris verdrehte die Augen und stellte stumm fest, dass Nik unerträgliche Papa-Phrasen auf Lager hatte, sobald er nach einem längeren Aufenthalt aus Konstanz zurückkam.
„Ich weiß nicht, worauf du anspielst, Daddy“, entgegnete Chris gleichgültig-provokant und bemerkte nicht ohne Wohlgefallen das helle Blitzen in Niks Augen. Chris überging es und ließ sich neben Milena auf den Stuhl sinken, die es sich gerade wieder bequem gemacht hatte und aus der Terrine grünschimmernde Suppe in einen dritten Teller schöpfte. „Sieht wirklich verdammt gesund aus.“
Um sich ein wenig Appetit zu verschaffen, griff er nach der Weißweinkaraffe und schenkte sich großzügig ein. „Wie war eure Woche?“
Sie lächelte verhalten. „Verdammt anstrengend und irgendwie doch nicht erwähnenswert. Wie läuft die Jobsuche?“
„Ich hatte ein Probearbeiten und fang nächste Woche wahrscheinlich bei einem Italiener in Friedrichshain an.“
Nun lagen beide Augenpaare auf ihm. „Was?“, entfuhr es Milena. „Davon hast du gar nichts erzählt!?“
„Ich wollte verhindern, dass du mir an dem Abend alle fünf Minuten schreibst und frägst, ob die Probeschicht gut läuft“, entgegnete er.
„Wie kommst du denn drauf, dass ich so etwas machen würde?“, fragte sie mit Unschuldsmiene, die er nur mit eindeutigem Blick erwiderte. „Keine Ahnung, Milena.“
„Sicher, dass du das packst mit der Doppelbelastung?“ Nik legte den Kopf schief. „Du gehst doch im Kiezeck schon an deine Grenzen.“
Chris runzelte die Stirn und sank etwas in sich zusammen: „Wie kommst du drauf?“
„Naja, es hat doch einen Grund, dass du so …“
Er kam nicht weiter, denn Chris griff halb aufgebracht, halb genervt nach seinem Glas: „Ja, ich bin dünn, verdammt! Na und? Kann ja nicht jeder so sein wie du?!“
Nun war es Milena, die eine Hand auf Chris‘ Bein legte. „Schon gut“, bekam er dann heraus, als das Blitzen der Wut ebenso schnell verflog, wie es gekommen war. „Ich bin wirklich etwas müde. Aber …“
Wie konnte er erklären, dass er immer und ständig so müde war in letzter Zeit? Er wusste ja, dass es den beiden auffiel. Er hatte abgenommen. War ständig gereizt, verplapperte sich wie gerade eben, wenn es um Milenas Privatangelegenheiten ging, und vergriff sich nun auch noch im Ton. Es lag nicht nur an den langen Partynächten, dem vielen Alkohol ohne Grundlage und den durchgewachten Nächten auf Droge. Der Termin bei seiner Fachärztin hatte wenigstens ihm offenbart, warum es bergab ging. Aber davon ahnten die beiden ja nichts. Sie meinten es nur gut. Und wenn Nik manchmal mitten in der Nacht in der Küche stand, um ihm etwas zu kochen, dann musste es gerade wirklich schlimm um ihn stehen. Plötzlich bekam diese Geste eine völlig neue Bedeutung. Und dieses Essen gerade auch. Und die Aussage von Nik, dass die Erbsensuppe ihn schon stärken würde.
„Sorry.“
Nik schüttelte nur den Kopf: „Gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Ich drück dir die Daumen für den neuen Job.“
Chris überkam das Gefühl, dass es besser wäre, jetzt zu gehen. Ihm stand nicht mehr der Sinn nach Sex oder Ähnlichem. Er wollte sich einfach vergraben. Für einige Sekunden sogar am liebsten in Niks Armen, den er mit brennenden Augen musterte. Er zwang sich, zu blinzeln, hob den Kopf, um gegen die Tränen anzukämpfen und fluchte unterdrückt. Was zur Hölle war nur los mit ihm!? Wie konnten kleine, unwesentliche Aussagen ihn nur derart aus dem Konzept bringen?
Er fühlte, wie Milena ihre Arme um seine Leibesmitte schlang, und umklammerte das Weinglas fester. Sie küsste seine Wange: „Willst du dich hinlegen?“
Erneut fluchte er leise. Er kannte es nicht, dass sich jemand anderes um ihn sorgte als vielleicht Sophie, deren Nerven er in letzter Zeit auch ziemlich überstrapaziert hatte. Ihn plagte zugleich schlechtes Gewissen, wie auch der Unwille, sich das eingestehen zu wollen. Er hatte ihre Fürsorge wirklich nicht verdient. Nicht nach all den Lügen und den geheimen Spielen, die er hinter dem Rücken des Paars abzog.
Fuck.
„Vielleicht sollte ich besser gehen“, hielt er dagegen und das gerade so laut, dass Milena ihn zu verstehen schien.
„Hast du mal nach draußen gesehen?“
Chris schaute auf. Vor den Fenstern tanzten eisig wirkende, dicke Flocken im Wind, der gegen die Scheiben peitschte. Nichts war zu hören, aber das dichte Treiben sprach für sich. Der Schneefall hatte sich in einen kleinen Sturm gewandelt. Nichts, das er als Berliner Kind nicht kannte oder gewachsen wäre.
Er griff nach seinem Handy, checkte die Uhrzeit, nur, um irgendwas zu tun, während er Niks prüfenden Blick auf sich spürte. Gerade einmal 19:37 Uhr und er fühlte sich, als hätten ihn sämtliche Kieslaster des Landes überrollt.
„Bahnen fahren noch“, erklärte er unnötigerweise. Sie waren in Charlottenburg, verdammt. Hier gab es U-Bahnhöfe an jeder größeren Straßenkreuzung, von denen Bahnen im Minutentakt abfuhren. Er müsste nur aufstehen und aus der Tür raus. Aber er konnte nicht.
Milena hob den Kopf von seiner Schulter und erstarrte, als sie auf sein Handydisplay blickte. Nur kurz, dann lachte sie auf: „Du hast ludic auf deinem Handy?“
Chris starrte auf das Arsenal an Nachrichten, die via App auf sein Handy geschickt worden waren. Die push-up Informationen der Dating-App malten mit Logos und Smileys ein kleines Kunstwerk auf das Display.
Schnell ließ er das Display schwarz werden: „Ja, nur … spaßeshalber.“
„Ich reiß dir schon nicht den Kopf ab.“ Milena grinste schief und hob dabei neugierig die Brauen. „Zeig mal.“
Auch Nik lehnte sich jetzt vor und Chris fühlte sich, als hätte man ihn in einen Bottich voll Crushed Ice gesteckt. Wie bitte?
„Wozu hast du ludic auf deinem Handy?“ Nik musterte ihn und die App ein wenig angewidert, ein wenig belustigt. Aber vor allem neugierig. „Ist das nicht fürchterlich oberflächlich?“
„Darum geht es ja, Romeo“, entgegnete Chris immer noch leicht gereizt. „Ich hab‘ mir das vor Ewigkeiten mal drauf geladen und manchmal kommen eben noch Nachrichten durch. Das sind irgendwelche Bots …“
Nun schien Niks Interesse endgültig geweckt. Er schob seinen leeren Teller von sich und zog seinen Stuhl näher zu ihnen. „Hast du darüber tatsächlich Dates ausgemacht? Ich meine … so …“
„Sex-Treffen?“, ergänzte Chris und fragte sich stumm, wie jemand wie Nik so unschuldig sein konnte. „Ja, schon.“
„Echt?“, entfuhr es Milena belustigt und ihr Gesicht leuchtete doch irgendwie fasziniert auf. Für sie schien das eine völlig andere Welt zu sein, die sie niemals betreten aber doch gerne mal aus der Ferne betrachten wollen würde. Kleinstädter. „Was für Frauen treiben sich denn da rum?“
„Ganz normale Frauen.“ „Hast du noch mehr Bilder?“ Nik hob die Brauen und lehnte sich über das schwarze Display. „Ich mein, keine Bots, sondern von Frauen, mit denen du wirklich was hattest.“
Chris blieb kurz die Spucke weg. Wie bitte!?
