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Schreibwerkstatt-Autor
Beitrag #1, verfasst am 18.02.2019 | 12:28 Uhr
Hallo Leute
Ich schreibe seit ca. zwei Jahren mit sehr viel Begeisterung.
Ich habe für mich immer wieder kleinere Kurzgeschichten verfasst, habe sie aber nie einem breiten Publikum präsentiert.
Mir ist es durchaus bewusst dass ich Schreib-technisch noch absolut in den Kinderschuhe stecke.
Aber mich würde ein Feedback trotzdem brennend interessieren 😊
Zu meinem Anliegen:
Ich habe für eine liebe Freundin von mir eine Geburtstagsgeschichte verfasst.
Ich wäre um eine Rundumkritik sehr Dankbar.
Mit Freundlichen Grüssen
Heidi
Neben dem Zerfall gibt uns der Anlass zu bedenken,
wer am längsten lebt, der muss dem Andern nichts mehr schenken.
Wir nehmen uns die Zeit, keine Angst, es ist kein Rennen.
-Alligatoah "So gut wie Neu"
Ich wurde als junger Bub in der Nordschweiz geboren.
«Klar, als junger Bub und nicht als alter Mann. Ist doch logisch!
Es sind neun Wörter und es hagelt schon Kritik. Was bist du denn für ein merkwürdiger Leser!
Also, noch mal von vorne.»
Ich wurde als junger Bub in der Nordschweiz geboren!
Mein Name ist Karlheinz Hüggli und hier ist meine Geschichte.
Ihr könnt sie euch zu Gemüte führen, studieren oder einen Papierflieger daraus basteln.
Übrigens sind die Rechtschreibfehler in meiner Biografie beabsichtigt.
Man könnte sie sonst zu leicht mit einem Werk von Paulo Coelho verwechseln.
1981
Mein Lebenseinstieg war nicht leicht.
Ich dachte mir, nach der Wirtschaftskrise kann es nicht mehr schlimmer werden - falsch gedacht!
Es gurkten komische Wesen wie Phil Collins und Roland Kaiser durch die Hitparaden.
Im gleichen Jahr gab auch der Musiksender MTV sein Debüt.
Das erste Video, das ausgestrahlt wurde, war von The Buggles, Video Killed The Radio Star.
Es war grauenhaft.
Dem Himmel sei Dank hatten wir keine Flimmerkiste, somit wurden mir die Schmalzlocken- und Vokuhila-Träger erspart, wofür ich heute noch sehr dankbar bin.
Ich war noch nie ein grosser Befürworter von diesem stumpfsinnigen Elektrogerät.
Das ist auch der Grund, weshalb ich auch noch im Erwachsenenalter sehr gerne meine Billagsteuern hinterziehe.
Ihr denkt jetzt wahrscheinlich: «Wie, die hatten keinen Fernseher?»
Das war in einer akademischen Familie etwas ganz Normales.
Dafür konnte ich schon sehr früh mit einer Kastanie und vier Streichhölzern eine Ziege basteln.
1989
Die Luft war abgestanden und es stank nach alten Socken.
Ich befand mich in der Rudolf Steiner Schule. Es war Tag der offenen Tür.
Skeptischer Blick von meinem Vater, er presste mit ziemlich lauter Stimme hervor:
«Junge, du gehst mir nicht auf eine solche Nazi Schule!»
Alle Anwesenden gafften uns an. Ich wurde rot wie eine Tomate und wollte einfach nur noch im Boden versinken.
Aus mir unbegreiflichen Gründen assoziierte er nämlich Rudolf Steiner mit Rudolf Höss,
dem KZ Leiter aus Auschwitz.
Er war total allergisch auf diesen Namen.
Mein Vater war Geschichtslehrer. Seine Aversion gegenüber rechtsdenkenden Menschen liess er auch in seinen Unterricht mit einfliessen.
Er liess die Kinder komische Themenaufsätze schreiben wie zum Beispiel:
«Darf ein rechtsradikaler Bauer eine Solaranlage auf dem Dach haben?»
Mein Vater fragte einmal in Megaphonlautstärke eine Bauernfamilie, die ihr Kind Rudolf nennen wollte, ob sie eigentlich noch alle Ziegel auf dem Dach hätten.
«Mit diesem Arschlochname ist eine kriminelle Karriere ja schon vorprogrammiert.
Tauft ihn doch lieber Kevin. Kevin ist zeitlos».
