Ich persönlich als Frau gebe zu, dass ich auch viel lieber männliche Charaktere schreibe und kein wirkliches Problem damit sehe.
In Büchern sind meine Lieblingsfiguren eben meistens Männer und nur selten Frauen. Vielleicht liegt es daran, dass die Psyche und die Erfahrungen des anderen Geschlechts einfach interessanter für mich sind, weil ich meine eigene weibliche Psyche und meine weiblichen Erfahrungen schon längst kenne.
Deshalb finde ich es ganz interessant, die männliche Sicht der Dinge zu sehen. Außerdem fühle ich mich zu Männern eben stärker hingezogen. Es ist irgendwie komisch, aber platonisch ist es für mich schwerer, einen weiblichen Charakter als Lieblingscharakter zu haben, denn bei meinen Lieblingscharakteren spielt oft auch ein bisschen Verknalltheit mit rein um ehrlich zu sein, deshalb haben Frauen in Büchern es einfach viel schwerer, mein Herz zu erobern (es ist fast schon unmöglich). Es gibt auch noch einen anderen ganz bestimmten Grund, warum ich will, dass mein Hauptcharakter definitiv männlich ist: weil ich nämlich das Gefühl habe, dass negative männliche Erfahrungen, Sexismus gegen Männer und Misshandlung gegen Männer in der Gesellschaft so gut wie gar nicht thematisiert oder ernstgenommen werden, und am schlimmsten, in manchen Fällen sogar zelebriert werden. Bei Geschlechtergleichstellung denkt jeder sofort daran, Frauen zu stärken und Frauen zu helfen, während oft gar nicht bekannt ist, dass auch Männer gewisse Nachteile aufgrund ihres Geschlechts erfahren.
Viele Leute setzen sich das Ziel, mit Geschlechterklischees aufzuräumen und ein gutes starkes weibliches Vorbild für Mädchen zu liefern, wenn sie eine Frau in der Hauptrolle schreiben, und das ist auch mein Ziel. Ich möchte, dass die Leute auch für Männerleiden ein wenig sensibilisiert werden, und ich möchte, dass die Leute Empathie und Sympathie für meinen männlichen Hauptcharakter entwickeln, dass sie sehen, dass auch Männer Opfer und nicht nur Täter sein können und dass hoffentlich irgendwann die sexistischen "Alle Männer sind Schweine", "Alle Männer wollen nur das Eine", "Halt dich bloß fern von Männern, sie sind es nicht Wert", "Ich wünschte, wir könnten einfach alle Männer in Konzentrationslager stecken und vergasen" (ja, diesen Spruch habe ich tatsächlich ohne einen Hauch von einem Zögern lautstark im ruhigen Klassenzimmer gehört und niemand war auch nur im mindesten so entsetzt darüber wie ich) Sprüche, die ich heute überall von Frauen wie selbstverständlich höre, aufhören. Mein männlicher Hauptcharakter wird in seiner Kindheit von seiner Mutter sexuell missbraucht, womit er im Erwachsenenalter stark zu kämpfen hat, und obwohl das nicht im Vordergrund der Geschichte stehen wird, möchte ich es unbedingt mit reinbringen, da es immer noch irgendwie ein Tabuthema ist, vor allem wenn eine Frau in der Täterrolle steht. Ich will aber noch erwähnen, dass auch eine Frau stark im Vordergrund steht, die seine beste Freundin war und die eine fast genauso große Rolle spielen wird wie er. Auch bei ihr soll mit Klischees ein wenig aufgeräumt werden, in dem Sinne, dass sie zwar stark ist, aber nicht perfekt, dass sie Ecken und Kanten und Zweifel hat, dass sie ein wenig egoistisch ist, aber dass sie im Laufe der Geschichte wächst.
Da der Beginn des Threads 10 Jahre alt ist, denke ich, hat sich in der Zeit doch einiges verändert. Während früher wirklich hauptsächlich Männer als Protagonisten vorkamen, sind es jetzt schon überwiegend Frauen.
Ich muss aber zugeben, dass ich mit Frauen relativ wenig anfangen kann, warum kann ich gar nicht sagen. Vielleicht, weil sie entweder so dargestellt werden, dass es schon auf der 2. Seite absehbar ist, dass sie im Bett eines Typen landen werden und sich Hals über Kopf verlieben; oder aber das genaue Gegenteil ist der Fall, sie sind starke, für junge Mädchen zweifellos vorbildliche, Kämpfernaturen, die alle Männer abblitzen lassen (nur um dann am Ende doch mit einem im Bett zu landen).