Da machte er sich wochenlang einen Kopf darüber, dass die beiden mit einer Affäre womöglich doch nicht so gut klarkommen würden, wie er gehofft hatte, und jetzt das. Die wollten tatsächlich begutachten, wen er flachgelegt hatte. Von Eifersucht keine Spur. Ganz im Gegenteil. Da war nur Neugier; eine Faszination, als hätten sie soeben einen neuen Kontinent entdeckt und wollten nun die erste Südfrucht kosten, ehe sie ihrem eroberten Territorium einen Namen geben würden. Immer wieder überraschten Milena und Nik ihn. Und das gab Chris irgendwie Hoffnung, dass diese Sache eben doch locker und entspannt war. Dass Sophie sich täuschte und sie keinesfalls eine Leine um seinen Hals legen wollten. Sie ließen ihm seine Freiheiten und konnten sich selbst für so einen Mist wie Dating-Apps begeistern.
Auch, wenn es ihnen im Augenblick wahrscheinlich nur darum ging, ihn aufzuheitern.
Beiträge: 10
Rang: Bilderbuchbetrachter
Schreibwerkstättler
Schreibwerkstatt-Autor
Beitrag #2, verfasst am 06.01.2018 | 08:56 Uhr
Fortsetzung der Szene (meine Einleitung war leider so lang, dass der Rest des Textes nicht mehr in einen Thread gepasst hat – aber mMn sind die Erklärungen in dieser Länge für das Verständnis notwendig gewesen - die Höchstlänge für die Texte in der SW wurde aber nicht überschritten):
Chris wälzte sich träge im Bett herum und öffnete testweise ein Auge. Seine Glieder waren angenehm schwer, sein Kopf völlig leer. Und ausnahmsweise war da kein Stechen, sondern eine angenehme Wärme hinter seiner Stirn, die sich wohlig bis zu seinen Schultern ausbreitete. Ein vertrauter Geruch von frischgewaschenen Laken und einer herben Süße, die ihm verlockend in die Nase stieg, tauchte in seinem Bewusstsein auf. Unvermittelt wurde ihm klar, dass er nicht alleine war, und schlang seufzend die Arme um die zierliche Gestalt neben sich. Milena.
Er vergrub das Gesicht in ihrem Haar und genoss für einige Augenblicke die Stille, die ihn fest umschlossen hielt. Wie ein Kokon, aus dem er am liebsten nicht mehr ausbrechen wollte.
Als er gestern nach einer langen, ausgiebigen Dusche aus dem Bad getrottet war, hatte er festgestellt, dass Nik und Milena nicht mehr im Wohnzimmer waren. Bereits um Viertel nach Acht hatten sie sich in ihr verboten großes Bett zurückgezogen, was Chris unweigerlich zum Schmunzeln gebracht hatte. Sie hatten sich Hoodies und Shorts übergezogen, sich in Decken eingekuschelt und waren offenbar noch immer in den Tiefen von ludic vergraben gewesen. Als sie ihn bemerkt hatten, stand Nik auf und reichte Chris wortlos einen Sweater, den er dankend annahm.
Gestern Nacht war nichts zwischen ihnen gelaufen außerhalb von unschuldigen Zärtlichkeiten, Küssen und dem pubertären Lachen, das Nik und Milena hin und wieder von sich gegeben hatten, wenn sie etwas Neues auf ludic aufspürten. Das ging so lange, bis es Chris zu viel wurde und er kurzerhand die dämliche App von seinem Handy deinstallierte. Er brauchte niemand anderes als die beiden, nicht in diesen Momenten.
„Wollt ihr wirklich, dass ich hierbleibe heute Nacht?“, hatte er gefragt und gleich im nächsten Moment Milenas Hand an seiner gefühlt. Sie lag auf Niks linker Schulter und musterte ihn im diffusen Licht der Nachtlampe aus dunklen Augen. Sie antwortete nichts, hielt nur stumm seine Hand und irgendwann in diesen Augenblicken musste Chris eingeschlafen sein.
Nach kurzem Zögern löste er sich von Milena und schälte sich unter den Decken hervor aus dem Schlafzimmer. In der Wohnung war es angenehm warm, selbst das Wohnzimmer wirkte im Schein der Morgensonne einladend und nicht so kühl wie sonst. Durch die angelaufenen Scheiben aber bemerkte Chris die Schneemassen, die sich auf die umliegenden Dächer gelegt hatten. Selbst die Kamintürmchen schienen von allen Seiten in weiße Watte gepackt worden zu sein.
Im Durchgang zur Küche hielt Chris inne und nahm das Bild in sich auf, welches sich ihm bot. Weißer Kondenswasserqualm stieg über der Herdstelle auf, umfing Niks Gestalt. Der junge Mann stand an der Arbeitsfläche und bearbeitete irgendetwas mit einem Messer.
„Morgen“, murmelte er und übertönte dabei nur leicht das Brutzeln, das aus der Pfanne klang. Nik schaute aber lächelnd über seine Schulter, wirkte mit seinen zerzausten Haaren und dem friedlichen Ausdruck unfassbar jung und anziehend. Chris schlang seine Arme um ihn, küsste seine Schulter und sog den herben Geruch von Nik in sich auf. „Du siehst süß aus, wenn du kochst.“
Nik schnaubte und fuhr fort, die Paprika auf dem Brettchen zu schneiden, während Chris spielerisch die Konturen auf seinem Bauch nachzeichnete. Er ließ den Kopf gegen Niks Schulter sinken, genoss das bleierne Gefühl in seinen Muskeln, die süße Schwere des Morgens.
Es könnte immer so sein, dachte er und verdrängte den Gedanken gleich darauf.
Es sollte eigentlich nicht so sein, korrigierte er sich.
Nik legte einen Arm um Chris‘ Schultern. Ein warmer, weicher Kuss bedeckte seine Lippen, ließ seine Knie weich werden und die lästigen Gedanken in seinem Kopf verabschiedeten sich. „Hast du gut geschlafen?“, fragte Nik an seine Lippen und fuhr mit der Nasenspitze über seine.
„Wie ein Stein“, entgegnete Chris, schlang die Arme um Niks Schultern, suchte instinktiv seine Nähe und die schützende Wärme.
„Was ist los mit dir?“ Nik packte seine Hüften und erstaunte Chris im nächsten Moment damit, wie leicht es ihm fiel, ihn auf die Ablage neben dem Herd zu setzen. Die Brauen hebend, ließ Chris zu, dass Nik sich zwischen seine Beine stellte, und zog ihn weiter an sich. „Bist du über Nacht zu einem Klammeräffchen mutiert?“
Chris schnaubte ein Lachen und vergrub seine Nase in Niks Haar. Wenn es so wäre, dann wäre er glücklich damit, solange er sich nur immer an Nik und seine Freundin klammern könnte. Er brauchte sie irgendwie, das merkte er schon daran, wie gut es ihm nach dieser einen, verdammten Nacht in ihren Armen ging. Dabei hatten sie noch nicht einmal miteinander geschlafen. War trotzdem perfekt gewesen.
„Du wolltest mir noch etwas sagen.“
„Mhm?“ Nik sah zu ihm auf, schloss die Augen mit genüsslicher Mimik, als Chris mit dem Zeigefinger die Linien seiner Gesichtszüge nachfuhr.
„Als du das letzte Mal in Konstanz warst. Da hast du mir gesagt, wir besprechen diese Sache, wenn du wieder in Berlin bist. Das ist schon fast drei Wochen her.“
Das Gespräch war damals knapp und ohne viel Tamtam vonstattengegangen. Nik war in der Wohnung seiner Eltern gestanden, hatte kein offenes Ohr für Themen wie Sexualität und deren freie Entfaltung gehabt. Stattdessen war er eifersüchtig geworden, weil er alleine bei Milena gewesen war.