1996
Die Meldung ereilte mich, dass sich die Band Take That auflöste.
Zuerst das Ableben von Tiny Tim, und jetzt das. Ich war zutiefst bestürzt.
Ich fand die Jungs ziemlich cool.
Es war Samstagabend, eine milde, wunderschöne Sommernacht.
Ich ging in eine kleine Kneipe namens «Freunde» in der Berner Altstadt, um mich von dieser Nachricht ein wenig abzulenken.
Ich bestellte mir, wie immer, einen leckeren Minztee, weil ich Früchtetee nicht besonders mag.
Mir gegenüber sass ein junger, gutaussehender Mann.
Er zog sich seinen Pullover aus, dabei rutschte sein Shirt ein wenig hoch.
Ich erhaschte einen kurzen Blick auf seinen Bauch. Mein Herz fing an zu pochen.
Ich erwischte mich selbst, wie ich mir auf die Unterlippe biss. Ich holte tief Luft.
Ich nahm einen grossen Schluck aus meiner heissen Tasse,
dabei verbrannte ich mir die Zunge, liess mir aber nichts anmerken.
Ich blieb völlig cool.
Bei genauerem Hinsehen fiel mir eine kleine Zahnlücke bei ihm auf. Er sah aus wie ein Boxer.
Das fand ich unglaublich sexy.
Die Jahre darauf wurde ich des Öfteren gefragt, ob ich schwul sei.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als mir diese Frage das erste Mal gestellt wurde.
Mir fiel fast der Prosecco aus der Hand.
2003
Schon als kleiner Junge war es mein Traum, Innendekorateur zu werden.
Ich bekam auch ziemlich schnell eine Praktikumsstelle bei der Ikea in Lyssach.
Gerade mal zwei Stunden und drei gebrochene Finger später, haben sie gesagt, dass ich zu schusselig sei für diese Arbeit.
Sie würden mir dringendst einen anderen Job empfehlen, nur möglichst weit weg von Lyssach.
Ihre Haftpflichtversicherung würde in meinem Fall keinen weiteren Finger mehr übernehmen.
Schade! Ich hatte aber noch einen Plan B in der Reserve.
Welches ist die grösste Volkskrankheit, die wir in unserer privilegierten Schweiz haben?
Richtig, Selbstzerstörung! Depression, Burnout, Angststörungen, Panikattacken usw.
Je höher der Lebensstandart ist, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit psychisch zu erkranken. Paradox!
Deswegen ging ich nach meinem Abschluss an der Diplommittelschule in den Suchtbereich.
Ich machte es mir zur Lebensaufgabe, fehlgeleiteten Junkies wieder einen Hauch Selbstwertgefühl in die Augen zu zaubern.
Mit grossem Erfolg.
Gelegentlich konnte ich durch mein erworbenes Fachwissen die Fixer von der Nadel fern halten.
Oder sie sind gestorben.
Eins von beidem trifft immer ein. Ist halt mein Berufsrisiko.
Aber wenn ich dann einen Süchtigen auf die richtige Bahn lenken konnte, damit er endlich seine Steuern wieder zahlt, ist das ein tolles Gefühl für mich.
Manchmal, wenn niemand zuschaut, tätschle ich mir meine Schulter und sage:
«Das hast du aber wieder einmal fein gemacht.»
Ich mag meine Arbeit. Ich könnte mir keinen anderen Job mehr vorstellen.
2006
Im Wagen vor mir fuhr ein junges Mädchen, aber von fahren konnte hier absolut nicht die Rede sein. Mit beiden Händen am Lenkrad und weit aufgerissenen Augen tuckerte sie durch Köniz.
Schlagartig schoss mir ein Zitat durch den Kopf.
Eine Mademoiselle mit lockigem Haar, Mitte dreissig, hat es mir mit beschützender Stimme
mit auf meinen Lebensweg gegeben:
«Du kannst nicht immer mit angezogener Handbremse durchs Leben gehen», sagte sie mir damals.
«Toll», dachte ich mir.
Ich kurbelte die Scheibe herunter und schrie zum Fenster hinaus:
«Löse mal die Handbremse und rechts ist das Gaspedal, du beschränkter Schamlappen!»
Prompt kam ihr Wagen ins Schleudern und prallte gegen eine Strassenleuchte.
Super, die Strasse war wieder frei.
«Praktisch», dachte ich mir,«endlich eine brauchbare Redewendung.»