Am interessantesten finde ich noch Frauen, die überhaupt nichts mit Sex zu tun haben wollen und eher wissenschaftlich veranlagt sind. Aber diese sind dann doch eher atypisch und vermutlich weniger beliebt, weil die Liebe im Leben der meisten Menschen doch eine große Rolle spielt und daher in Büchern auch überwiegend thematisiert wird. Aber sogesehen interessieren mich Männer, die nur mit Frauen im Bett landen, genauso wenig. Allerdings ist das meiner Erfahrung nach seltener der Fall, und tatsächlich denken männliche Protagonisten meistens nicht nur an die Eine. Aber das ist sicherlich auch genreabhängig.
Folglich sind meine Hauptcharaktere, auch wenn es zugegeben altmodisch ist, auch hauptsächlich Männer. Da mache ich es aber wie jamewii und schreibe nicht klischeehaft, denn auch Männer haben Ecken, Kanten und Schwächen. Überhaupt finde ich Protagonisten, die alles können und sich selbst über alles lieben, langweilig – aber wer tut das nicht?
Als Leser ist es mir egal, ob der Hauptcharakter männlich oder weiblich ist und auch als Schreiber halten sich männliche und weibliche Protagonisten bei mir ziemlich die Waage. Was ich allgemein nicht abkann, sind Klischees und Genderstereotype - das schwache, emotionale Frauchen löst bei mir ebenso Augenverdrehen aus wie der toughe Alphamann-Macho. Meine Charaktere sind in erster Linie Menschen (bzw. Katzen) mit verschiedenen Charaktereigenschaften, Stärken, Schwächen, Motiven und Glaubenssätzen. Das Geschlecht ist für mich nur eine Eigenschaft unter vielen.
Geht mir ganz ähnlich. Ich würde sogar noch eins draufsetzen und sagen, dass inzwischen mMn auch das Gegenteil des Klischees zum Klischee geworden ist - also die toughe Frau, die sich von keinem Mann die Butter vom Brot nehmen lässt bzw der sanfte Mann, der dann auch noch mega belesen ist und klug. Solche Konstellationen erwecken immer recht schnell den Anschein von: schaut mal, wie originell meine Figuren sind; obwohl man eben einfach nur das Klischee nahm und es umdrehte.
Letzten Endes führt also kaum ein Weg darum herum, sich seine Figuren nach realistischen Vorbildern aufzubauen und nicht nach Stereotypen (vor allem die Hautpcharaktere!)
Ich persönlich schreibe lustigerweise Frauen nur aus der dritten Person, Männer aber ab und an auch aus der ersten. Vermutlich, weil die Gefahr besteht, dass ich als Frau zu viel von "mir selbst" in eine weibliche Ich-Erzählerin hineinschreiben würde ...
"Second things second, don´t you tell me what you think that I can be. I´m the one at the sail, I´m the master of my sea." - Imagine Dragons, Believer
Assan
Als Leser ist es mir egal, ob der Hauptcharakter männlich oder weiblich ist und auch als Schreiber halten sich männliche und weibliche Protagonisten bei mir ziemlich die Waage. Was ich allgemein nicht abkann, sind Klischees und Genderstereotype - das schwache, emotionale Frauchen löst bei mir ebenso Augenverdrehen aus wie der toughe Alphamann-Macho. Meine Charaktere sind in erster Linie Menschen (bzw. Katzen) mit verschiedenen Charaktereigenschaften, Stärken, Schwächen, Motiven und Glaubenssätzen. Das Geschlecht ist für mich nur eine Eigenschaft unter vielen.
Geht mir ganz ähnlich. Ich würde sogar noch eins draufsetzen und sagen, dass inzwischen mMn auch das Gegenteil des Klischees zum Klischee geworden ist - also die toughe Frau, die sich von keinem Mann die Butter vom Brot nehmen lässt bzw der sanfte Mann, der dann auch noch mega belesen ist und klug. Solche Konstellationen erwecken immer recht schnell den Anschein von: schaut mal, wie originell meine Figuren sind; obwohl man eben einfach nur das Klischee nahm und es umdrehte.
Letzten Endes führt also kaum ein Weg darum herum, sich seine Figuren nach realistischen Vorbildern aufzubauen und nicht nach Stereotypen (vor allem die Hautpcharaktere!)
Ich persönlich schreibe lustigerweise Frauen nur aus der dritten Person, Männer aber ab und an auch aus der ersten. Vermutlich, weil die Gefahr besteht, dass ich als Frau zu viel von "mir selbst" in eine weibliche Ich-Erzählerin hineinschreiben würde ...
Kann mal jemand ein paar Beispiele für solche Figuren nennen? Ich gebe zu, dass ich nicht viel Mainstreamliteratur lese, weil ich eigentlich Fantasyfan bin, mich die Plots der meisten Fantasybücher aber schon beim Klappentext langweilen.