Nik atmete tief aus. „Oh, das …“
„Bist du immer noch überfordert mit deinen schwulen Ambitionen?“
Er entlockte Nik ein verlegenes Lachen, ehe dieser wieder die Arme um ihn schlang und die Stirn gegen die von Chris presste. „Überfordert nicht. Und ich glaube, ich komm damit klar, solange ich nur schwul für dich bin.“
„Das ist dein Ernst? Gefällt es dir … so an neuen Ufern die Angel auszuwerfen?“
Niks Lächeln wurde breiter: „Das war so ungefähr der dämlichste Spruch, den ich je zu dem Thema gehört habe. Aber ja. Du gefällst mir.“
Kleine Kreise auf Niks Rücken malend, hakte Chris mit belegter Stimme nach: „Was genau gefällt dir?“
Es dauerte einige Momente, in denen Nik sich weiter gegen ihn sinken ließ, einen flüchtigen Kuss auf seine Lippen setzte. „Es gefällt mir, wie du mit Milena umgehst“, entgegnete er dann und sah ihm direkt in die Augen. „Sie in deinen Armen liegen zu sehen, ist ungefähr das schönste Bild, das ich mir an einem Sonntagmorgen vorstellen kann. Und es stört mich nicht mehr, dass sie auf dich steht. Weil ich es auch tue. Ich steh‘ auf dich und deine unmögliche Art. Ich mag es, wenn du rauchst und trinkst und kein Blatt vor den Mund nimmst, wenn du bei uns bist. Ich mag es, wie du mich ansiehst, wenn wir zusammen im Bett sind. Du brauchst nur eine Sekunde, um von der fürsorglichen Lockerheit, die du für Milena ausstrahlst, auf diese beinahe unterwürfige Verruchtheit umzuschalten, mit der du mir regelmäßig den Verstand raubst. Ich will dich jedes Mal so sehr und frage mich gleichzeitig, ob es dir wirklich ernst ist und du dich tatsächlich für mich interessierst. Dann siehst du Milena oder mich mit diesem Blick an, egal, ob dominant oder devot, und du bist so verflucht schön dabei, dass jeder Zweifel verstummt. Egal, welche Seite du zeigst, du brennst dich in meinen Kopf und lässt mich nicht mehr los.“
Chris‘ Herz pochte wild und aufgeregt. Was Nik ihm da offenbart hatte, ließ sich für ihn nicht einfach verdauen. Er fühlte seine Haut kribbeln, einfach überall. Dabei wusste er nicht einmal, ob er gerade lächelte oder erstaunt oder wie auch immer wirkte, so taub war sein Gesicht plötzlich. Niks Offenheit war im wahrsten Sinne des Wortes überwältigend.
„Geht es dir denn besser?“, hinterfragte er skeptisch und spielte wohl auf den letzten Abend an.
Chris hätte wirklich gehen sollen, oder zum Vögeln bleiben. Nichts davon hatte er getan. Zu erschöpft von der Arbeit und zu ausgelaugt von seiner verdammt angeschlagenen Kondition war er einfach nur zu gereizt und zu gedankenlos gewesen. Er hatte sich der süßen Versuchung hingegeben, sich in Niks schutzversprechende Arme und Milenas wohlige Wärme sinken zu lassen, um alles zu vergessen. Selbst die guten Vorsätze. Dass es hier nur um Sex ging.
Diesen Umstand könnten sie jetzt doch bereinigen und dann bräuchte er sich auch über dieses aufwühlende Gefühl in seinem Bauch keine Gedanken mehr zu machen. Dieses Gefühl, das ihn in Milenas und Niks Nähe einfach nicht mehr losließ. Eigentlich auch dann nicht, wenn sie überhaupt nicht bei ihm waren. Dann wurde es nämlich manchmal noch schlimmer und nicht einmal Alkohol, Drogen und unbedeutender Sex konnten ihm helfen, diese ganze Scheiße zu betäuben. Nichts konnte ihm helfen.
In diesem Moment musste er sich nämlich eingestehen, dass Sophie Recht hatte. Er machte sich etwas vor, wenn er glaubte, dass er Milena und Nik ersetzen konnte. Die beiden waren einmalig und sie schienen wie geschaffen für ihn. Nur leider war er pures Gift für sie und das Paar erahnte dies noch nicht einmal.
„Mir geht es besser“, entgegnete Chris den Gedanken zum Trotz. „Ich weiß, dass ich scheiße drauf war gestern Abend.“
Der aber runzelte nur die Stirn und Chris hätte die Falten zwischen seinen Brauen am liebsten glattgestrichen. „Ich habe dir schon gesagt, dass du dich nicht zu entschuldigen brauchst.“
„Aber …“
„Chris?“ Nik wich einen Schritt zurück, lächelte dabei aber. „Jeder hat mal einen schlechten Tag und ich komm gut damit klar, wenn du hier bist und wir mal nicht im Bett landen. Du musst das nicht tun, um mir etwas zu beweisen.“
Doch, musste er. Und zwar genau deshalb, weil Nik wieder solche Worte gebrauchte, sich wieder so verhielt. Als würde es hier um mehr gehen. Um Gefühle und um Nähe. Das ließ Chris Panik empfinden und so langsam auch so etwas wie Resignation. Wenn selbst Sophie merkte, wie viel ihm diese Sache mit Milena und Nik bedeutete, dann hatte er vielleicht wirklich die Kontrolle verloren. Dann war es schon zu spät. Dann waren Situationen wie gestern Abend, wo er geglaubt hatte, Eifersucht und andere Gefühle wären für sie kein Thema, wie ein Ruderboot auf dem Atlantik. Er redete sich eine zum Scheitern verurteilte Situation schön.
Er pickte sich nur die positiven Argumente heraus und verdrängte die negativen, die gegen ein Verhältnis mit diesem Paar sprachen. Weil er Angst hatte, sie zu verlieren. Weil er ja doch nicht mehr die Reißleine ziehen konnte. Weil er sie brauchte. Er wusste nicht, wie und wann oder warum es dazu gekommen war, wusste nur, dass er in den letzten Wochen alles dafür getan hatte, um diese Erkenntnis zu ersticken. Aber das hatte nichts gebracht, hatte nichts geändert. Hatte ihn nicht einmal erkennen lassen, wann er diese Schwelle von unwesentlich zu verdammt wesentlich überschritten hatte. Und in diesem Moment war es, als würde sein Karma ihm eine schallende Ohrfeige verpassen, die nichts anderes zu bedeuten hatte, als: Vollidiot.
Ja, er brauchte Nik und Milena, die ihn Tag für Tag in seinen Gedanken begleiteten.
So sehr, dass Niks Distanz ihn schmerzte.
Chris zog ihn zurück an sich und umfing ihn mit einem tonlosen Seufzen. Pure Erleichterung durchflutete ihn, als Nik seine Umarmung erwiderte und ruhig in seinen Armen atmete, als sei die gesamte, restliche Welt ausgeschaltet.
_____
Ich hoffe sehr, ihr konntet damit was anfangen und wollt mir Feedback geben. Ich wäre unendlich dankbar ?
Chris wälzte sich träge im Bett herum und öffnete testweise ein Auge. Seine Glieder waren angenehm schwer, sein Kopf völlig leer. Und ausnahmsweise war da kein Stechen, sondern eine angenehme Wärme hinter seiner Stirn, die sich wohlig bis zu seinen Schultern ausbreitete. Ein vertrauter Geruch von frischgewaschenen Laken und einer herben Süße, die ihm verlockend in die Nase stieg, tauchte in seinem Bewusstsein auf. Unvermittelt wurde ihm klar, dass er nicht alleine war, und schlang seufzend die Arme um die zierliche Gestalt neben sich. Milena.
Er vergrub das Gesicht in ihrem Haar und genoss für einige Augenblicke die Stille, die ihn fest umschlossen hielt. Wie ein Kokon, aus dem er am liebsten nicht mehr ausbrechen wollte.
Als er gestern nach einer langen, ausgiebigen Dusche aus dem Bad getrottet war, hatte er festgestellt, dass Nik und Milena nicht mehr im Wohnzimmer waren. Bereits um Viertel nach Acht hatten sie sich in ihr verboten großes Bett zurückgezogen, was Chris unweigerlich zum Schmunzeln gebracht hatte. Sie hatten sich Hoodies und Shorts übergezogen, sich in Decken eingekuschelt und waren offenbar noch immer in den Tiefen von ludic vergraben gewesen. Als sie ihn bemerkt hatten, stand Nik auf und reichte Chris wortlos einen Sweater, den er dankend annahm.
Gestern Nacht war nichts zwischen ihnen gelaufen außerhalb von unschuldigen Zärtlichkeiten, Küssen und dem pubertären Lachen, das Nik und Milena hin und wieder von sich gegeben hatten, wenn sie etwas Neues auf ludic aufspürten. Das ging so lange, bis es Chris zu viel wurde und er kurzerhand die dämliche App von seinem Handy deinstallierte. Er brauchte niemand anderes als die beiden, nicht in diesen Momenten.
„Wollt ihr wirklich, dass ich hierbleibe heute Nacht?“, hatte er gefragt und gleich im nächsten Moment Milenas Hand an seiner gefühlt. Sie lag auf Niks linker Schulter und musterte ihn im diffusen Licht der Nachtlampe aus dunklen Augen. Sie antwortete nichts, hielt nur stumm seine Hand und irgendwann in diesen Augenblicken musste Chris eingeschlafen sein.