2011
Ein süsser Duft nach gebrannten Mandeln und Glühwein lag in der Luft. Ich wischte mir den frischen Schnee von den Schultern. Es war wieder Weihnachtsmarktzeit, die Hochsaison für alle LKW Fahrer.
Ich erfreute mich daran, dass ich endlich Urlaub hatte. «Das habe ich mir verdient», dachte ich mir. Zwanzig Stunden in der Woche zu arbeiten, für nur läppische 8000 Franken im Monat war schon enorm.
Doch wohin sollte die Reise gehen?
Ich wollte schon immer mal nach Kuba.
«Guantanamo Bay soll ja zu dieser Jahreszeit besonders schön sein», überlegte ich.
Ich hatte in den Medien schon viele tolle Bilder gesehen von Menschen in orangen Kostümen und eigenartigen Kapuzen.
«Wahrscheinlich feiern sie dort das ganze Jahr Karneval.
Okay, das ist eine beschlossene Sache.
Ich muss mir vorher noch so ein traditionelles Kostüm besorgen.
Ich passe mich immer denn kulturellen Sitten an, wenn ich fremde Länder bereise.
Ich werde zwar aussehen wie eine Mandarine mit einem spitzigen Mülleimer auf dem Kopf,
aber dafür mache ich mich vor Ort nicht zum Volldeppen.»
2018
Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr einen Stein schmeisst und eigentlich schon beim Werfen denkt:
«Himmel, Arsch und Zwirn! Das war keine besonders gute Idee»?
Dieses Gefühl, gepaart mit ein wenig Nervenkitzel, umgab mich jeden Freitagabend.
Dieses Jahr feierte unser Voyeurclub das 10-jährige Jubiläum und ich konnte mit Stolz sagen, dass ich seit der Gründung mit dabei war.
Zur Feier des Tages hatte Bella für uns einen Blechkuchen gebacken.
Ich nahm von zu Hause einen Migros Sélection Glacé Kübel mit.
Mit ausreichend Dessert versorgt und mit Ferngläsern bewaffnet, ging es mit unserem Vereinsbus ins nächste Dorf.
Im Mannschaftswagen präsentierte uns Andrea die neuen, gehäkelten Clubjacken.
Auf der Rückseite waren zwei Augen aufgestickt,darunter stand in roter Schrift «We see you».
«Die sehen aber entzückend aus», sagte ich zu ihr. Wir lächelten uns gegenseitig an.
Später, in unserem Lieblingsgebüsch verschanzt, ging es los. Ich war nervös, wie immer.
Mit dem Fernrohr beobachteten wir einen alten Tattergreis.
Durch das Badezimmerfenster erspähte ich, wie er seinen Genitalbereich ausgiebig untersuchte, dabei bekam er einen sehr roten Kopf. Er machte auch immer die gleiche Handbewegung.
Es sah schmerzhaft aus. Wahrscheinlich untersuchte er sich auf Zecken.
Das ganze Schauspiel dauerte schon fünf Minuten.
«Ist wahrscheinlich eine grosse Zecke», dachte ich mir.
Plötzlich stoppte er hektisch die Aktion und säuberte sich gründlich untenrum.
«Er hat es geschafft», jubelten wir im Gebüsch. Wir fielen uns gegenseitig in die Arme.
Nach der Siegesfeier schauten wir zum Fenster hoch.
Er sah jetzt auch sehr viel entspannter aus.
Er war wahrscheinlich genau so glücklich wie wir.
Zeckenbisse dürfen nämlich nicht unterschätzt werden, sie können zu Borreliose oder FSME führen.
Total befriedigt und glücklich fuhren wir nach Hause.
Wir erfreuten uns daran, dem Volk wieder einmal etwas Gutes getan zu haben.
Ich konnte den nächsten Freitag kaum erwarten.
Tagebucheintrag vom 25.01.2019
Mein liebes Leben
Ist schon faszinierend, was du für mich bereit hältst.
Blinddarm, eingerissener Fingernagel, frühzeitig ergrautes Haar.
Du bist einfach der Wahnsinn.
Was ich ein wenig vermisse sind die Erfahrungswerte aus der Waldorfschule.
Ich hätte dort so viel nützliches gelernt.
Es gab schon Situationen in meinem Leben, wo es praktisch gewesen wäre,
wenn ich meinen Namen hätte tanzen können. ;-)
Okay.