Aber ich wüsste jetzt kein Beispiel für den "sanften Mann, der auch noch mega belesen ist und klug" ... also, außer in meinen eigenen Geschichten. Meine Figuren sind grundsätzlich Bücherwürmer, ich mag das.
Okay, Tolkien hat so ein paar Figuren (Bilbo, Frodo, Elrond) , aber das ist ja nun ein Weilchen her.
(Die "Frau die sich haargenau verhält wie ein Mann" habe ich bisher nur bei Jasper Fforde gelesen. Wobei der das wahrscheinlich gar nicht mit Absicht macht, sondern einfach nicht darüber nachdenkt, dass "Ich prügel mich mal wegen einer Wette mit einer Person, die mir wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung verpasst" und "Wenn jemand mich nicht heiraten will, vergewaltige ich ihn einfach" Verhaltensweisen sind, die bei Frauen nicht unmöglich, aber doch unwahrscheinlich sind. Wobei Fforde auch Fantasy schreibt, die in Paralleluniversen spielt wo an der menschlichen DNA herumgepfuscht wurde, insofern hat er da künstlerische Freiheit. Und ich muss sage ... wenn Ffordes Figuren stereotyp sind, dann stört mich das eigentlich nicht. Sie sind unterhaltsam.)
Lest meine Lovecraftian-Horror-Story: https://www.book-ebooks.com/schatten-ueber-ruchensee-16163043.html
Weiß nicht, ob das Gegenteil schon klischeehaft ist. Ich muss zugeben, dass ich in letzter Zeit kaum gelesen habe, bzw. nur Fachbücher fürs Studium. Die Protagonisten der Bücher, an die ich mich spontan erinnere, waren dabei eigentlich recht ausgewogen.
Beispiele:
- Samwell Tarly. Ein Bücherwurm und sensibler, junger Mann, der überhaupt nicht in das Bild des starken Mannes seiner Gesellschaft passt - sehr zu seinem Leidwesen. G.R.R. Martin hat allgemein viele Figuren, die dem typischen Frauen- bzw. Männerbild nicht entsprechen. Arya Stark und Brienne wären Beispiele für starke, weibliche Krieger und zumindest letztere hat dabei aber nie ihre Menschlichkeit und Wärme verloren. Erstere ... äh, ich will mal nicht spoilern, deswegen sage ich nur: ich mag Arya im Laufe der Story immer weniger.
- Kurt Wallander. Krimi-Ermittler mit (wahrscheinlich) Depressionen. Entspricht zwar größtenteils dem Männerbild (zumindest nach außen hin), hat aber eine sehr sensible und auch kunstinteressierte Seite - in meinen Augen eine Figur, die in erster Linie menschlich ist und kein Alphamann-Abziehbild.
- Warrior Cats hat allgemein ziemlich ausgewogene Figuren, aber das liegt auch daran, dass Genderrollen in der Serie quasi keine Rolle spielen, da sie Katzengesellschaft hinsichtlich Geschlecht egalitär ist
("Ich prügel mich mal wegen einer Wette mit einer Person, die mir wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung verpasst" und "Wenn jemand mich nicht heiraten will, vergewaltige ich ihn einfach" - finde ich jetzt nicht typisch männlich, denn die meisten Männer sind nicht so. Ersteres ist ziemlich unvernünftig und klingt eher nach Grundschule und zweiteres ist einfach nur gestört und sch****. Ich denke, Frauen sind nicht die besseren Menschen und genauso fähig zu Grausamkeiten und asozialem Verhalten wie Männer. Dass die Gefängnisse vor allem mit männlichen Straftätern besetzt sind, liegt weniger primär am Geschlecht als an der Sozialisation. Dadurch gibt es Unterschiede darin, wie Männer und Frauen Gewalt ausüben (welche Arten von Gewalt und an welchen Opfern) und hierdurch wiederum eine hohe Dunkelziffer was Täterinnen angeht (Gewalt von Frauen an Männern wird häufig nicht ernstgenommen und angezeigt).
Ich denke auch an eine Studie, die ich gelesen habe - dort wurden Mädchen und Jungen verschiedenen Alters hinsichtlich der Aggressivität verglichen und heraus kam, dass es im Großen und Ganzen keine Unterschiede gab. Die genauen Studien müsste ich aber raussuchen - werde ich aber nicht vor meiner Klausur am Donnerstag machen.)