Nach kurzem Zögern löste er sich von Milena und schälte sich unter den Decken hervor aus dem Schlafzimmer. In der Wohnung war es angenehm warm, selbst das Wohnzimmer wirkte im Schein der Morgensonne einladend und nicht so kühl wie sonst. Durch die angelaufenen Scheiben aber bemerkte Chris die Schneemassen, die sich auf die umliegenden Dächer gelegt hatten. Selbst die Kamintürmchen schienen von allen Seiten in weiße Watte gepackt worden zu sein.
Im Durchgang zur Küche hielt Chris inne und nahm das Bild in sich auf, welches sich ihm bot. Weißer Kondenswasserqualm stieg über der Herdstelle auf, umfing Niks Gestalt. Der junge Mann stand an der Arbeitsfläche und bearbeitete irgendetwas mit einem Messer.
„Morgen“, murmelte er und übertönte dabei nur leicht das Brutzeln, das aus der Pfanne klang. Nik schaute aber lächelnd über seine Schulter, wirkte mit seinen zerzausten Haaren und dem friedlichen Ausdruck unfassbar jung und anziehend. Chris schlang seine Arme um ihn, küsste seine Schulter und sog den herben Geruch von Nik in sich auf. „Du siehst süß aus, wenn du kochst.“
Nik schnaubte und fuhr fort, die Paprika auf dem Brettchen zu schneiden, während Chris spielerisch die Konturen auf seinem Bauch nachzeichnete. Er ließ den Kopf gegen Niks Schulter sinken, genoss das bleierne Gefühl in seinen Muskeln, die süße Schwere des Morgens.
Es könnte immer so sein, dachte er und verdrängte den Gedanken gleich darauf.
Es sollte eigentlich nicht so sein, korrigierte er sich.
Nik legte einen Arm um Chris‘ Schultern. Ein warmer, weicher Kuss bedeckte seine Lippen, ließ seine Knie weich werden und die lästigen Gedanken in seinem Kopf verabschiedeten sich. „Hast du gut geschlafen?“, fragte Nik an seine Lippen und fuhr mit der Nasenspitze über seine.
„Wie ein Stein“, entgegnete Chris, schlang die Arme um Niks Schultern, suchte instinktiv seine Nähe und die schützende Wärme.
„Was ist los mit dir?“ Nik packte seine Hüften und erstaunte Chris im nächsten Moment damit, wie leicht es ihm fiel, ihn auf die Ablage neben dem Herd zu setzen. Die Brauen hebend, ließ Chris zu, dass Nik sich zwischen seine Beine stellte, und zog ihn weiter an sich. „Bist du über Nacht zu einem Klammeräffchen mutiert?“
Chris schnaubte ein Lachen und vergrub seine Nase in Niks Haar. Wenn es so wäre, dann wäre er glücklich damit, solange er sich nur immer an Nik und seine Freundin klammern könnte. Er brauchte sie irgendwie, das merkte er schon daran, wie gut es ihm nach dieser einen, verdammten Nacht in ihren Armen ging. Dabei hatten sie noch nicht einmal miteinander geschlafen. War trotzdem perfekt gewesen.
„Du wolltest mir noch etwas sagen.“
„Mhm?“ Nik sah zu ihm auf, schloss die Augen mit genüsslicher Mimik, als Chris mit dem Zeigefinger die Linien seiner Gesichtszüge nachfuhr.
„Als du das letzte Mal in Konstanz warst. Da hast du mir gesagt, wir besprechen diese Sache, wenn du wieder in Berlin bist. Das ist schon fast drei Wochen her.“
Das Gespräch war damals knapp und ohne viel Tamtam vonstattengegangen. Nik war in der Wohnung seiner Eltern gestanden, hatte kein offenes Ohr für Themen wie Sexualität und deren freie Entfaltung gehabt. Stattdessen war er eifersüchtig geworden, weil er alleine bei Milena gewesen war.
Nik atmete tief aus. „Oh, das …“
„Bist du immer noch überfordert mit deinen schwulen Ambitionen?“
Er entlockte Nik ein verlegenes Lachen, ehe dieser wieder die Arme um ihn schlang und die Stirn gegen die von Chris presste. „Überfordert nicht. Und ich glaube, ich komm damit klar, solange ich nur schwul für dich bin.“
„Das ist dein Ernst? Gefällt es dir … so an neuen Ufern die Angel auszuwerfen?“
Niks Lächeln wurde breiter: „Das war so ungefähr der dämlichste Spruch, den ich je zu dem Thema gehört habe. Aber ja. Du gefällst mir.“
Kleine Kreise auf Niks Rücken malend, hakte Chris mit belegter Stimme nach: „Was genau gefällt dir?“
Es dauerte einige Momente, in denen Nik sich weiter gegen ihn sinken ließ, einen flüchtigen Kuss auf seine Lippen setzte. „Es gefällt mir, wie du mit Milena umgehst“, entgegnete er dann und sah ihm direkt in die Augen. „Sie in deinen Armen liegen zu sehen, ist ungefähr das schönste Bild, das ich mir an einem Sonntagmorgen vorstellen kann. Und es stört mich nicht mehr, dass sie auf dich steht. Weil ich es auch tue. Ich steh‘ auf dich und deine unmögliche Art. Ich mag es, wenn du rauchst und trinkst und kein Blatt vor den Mund nimmst, wenn du bei uns bist. Ich mag es, wie du mich ansiehst, wenn wir zusammen im Bett sind. Du brauchst nur eine Sekunde, um von der fürsorglichen Lockerheit, die du für Milena ausstrahlst, auf diese beinahe unterwürfige Verruchtheit umzuschalten, mit der du mir regelmäßig den Verstand raubst. Ich will dich jedes Mal so sehr und frage mich gleichzeitig, ob es dir wirklich ernst ist und du dich tatsächlich für mich interessierst. Dann siehst du Milena oder mich mit diesem Blick an, egal, ob dominant oder devot, und du bist so verflucht schön dabei, dass jeder Zweifel verstummt. Egal, welche Seite du zeigst, du brennst dich in meinen Kopf und lässt mich nicht mehr los.“
Chris‘ Herz pochte wild und aufgeregt. Was Nik ihm da offenbart hatte, ließ sich für ihn nicht einfach verdauen. Er fühlte seine Haut kribbeln, einfach überall. Dabei wusste er nicht einmal, ob er gerade lächelte oder erstaunt oder wie auch immer wirkte, so taub war sein Gesicht plötzlich. Niks Offenheit war im wahrsten Sinne des Wortes überwältigend.
„Geht es dir denn besser?“, hinterfragte er skeptisch und spielte wohl auf den letzten Abend an.
Chris hätte wirklich gehen sollen, oder zum Vögeln bleiben. Nichts davon hatte er getan. Zu erschöpft von der Arbeit und zu ausgelaugt von seiner verdammt angeschlagenen Kondition war er einfach nur zu gereizt und zu gedankenlos gewesen. Er hatte sich der süßen Versuchung hingegeben, sich in Niks schutzversprechende Arme und Milenas wohlige Wärme sinken zu lassen, um alles zu vergessen. Selbst die guten Vorsätze. Dass es hier nur um Sex ging.
Diesen Umstand könnten sie jetzt doch bereinigen und dann bräuchte er sich auch über dieses aufwühlende Gefühl in seinem Bauch keine Gedanken mehr zu machen. Dieses Gefühl, das ihn in Milenas und Niks Nähe einfach nicht mehr losließ. Eigentlich auch dann nicht, wenn sie überhaupt nicht bei ihm waren. Dann wurde es nämlich manchmal noch schlimmer und nicht einmal Alkohol, Drogen und unbedeutender Sex konnten ihm helfen, diese ganze Scheiße zu betäuben. Nichts konnte ihm helfen.
In diesem Moment musste er sich nämlich eingestehen, dass Sophie Recht hatte. Er machte sich etwas vor, wenn er glaubte, dass er Milena und Nik ersetzen konnte. Die beiden waren einmalig und sie schienen wie geschaffen für ihn. Nur leider war er pures Gift für sie und das Paar erahnte dies noch nicht einmal.
„Mir geht es besser“, entgegnete Chris den Gedanken zum Trotz. „Ich weiß, dass ich scheiße drauf war gestern Abend.“
Der aber runzelte nur die Stirn und Chris hätte die Falten zwischen seinen Brauen am liebsten glattgestrichen. „Ich habe dir schon gesagt, dass du dich nicht zu entschuldigen brauchst.“
„Aber …“
„Chris?“ Nik wich einen Schritt zurück, lächelte dabei aber. „Jeder hat mal einen schlechten Tag und ich komm gut damit klar, wenn du hier bist und wir mal nicht im Bett landen. Du musst das nicht tun, um mir etwas zu beweisen.“
Doch, musste er. Und zwar genau deshalb, weil Nik wieder solche Worte gebrauchte, sich wieder so verhielt. Als würde es hier um mehr gehen. Um Gefühle und um Nähe. Das ließ Chris Panik empfinden und so langsam auch so etwas wie Resignation. Wenn selbst Sophie merkte, wie viel ihm diese Sache mit Milena und Nik bedeutete, dann hatte er vielleicht wirklich die Kontrolle verloren. Dann war es schon zu spät. Dann waren Situationen wie gestern Abend, wo er geglaubt hatte, Eifersucht und andere Gefühle wären für sie kein Thema, wie ein Ruderboot auf dem Atlantik. Er redete sich eine zum Scheitern verurteilte Situation schön.
Er pickte sich nur die positiven Argumente heraus und verdrängte die negativen, die gegen ein Verhältnis mit diesem Paar sprachen. Weil er Angst hatte, sie zu verlieren. Weil er ja doch nicht mehr die Reißleine ziehen konnte. Weil er sie brauchte. Er wusste nicht, wie und wann oder warum es dazu gekommen war, wusste nur, dass er in den letzten Wochen alles dafür getan hatte, um diese Erkenntnis zu ersticken. Aber das hatte nichts gebracht, hatte nichts geändert. Hatte ihn nicht einmal erkennen lassen, wann er diese Schwelle von unwesentlich zu verdammt wesentlich überschritten hatte. Und in diesem Moment war es, als würde sein Karma ihm eine schallende Ohrfeige verpassen, die nichts anderes zu bedeuten hatte, als: Vollidiot.
Ja, er brauchte Nik und Milena, die ihn Tag für Tag in seinen Gedanken begleiteten.
So sehr, dass Niks Distanz ihn schmerzte.
Chris zog ihn zurück an sich und umfing ihn mit einem tonlosen Seufzen. Pure Erleichterung durchflutete ihn, als Nik seine Umarmung erwiderte und ruhig in seinen Armen atmete, als sei die gesamte, restliche Welt ausgeschaltet.
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Ich hoffe sehr, ihr konntet damit was anfangen und wollt mir Feedback geben. Ich wäre unendlich dankbar ?
Beiträge: 1916
Rang: Hobbyautor
Template-Designer
Tutorial-Autor
Beitrag #3, verfasst am 02.07.2018 | 16:21 Uhr
Hmmmmm ... Okay, dieser Beitrag ist schon ziemlich alt und ich weiß gar nicht, ob er überhaupt noch aktuell ist, aber ich vermute, solange er noch On steht, soll man noch drauf eingehen. Hab festgestellt, dass hier noch niemand reagiert hat und dachte mir, ich sollte auch endlich mal was für mein Geld ... Öhm, oder zumindest meine Foren-Plakette tun ;).
Also dann.
Ich war sofort angefixt von der Idee, hier einen meiner längeren Texte mal unter die Lupe nehmen zu lassen. Warum? Weil er anders ist. Anders inwiefern?
Das erkläre ich euch gern.
Okay, aber du hast es leider nicht getan. Oder ich habe nicht verstanden, inwiefern „anders“ deine Geschichte nun sein soll. Wegen der Polyamorie? Das ist nicht wirklich neu, aber das muss es auch nicht. Wenn es danach ginge, nur Neues schreiben zu dürfen, dürfte es längst keinerlei Geschichten mehr über heterosexuelle Zweierbeziehungen geben. Das ist also keine Kritik, es soll auch keine Entmutigung darstellen, aber es ist eben nichts Besonderes. Aber vielleicht kommt mir das auch nur so vor, weil ich im Fanfiktionsektor seit einiger Zeit praktisch mit PA-Fics überschwemmt werde, vorzugsweise gekoppelt mit Slash, Dreier, Vierer, die Höchstzahl war bis jetzt glaube ich eine Fünferbeziehung, dieses Thema hat da einen echten Boom erfahren und ich fürchte, das wird zukünftig noch zunehmen. Oder meinst du die psychischen Krankheiten, was ich mir allerdings auch nicht vorstellen kann? Denn das ist nun wirklich schon lange eine beliebte Trope, von Depressionen bis Schizophrenie. Es kommt wie bei allem nur darauf an, wie man es rüberbringt.
Also lange Rede, kurzer Sinn: Ich verstehe nicht, worin deine Geschichte sich von anderen unterscheiden soll. Normalerweise hätte ich da kein so großes Augenmerk drauf gelegt, aber du hast es so stolz angekündigt, deswegen möchte ich da gerne Klarheit erlangen. Ich kann mir vorstellen, dass sich das ironisch anhört, aber ich frage in aller Ernsthaftigkeit, da ich oft den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe und mich deswegen allzu oft in peinlichen Situation wiederfinde -_-‘.
„Indikatoren einer Großstadt sind Lärm, Schmutz und Masse. Ballt sich dies alles zusammen, fällt es als Individuum schwer zu deuten, wo man selbst und die eigene Welt anfängt, wo aufhört. In Berlin schafft man neben Millionen anderen sein eigenes Universum. Man entscheidet, wen man ausschließt, wen man hineinlässt. Und eigentlich glaubt man, die Kontrolle darüber zu besitzen. Bis man feststellt, dass Träume, Erfolg und Liebe nicht kontrollierbar sind. Christoph ist in Berlin geboren, dort aufgewachsen und dachte eigentlich, dass er sein eigenes abgeschottetes Universum sicher gegen jede Art von spießiger Vernunft errichtet hätte. Ohne Gedanken an Konsequenzen lebt er in den Tag und lässt keine Chance auf schnelllebige Abenteuer aus. Bis er auf ein junges Paar trifft, das gerade erst nach Berlin gezogen ist, um ein neues Leben zu beginnen. Aus einem anfänglichen Abenteuer wird mehr – und Chris merkt erst nach einem großen Fehler, dass er sich in etwas hineinmanövriert hat, das er so nie wollte. PolyAmorie/m-f-m“
Du hast zwar nicht danach gefragt, aber trotzdem: Das ist eine extrem lange KB. Daran ist nichts Verwerfliches, auf manchem professionellen Buchrücken wird schließlich oftmals der halbe Roman gespoilert, aber hier meine ich, einige unnötige Infos aufgeführt zu sehen, ohne die das Ganze etwas knackiger klingen würde. Nur ein Vorschlag, fix zusammengeschustert:
„In Berlin schafft man sich neben Millionen anderen ein eigenes Universum – man entscheidet selbst, wen man ausschließt, wen man einlässt. Christoph hatte eigentlich gedacht, seines gegen jede Art von spießiger Vernunft gewappnet zu haben. Er lebt in den Tag hinein, frei von Konsequenzen, dafür stets offen für Abenteuer. Bis er eine unbedachte Affäre mit einem jungen Paar beginnt, die ihn erkennen lässt, dass Träume, Erfolg und Liebe nicht kontrollierbar sind.“
Außerdem finde ich, dass die Angabe „Polyamorie/m-f-m“ unnötig ist. Jeder, der einigermaßen helle in der Birne ist, erkennt anhand deiner KB, dass es hier um Liebe zwischen drei Menschen geht: mindestens einem Mann, plus ein „Paar“, meiner Meinung nach darf es ruhig eine Überraschung bleiben, aus was dieses Paar besteht, ob nun Mann und Frau oder Frau und Frau oder Mann und Mann. In aller Regel denkt man aber als erstes an Mann und Frau. Aber es ist natürlich letztendlich alles deine Entscheidung.
Dieser Ausschnitt, der aus einer längeren Prosageschichte von mir stammt, soll euch ein wenig das Bild vermitteln, wie die Beziehung der Drei im Alltag sieht. Die Situation ist sehr zerrissen, wie ihr vielleicht bemerken werdet.
Meine Fragen an euch wären daher: Wie transportiert sich das?