Sionon Klingensang
Assan
Als Leser ist es mir egal, ob der Hauptcharakter männlich oder weiblich ist und auch als Schreiber halten sich männliche und weibliche Protagonisten bei mir ziemlich die Waage. Was ich allgemein nicht abkann, sind Klischees und Genderstereotype - das schwache, emotionale Frauchen löst bei mir ebenso Augenverdrehen aus wie der toughe Alphamann-Macho. Meine Charaktere sind in erster Linie Menschen (bzw. Katzen) mit verschiedenen Charaktereigenschaften, Stärken, Schwächen, Motiven und Glaubenssätzen. Das Geschlecht ist für mich nur eine Eigenschaft unter vielen.
Geht mir ganz ähnlich. Ich würde sogar noch eins draufsetzen und sagen, dass inzwischen mMn auch das Gegenteil des Klischees zum Klischee geworden ist - also die toughe Frau, die sich von keinem Mann die Butter vom Brot nehmen lässt bzw der sanfte Mann, der dann auch noch mega belesen ist und klug. Solche Konstellationen erwecken immer recht schnell den Anschein von: schaut mal, wie originell meine Figuren sind; obwohl man eben einfach nur das Klischee nahm und es umdrehte.
Letzten Endes führt also kaum ein Weg darum herum, sich seine Figuren nach realistischen Vorbildern aufzubauen und nicht nach Stereotypen (vor allem die Hautpcharaktere!)
Ich persönlich schreibe lustigerweise Frauen nur aus der dritten Person, Männer aber ab und an auch aus der ersten. Vermutlich, weil die Gefahr besteht, dass ich als Frau zu viel von "mir selbst" in eine weibliche Ich-Erzählerin hineinschreiben würde ...
Kann mal jemand ein paar Beispiele für solche Figuren nennen? Ich gebe zu, dass ich nicht viel Mainstreamliteratur lese, weil ich eigentlich Fantasyfan bin, mich die Plots der meisten Fantasybücher aber schon beim Klappentext langweilen.
Aber ich wüsste jetzt kein Beispiel für den "sanften Mann, der auch noch mega belesen ist und klug" ... also, außer in meinen eigenen Geschichten. Meine Figuren sind grundsätzlich Bücherwürmer, ich mag das.
Okay, Tolkien hat so ein paar Figuren (Bilbo, Frodo, Elrond) , aber das ist ja nun ein Weilchen her.
(Die "Frau die sich haargenau verhält wie ein Mann" habe ich bisher nur bei Jasper Fforde gelesen. Wobei der das wahrscheinlich gar nicht mit Absicht macht, sondern einfach nicht darüber nachdenkt, dass "Ich prügel mich mal wegen einer Wette mit einer Person, die mir wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung verpasst" und "Wenn jemand mich nicht heiraten will, vergewaltige ich ihn einfach" Verhaltensweisen sind, die bei Frauen nicht unmöglich, aber doch unwahrscheinlich sind. Wobei Fforde auch Fantasy schreibt, die in Paralleluniversen spielt wo an der menschlichen DNA herumgepfuscht wurde, insofern hat er da künstlerische Freiheit. Und ich muss sage ... wenn Ffordes Figuren stereotyp sind, dann stört mich das eigentlich nicht. Sie sind unterhaltsam.)
Wenn es um konkrete Beispiele geht, muss ich leider passen, da ich beim Lesen Wert drauf lege, dass die Figuren eben vielschichtig sind. Gegen kluge Bücherwürmer ist ja auch gar nichts einzuwenden (mag ich eprsönlich im Übrigen auch sehr gerne), solange sie eben runde Charaktere sind. Schwierig wird es immer da, wo man auf weniges reduziert, wenn man also denkt es reiche, den Mann klug, sanft und belesen zu machen (ich weiß nicht wie das bei deinen Figuren ist, daher: kein persönlicher Angriff auf dich, Sionin) und ihm sonst nichts mitzugeben.
Allerdings glaube ich, dass die krassen Klischeefiguren tatsächlich weniger werden (zumindest empfinde ich das so) und das die meisten Charaktere relativ vielschichtig sind.
Bei der Frau, die sich verhält wie ein Mann habe ich allerdings ein ähnliches Problem wie medicine cat: die beschriebenen Verhaltensweisen treffen sicherlich nicht auf "den Mann" zu (den es vermutlich genauso wenig gibt wie "die Frau"). Vermutlich meintest du aber ohnehin den Klischee-Mann, der sich mit jedem anlegt, der ihm vor die Füße kommt :) da kenne ich tatsächlich keine Charakterin, die sich so verhält (auch wenn ich mal eine kannte, die sich in echt so verhalten hat, urgs). Allerdings dürften solche Charas auch als Männer recht unpopulär sein - kann ich mich aber auch täuschen.
"Second things second, don´t you tell me what you think that I can be. I´m the one at the sail, I´m the master of my sea." - Imagine Dragons, Believer