Nicht die Situation wirkt zerrissen, sondern Chris‘ Seelenleben, aber ich nehme mal an, das hast du auch gemeint. Wenn du aber tatsächlich versucht hast, die Gesamtsituation „zerrissen“ wirken zu lassen, hat das meiner Meinung nach nicht geklappt. Nik und Milena erscheinen mir eher standhaft und mit sich selbst im Reinen. Natürlich sind sie wegen Chris‘ launischem Verhalten unsicher, aber als Paar in einem neuen Lebensabschnitt erscheinen sie mir eher konstant und gefestigt. Chris hingegen kommt mir wie ein Fremdkörper vor, der sich teils hineinschiebt, teils dagegen sträubt, assimiliert zu werden, den sie aber auch konsequent hereinzuziehen versuchen ... Das klingt irgendwie bedrohlich xD. Nähme ich Chris heraus, empfände ich die Szene als harmonisch, wie ein ganz normaler Abend/Morgen in einem jungen Haushalt. Da wirkt nichts zerrissen. Nik und Milena wissen offenbar gut genug, was sie wollen. Es ist fast schon schweißtreibend harmonisch, ein bisschen zu zuckersüß für meinen Geschmack, mit einer fürsorglichen Frau, die ihrem Freund minutenweise Aufmunterungs-SMS während der Jobsuche schickt und einem fürsorglichen Mann, der kocht und schmust und gar nicht auf Sex aus ist, solange er reden kann. Klingt zu perfekt.
Kommt Chris‘ Zerrissenheit gut rüber.
Ja, das würde ich behaupten. Er scheint hin- und hergerissen zu sein zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem Drang nach Freiheit, oder vielmehr nicht Drang nach Freiheit, sondern eher Angst vor Gefangenschaft. Denn mit der Freiheit scheint er ja auch nicht so gut klarzukommen, sonst ginge es ihm psychisch wahrscheinlich besser. Im ersten Augenblick ist er gut gelaunt, dann sagt jemand ein falsches Wort und er ist sauer. Vielleicht sogar ein bisschen zu sehr? Seine aufbrausende Art ist etwas nervig, andererseits kann ich seine Anwandlungen als ebenfalls mit (zum Glück nur) leichten Depressionen geschlagenem Opfer gut nachvollziehen. Ich kann so ziemlich alles an der Figur gut nachvollziehen, aber das hindert mich nicht daran, Chris unsympathisch zu finden. Vielleicht ist das aber auch nur so, weil ich mich angesprochen fühle und nicht daran erinnert werden will, wie ich selbst auf andere Menschen wirken muss.
Wirkt die Situation überzeichnet oder realistisch?
Wie gesagt, ein bisschen zu harmonisch ...? Ich möchte jetzt nicht unbedingt sagen überzeichnet, aber vor allem die Interaktion zwischen den Männern empfinde ich als etwas zu feminin. Mein genauer Gedanke bei den Stellen lautete: „Meine Fresse, wie weibisch!“ *räusper* Das Problem wird wohl sein, dass ich kein homosexueller Mann bin – oder überhaupt einer. Ich weiß nicht, wie gefühlvoll genau Männer in einem Gespräch werden können, wenn sie einen anderen Mann lieben und ob sie ihn dann tatsächlich behandeln wie eine Frau. Ich bin grundsätzlich etwas derber veranlagt und kriege Ausschlag bei „Ich liebe dich!“ – „Ich liebe dich auch!“ – „Du bist so schön!“ – „Du doch auch!“ ... Überschwänglich ausgedrückt. Die Morgenszene ist da noch ein Stück süßlicher als die erste, ich finde sie schon grenzwertig unrealistisch. Sind das diskriminierende Ansichten? Wie gesagt, mir fehlt die Erfahrung, ich rede jetzt nur über die Art, wie ich sie empfunden habe.
Regt die Szene denn generell das Interesse an der Story an oder ist sie für euch eher Null-Acht-Fünfzehn?
Das ist eine unangenehme Frage, denn ... ich muss wirklich sagen, dass sie für mich 08/15 wirkt. Sorry. Ich bin aber möglicherweise auch nicht ganz der richtige Ansprechpartner für Romanzen. Hätten die Szenen mehr die Krankheit(en) als Thema, fände ich sie vielleicht nicht so langweilig. Ich glaube, das wären so Stellen, die ich in einem Buch nur halbherzig überfliegen würde, bis es mit „Action“ weitergeht. Ich will versuchen, es objektiv zu bewerten: Wenn sie die Aufgabe hatten, Niks und Milenas harmonische Beziehung und ihren potenziellen Wunsch, Chris fest darin zu integrieren, sowie im Kontrast Chris‘ Zerrüttung und Widerstand darzustellen – dann ist das gelungen. Aber sie haben kein Tempo, was auch nicht im Sinne dieser Aufgabe wäre. Es kann ja nicht immer rasant voran gehen. Als „Atem-“ oder „Denkpause“ im Plot stelle ich sie mir interessanter vor, eigenständig finde ich sie öde.
Was kann das Thema für euch und wie wünscht ihr euch die Umsetzung mit Polyamorie?
Bei diesem Thema geht es in den Fanfics, die ich bisher gelesen habe, fast immer nur um Sex. Und das ist absolut nicht mein Fall, wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich einen gewissen Vorbehalt vor diesem Tag entwickelt habe. Für mich: Polyamory = sinnloses Gerammel möglichst vieler heißer Kerle. Die wenigen Fics, die mir halbwegs zusagen, behandeln hingegen mehr die psychologische Seite solcher Beziehungen. Schuldgefühle, Unsicherheiten, Eifersucht – ich glaube, dass es, je mehr Teilnehmer eine Beziehung aufweist, extrem schwierig sein muss, allen zu vertrauen und wirklich so ein inniges Verhältnis aufzubauen, wie man es von einer Zweierbeziehung erwartet. Es erscheint mir fast unmöglich, jeden Partizipierten mit derselben Aufmerksamkeit zu beglücken, und jede Abweichung könnte Anlass für Streitereien bedeuten. Die Probleme, die eine solche Beziehung aufwirft, würden mich wesentlich mehr interessieren, als ... Na gut, wenn ich in der Stimmung bin, kann aber der Sex auch ganz anregend sein xD.
Braucht die Welt solche Storys oder eher: Ne, kann weg?!
Grundsätzlich bin ich der Paar-Typ, nicht der Triangel-, Quadrangel-, Pentagon- usw.-Fan. Was aber nicht heißen soll, dass ich solche Geschichten nicht wenigstens anlese und sie, sofern der Plot mich fesselt, nicht auch begeistert aufnehmen kann. Und schon gar nicht nehme ich mir heraus, über Brauchen und Nichtbrauchen zu entscheiden. Ich nehme Het, Slash und Zweierbeziehungen als gegeben hin, warum sollte ich PA-Plots die Daseinsberechtigung absprechen? Ich empfinde sie als sehr gewöhnungsbedürftig, aber ich habe auch eine kleine Handvoll Geschichten, die ich sehr gerne mag und ... Nein, okay, ich will ehrlich sein. Ich dulde die Dreierbeziehung, weil mir die Plots gefallen und die Schreiber gut genug sind, die Figuren sympathisch und empathisch darzustellen, aber eine der drei (oder mehr) stört mich immer unterschwellig und ich hätte überhaupt nichts dagegen, würde sie den Kreis verlassen. Aber deswegen würde ich niemals anderen den Spaß verderben wollen und sagen, dass solche Geschichten nicht sein dürfen.
Okay, zum Schluss noch ein paar Punkte, nach denen du auch nicht gefragt hast, aber die ich trotzdem erwähnen will:
„Mein eigenes Berlin“ ... Hm, klingt ein bisschen langweilig. Als Titel auf einem käuflichen Buch würde mich das nicht mal zum Rausziehen und KB lesen veranlassen. Allerdings muss ich zugeben, dass es nach deiner Beschreibung den Kern der Sache trifft. Ich habe auch einige ziemlich öde Titel für meine Geschichten gewählt, weil ich einfach der Meinung bin, dass sie schlichtweg am besten aussagen, was ich sagen möchte, also ... Keine Ahnung, vielleicht möchtest du da drüber nochmal nachdenken.
Mir gefällt dein Stil. Du schreibst nüchtern und auf den Punkt, ohne viel Tamtam um irgendwelche sinnlosen Umgebungsbeschreibungen, nur um weiser und aufmerksamer zu erscheinen. Ich mag das, aber ich schätze, das ist Ansichtssache. Viele andere würden dir jetzt wahrscheinlich sagen, dass man sich ohne Details deine Welt überhaupt nicht vorstellen kann, aber ich brauche eigentlich gar nicht so viel davon. Klar, wo, wann, warum, wie die Figuren jetzt von Punkt A nach B gelangen, möchte ich schon wissen, aber es interessiert mich jetzt nicht unbedingt wie z.B. der an das Empfangszimmer der Dirne angrenzende Hinterhof aussieht – es sei denn natürlich, das ist oder wird wichtig für die Handlung sein. Bei manchen Schreibern habe ich aber das Gefühl, sie produzieren den ganzen – Pardon – Müll nur, weil sie sich genötigt fühlen, ihre Schreibkunst unter Beweis zu stellen, mit wer weiß wie blumigen Ausschmückungen, die mich vom springenden Punkt ablenken und deshalb mit der Zeit mehr nerven als fesseln.
Dann möchte ich betonen, dass du eine sehr gute Orthografie aufweist. Das mag dich nach dem ganzen Gemecker über den Inhalt vielleicht nicht interessieren, aber ich halte Rechtschreibung, Grammatik und Ausdruck für eine enorm wichtige Stütze einer guten Geschichte. Und nicht vergessen, die inhaltliche Kritik ist größtenteils subjektiv, einen echten Romancier magst du ganz anders unterhalten als mich als erklärten Abenteurer.
Soooo ... Ich hoffe, mein erster Versuch an konstruktiver Kritik ist nicht gleich völlig in die Hose gegangen und ich konnte dir wenigstens ein bisschen helfen :).
Also dann.
Ich war sofort angefixt von der Idee, hier einen meiner längeren Texte mal unter die Lupe nehmen zu lassen. Warum? Weil er anders ist. Anders inwiefern?
Das erkläre ich euch gern.
Okay, aber du hast es leider nicht getan. Oder ich habe nicht verstanden, inwiefern „anders“ deine Geschichte nun sein soll. Wegen der Polyamorie? Das ist nicht wirklich neu, aber das muss es auch nicht. Wenn es danach ginge, nur Neues schreiben zu dürfen, dürfte es längst keinerlei Geschichten mehr über heterosexuelle Zweierbeziehungen geben. Das ist also keine Kritik, es soll auch keine Entmutigung darstellen, aber es ist eben nichts Besonderes. Aber vielleicht kommt mir das auch nur so vor, weil ich im Fanfiktionsektor seit einiger Zeit praktisch mit PA-Fics überschwemmt werde, vorzugsweise gekoppelt mit Slash, Dreier, Vierer, die Höchstzahl war bis jetzt glaube ich eine Fünferbeziehung, dieses Thema hat da einen echten Boom erfahren und ich fürchte, das wird zukünftig noch zunehmen. Oder meinst du die psychischen Krankheiten, was ich mir allerdings auch nicht vorstellen kann? Denn das ist nun wirklich schon lange eine beliebte Trope, von Depressionen bis Schizophrenie. Es kommt wie bei allem nur darauf an, wie man es rüberbringt.
Also lange Rede, kurzer Sinn: Ich verstehe nicht, worin deine Geschichte sich von anderen unterscheiden soll. Normalerweise hätte ich da kein so großes Augenmerk drauf gelegt, aber du hast es so stolz angekündigt, deswegen möchte ich da gerne Klarheit erlangen. Ich kann mir vorstellen, dass sich das ironisch anhört, aber ich frage in aller Ernsthaftigkeit, da ich oft den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe und mich deswegen allzu oft in peinlichen Situation wiederfinde -_-‘.
„Indikatoren einer Großstadt sind Lärm, Schmutz und Masse. Ballt sich dies alles zusammen, fällt es als Individuum schwer zu deuten, wo man selbst und die eigene Welt anfängt, wo aufhört. In Berlin schafft man neben Millionen anderen sein eigenes Universum. Man entscheidet, wen man ausschließt, wen man hineinlässt. Und eigentlich glaubt man, die Kontrolle darüber zu besitzen. Bis man feststellt, dass Träume, Erfolg und Liebe nicht kontrollierbar sind. Christoph ist in Berlin geboren, dort aufgewachsen und dachte eigentlich, dass er sein eigenes abgeschottetes Universum sicher gegen jede Art von spießiger Vernunft errichtet hätte. Ohne Gedanken an Konsequenzen lebt er in den Tag und lässt keine Chance auf schnelllebige Abenteuer aus. Bis er auf ein junges Paar trifft, das gerade erst nach Berlin gezogen ist, um ein neues Leben zu beginnen. Aus einem anfänglichen Abenteuer wird mehr – und Chris merkt erst nach einem großen Fehler, dass er sich in etwas hineinmanövriert hat, das er so nie wollte. PolyAmorie/m-f-m“
Du hast zwar nicht danach gefragt, aber trotzdem: Das ist eine extrem lange KB. Daran ist nichts Verwerfliches, auf manchem professionellen Buchrücken wird schließlich oftmals der halbe Roman gespoilert, aber hier meine ich, einige unnötige Infos aufgeführt zu sehen, ohne die das Ganze etwas knackiger klingen würde. Nur ein Vorschlag, fix zusammengeschustert:
„In Berlin schafft man sich neben Millionen anderen ein eigenes Universum – man entscheidet selbst, wen man ausschließt, wen man einlässt. Christoph hatte eigentlich gedacht, seines gegen jede Art von spießiger Vernunft gewappnet zu haben. Er lebt in den Tag hinein, frei von Konsequenzen, dafür stets offen für Abenteuer. Bis er eine unbedachte Affäre mit einem jungen Paar beginnt, die ihn erkennen lässt, dass Träume, Erfolg und Liebe nicht kontrollierbar sind.“
Außerdem finde ich, dass die Angabe „Polyamorie/m-f-m“ unnötig ist. Jeder, der einigermaßen helle in der Birne ist, erkennt anhand deiner KB, dass es hier um Liebe zwischen drei Menschen geht: mindestens einem Mann, plus ein „Paar“, meiner Meinung nach darf es ruhig eine Überraschung bleiben, aus was dieses Paar besteht, ob nun Mann und Frau oder Frau und Frau oder Mann und Mann. In aller Regel denkt man aber als erstes an Mann und Frau. Aber es ist natürlich letztendlich alles deine Entscheidung.
Dieser Ausschnitt, der aus einer längeren Prosageschichte von mir stammt, soll euch ein wenig das Bild vermitteln, wie die Beziehung der Drei im Alltag sieht. Die Situation ist sehr zerrissen, wie ihr vielleicht bemerken werdet.
Meine Fragen an euch wären daher: Wie transportiert sich das?
Nicht die Situation wirkt zerrissen, sondern Chris‘ Seelenleben, aber ich nehme mal an, das hast du auch gemeint. Wenn du aber tatsächlich versucht hast, die Gesamtsituation „zerrissen“ wirken zu lassen, hat das meiner Meinung nach nicht geklappt. Nik und Milena erscheinen mir eher standhaft und mit sich selbst im Reinen. Natürlich sind sie wegen Chris‘ launischem Verhalten unsicher, aber als Paar in einem neuen Lebensabschnitt erscheinen sie mir eher konstant und gefestigt. Chris hingegen kommt mir wie ein Fremdkörper vor, der sich teils hineinschiebt, teils dagegen sträubt, assimiliert zu werden, den sie aber auch konsequent hereinzuziehen versuchen ... Das klingt irgendwie bedrohlich xD. Nähme ich Chris heraus, empfände ich die Szene als harmonisch, wie ein ganz normaler Abend/Morgen in einem jungen Haushalt. Da wirkt nichts zerrissen. Nik und Milena wissen offenbar gut genug, was sie wollen. Es ist fast schon schweißtreibend harmonisch, ein bisschen zu zuckersüß für meinen Geschmack, mit einer fürsorglichen Frau, die ihrem Freund minutenweise Aufmunterungs-SMS während der Jobsuche schickt und einem fürsorglichen Mann, der kocht und schmust und gar nicht auf Sex aus ist, solange er reden kann. Klingt zu perfekt.
Kommt Chris‘ Zerrissenheit gut rüber.
Ja, das würde ich behaupten. Er scheint hin- und hergerissen zu sein zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem Drang nach Freiheit, oder vielmehr nicht Drang nach Freiheit, sondern eher Angst vor Gefangenschaft. Denn mit der Freiheit scheint er ja auch nicht so gut klarzukommen, sonst ginge es ihm psychisch wahrscheinlich besser. Im ersten Augenblick ist er gut gelaunt, dann sagt jemand ein falsches Wort und er ist sauer. Vielleicht sogar ein bisschen zu sehr? Seine aufbrausende Art ist etwas nervig, andererseits kann ich seine Anwandlungen als ebenfalls mit (zum Glück nur) leichten Depressionen geschlagenem Opfer gut nachvollziehen. Ich kann so ziemlich alles an der Figur gut nachvollziehen, aber das hindert mich nicht daran, Chris unsympathisch zu finden. Vielleicht ist das aber auch nur so, weil ich mich angesprochen fühle und nicht daran erinnert werden will, wie ich selbst auf andere Menschen wirken muss.
Wirkt die Situation überzeichnet oder realistisch?
Wie gesagt, ein bisschen zu harmonisch ...? Ich möchte jetzt nicht unbedingt sagen überzeichnet, aber vor allem die Interaktion zwischen den Männern empfinde ich als etwas zu feminin. Mein genauer Gedanke bei den Stellen lautete: „Meine Fresse, wie weibisch!“ *räusper* Das Problem wird wohl sein, dass ich kein homosexueller Mann bin – oder überhaupt einer. Ich weiß nicht, wie gefühlvoll genau Männer in einem Gespräch werden können, wenn sie einen anderen Mann lieben und ob sie ihn dann tatsächlich behandeln wie eine Frau. Ich bin grundsätzlich etwas derber veranlagt und kriege Ausschlag bei „Ich liebe dich!“ – „Ich liebe dich auch!“ – „Du bist so schön!“ – „Du doch auch!“ ... Überschwänglich ausgedrückt. Die Morgenszene ist da noch ein Stück süßlicher als die erste, ich finde sie schon grenzwertig unrealistisch. Sind das diskriminierende Ansichten? Wie gesagt, mir fehlt die Erfahrung, ich rede jetzt nur über die Art, wie ich sie empfunden habe.
Regt die Szene denn generell das Interesse an der Story an oder ist sie für euch eher Null-Acht-Fünfzehn?
Das ist eine unangenehme Frage, denn ... ich muss wirklich sagen, dass sie für mich 08/15 wirkt. Sorry. Ich bin aber möglicherweise auch nicht ganz der richtige Ansprechpartner für Romanzen. Hätten die Szenen mehr die Krankheit(en) als Thema, fände ich sie vielleicht nicht so langweilig. Ich glaube, das wären so Stellen, die ich in einem Buch nur halbherzig überfliegen würde, bis es mit „Action“ weitergeht. Ich will versuchen, es objektiv zu bewerten: Wenn sie die Aufgabe hatten, Niks und Milenas harmonische Beziehung und ihren potenziellen Wunsch, Chris fest darin zu integrieren, sowie im Kontrast Chris‘ Zerrüttung und Widerstand darzustellen – dann ist das gelungen. Aber sie haben kein Tempo, was auch nicht im Sinne dieser Aufgabe wäre. Es kann ja nicht immer rasant voran gehen. Als „Atem-“ oder „Denkpause“ im Plot stelle ich sie mir interessanter vor, eigenständig finde ich sie öde.
Was kann das Thema für euch und wie wünscht ihr euch die Umsetzung mit Polyamorie?
Bei diesem Thema geht es in den Fanfics, die ich bisher gelesen habe, fast immer nur um Sex. Und das ist absolut nicht mein Fall, wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich einen gewissen Vorbehalt vor diesem Tag entwickelt habe. Für mich: Polyamory = sinnloses Gerammel möglichst vieler heißer Kerle. Die wenigen Fics, die mir halbwegs zusagen, behandeln hingegen mehr die psychologische Seite solcher Beziehungen. Schuldgefühle, Unsicherheiten, Eifersucht – ich glaube, dass es, je mehr Teilnehmer eine Beziehung aufweist, extrem schwierig sein muss, allen zu vertrauen und wirklich so ein inniges Verhältnis aufzubauen, wie man es von einer Zweierbeziehung erwartet. Es erscheint mir fast unmöglich, jeden Partizipierten mit derselben Aufmerksamkeit zu beglücken, und jede Abweichung könnte Anlass für Streitereien bedeuten. Die Probleme, die eine solche Beziehung aufwirft, würden mich wesentlich mehr interessieren, als ... Na gut, wenn ich in der Stimmung bin, kann aber der Sex auch ganz anregend sein xD.
Braucht die Welt solche Storys oder eher: Ne, kann weg?!
Grundsätzlich bin ich der Paar-Typ, nicht der Triangel-, Quadrangel-, Pentagon- usw.-Fan. Was aber nicht heißen soll, dass ich solche Geschichten nicht wenigstens anlese und sie, sofern der Plot mich fesselt, nicht auch begeistert aufnehmen kann. Und schon gar nicht nehme ich mir heraus, über Brauchen und Nichtbrauchen zu entscheiden. Ich nehme Het, Slash und Zweierbeziehungen als gegeben hin, warum sollte ich PA-Plots die Daseinsberechtigung absprechen? Ich empfinde sie als sehr gewöhnungsbedürftig, aber ich habe auch eine kleine Handvoll Geschichten, die ich sehr gerne mag und ... Nein, okay, ich will ehrlich sein. Ich dulde die Dreierbeziehung, weil mir die Plots gefallen und die Schreiber gut genug sind, die Figuren sympathisch und empathisch darzustellen, aber eine der drei (oder mehr) stört mich immer unterschwellig und ich hätte überhaupt nichts dagegen, würde sie den Kreis verlassen. Aber deswegen würde ich niemals anderen den Spaß verderben wollen und sagen, dass solche Geschichten nicht sein dürfen.
Okay, zum Schluss noch ein paar Punkte, nach denen du auch nicht gefragt hast, aber die ich trotzdem erwähnen will:
„Mein eigenes Berlin“ ... Hm, klingt ein bisschen langweilig. Als Titel auf einem käuflichen Buch würde mich das nicht mal zum Rausziehen und KB lesen veranlassen. Allerdings muss ich zugeben, dass es nach deiner Beschreibung den Kern der Sache trifft. Ich habe auch einige ziemlich öde Titel für meine Geschichten gewählt, weil ich einfach der Meinung bin, dass sie schlichtweg am besten aussagen, was ich sagen möchte, also ... Keine Ahnung, vielleicht möchtest du da drüber nochmal nachdenken.
Mir gefällt dein Stil. Du schreibst nüchtern und auf den Punkt, ohne viel Tamtam um irgendwelche sinnlosen Umgebungsbeschreibungen, nur um weiser und aufmerksamer zu erscheinen. Ich mag das, aber ich schätze, das ist Ansichtssache. Viele andere würden dir jetzt wahrscheinlich sagen, dass man sich ohne Details deine Welt überhaupt nicht vorstellen kann, aber ich brauche eigentlich gar nicht so viel davon. Klar, wo, wann, warum, wie die Figuren jetzt von Punkt A nach B gelangen, möchte ich schon wissen, aber es interessiert mich jetzt nicht unbedingt wie z.B. der an das Empfangszimmer der Dirne angrenzende Hinterhof aussieht – es sei denn natürlich, das ist oder wird wichtig für die Handlung sein. Bei manchen Schreibern habe ich aber das Gefühl, sie produzieren den ganzen – Pardon – Müll nur, weil sie sich genötigt fühlen, ihre Schreibkunst unter Beweis zu stellen, mit wer weiß wie blumigen Ausschmückungen, die mich vom springenden Punkt ablenken und deshalb mit der Zeit mehr nerven als fesseln.
Dann möchte ich betonen, dass du eine sehr gute Orthografie aufweist. Das mag dich nach dem ganzen Gemecker über den Inhalt vielleicht nicht interessieren, aber ich halte Rechtschreibung, Grammatik und Ausdruck für eine enorm wichtige Stütze einer guten Geschichte. Und nicht vergessen, die inhaltliche Kritik ist größtenteils subjektiv, einen echten Romancier magst du ganz anders unterhalten als mich als erklärten Abenteurer.
Soooo ... Ich hoffe, mein erster Versuch an konstruktiver Kritik ist nicht gleich völlig in die Hose gegangen und ich konnte dir wenigstens ein bisschen helfen :).
Ich Unverbesserlich – Realitätsferner Happy-Go-Lucky-Typ, der Kitsch über Schmarrn schreibt und auch noch meint, damit die Welt ein bisschen fröhlicher zu gestalten. ✌(≖‿≖)✌ (Außerdem hab ich offensichtlich zwei linke Hände.)
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