Ich freue mich sehr auf das Älterwerden.
Was ich immer wieder an tollen Menschen feststelle ist,
je älter sie werden, desto schöner werden sie.
Ihr inneres Wesen, ihre Persönlichkeit wird mit den Jahren immer wie feiner und charakteristischer.
Fast so wie bei einem guten Pinot Noir.
Auch ihre Gesichtszüge bekommen einen malerischen Touch.
Das finde ich unglaublich schön.
Dasselbe sehe ich auch jeden Morgen bei mir, wenn ich in den Badezimmerspiegel blicke.
Es zaubert mir immer wieder aufs Neue ein Lächeln ins Gesicht.
Ich weiss, das Leben ist manchmal ein Wechselbad der Gefühle.
Freude und Tränen liegen oft so nah beieinander.
Aber schon Goethe sagte:
«Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen».
Auch wenn gelegentlich mein Kunstwerk wieder zusammen fällt,
möchte ich diese Erfahrungen nicht missen.
Sie haben mich schliesslich zu diesem tollen Menschen gemacht, der ich heute bin.
Rückblickend kann ich sagen, wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte,
ich würde alles wieder genau gleich machen.
Ich gehe weiterhin barfuss durch diese wunderschöne Welt und sage mir immer:
«Das Glück ist mit den Mutigen.»
Ich schreibe seit ca. zwei Jahren mit sehr viel Begeisterung.
Ich habe für mich immer wieder kleinere Kurzgeschichten verfasst, habe sie aber nie einem breiten Publikum präsentiert.
Mir ist es durchaus bewusst dass ich Schreib-technisch noch absolut in den Kinderschuhe stecke.
Aber mich würde ein Feedback trotzdem brennend interessieren 😊
Zu meinem Anliegen:
Ich habe für eine liebe Freundin von mir eine Geburtstagsgeschichte verfasst.
Ich wäre um eine Rundumkritik sehr Dankbar.
Mit Freundlichen Grüssen
Heidi
Neben dem Zerfall gibt uns der Anlass zu bedenken,
wer am längsten lebt, der muss dem Andern nichts mehr schenken.
Wir nehmen uns die Zeit, keine Angst, es ist kein Rennen.
-Alligatoah "So gut wie Neu"
Ich wurde als junger Bub in der Nordschweiz geboren.
«Klar, als junger Bub und nicht als alter Mann. Ist doch logisch!
Es sind neun Wörter und es hagelt schon Kritik. Was bist du denn für ein merkwürdiger Leser!
Also, noch mal von vorne.»
Ich wurde als junger Bub in der Nordschweiz geboren!
Mein Name ist Karlheinz Hüggli und hier ist meine Geschichte.
Ihr könnt sie euch zu Gemüte führen, studieren oder einen Papierflieger daraus basteln.
Übrigens sind die Rechtschreibfehler in meiner Biografie beabsichtigt.
Man könnte sie sonst zu leicht mit einem Werk von Paulo Coelho verwechseln.
1981
Mein Lebenseinstieg war nicht leicht.
Ich dachte mir, nach der Wirtschaftskrise kann es nicht mehr schlimmer werden - falsch gedacht!
Es gurkten komische Wesen wie Phil Collins und Roland Kaiser durch die Hitparaden.
Im gleichen Jahr gab auch der Musiksender MTV sein Debüt.
Das erste Video, das ausgestrahlt wurde, war von The Buggles, Video Killed The Radio Star.
Es war grauenhaft.
Dem Himmel sei Dank hatten wir keine Flimmerkiste, somit wurden mir die Schmalzlocken- und Vokuhila-Träger erspart, wofür ich heute noch sehr dankbar bin.
Ich war noch nie ein grosser Befürworter von diesem stumpfsinnigen Elektrogerät.
Das ist auch der Grund, weshalb ich auch noch im Erwachsenenalter sehr gerne meine Billagsteuern hinterziehe.
Ihr denkt jetzt wahrscheinlich: «Wie, die hatten keinen Fernseher?»
Das war in einer akademischen Familie etwas ganz Normales.
Dafür konnte ich schon sehr früh mit einer Kastanie und vier Streichhölzern eine Ziege basteln.
1989
Die Luft war abgestanden und es stank nach alten Socken.
Ich befand mich in der Rudolf Steiner Schule. Es war Tag der offenen Tür.
Skeptischer Blick von meinem Vater, er presste mit ziemlich lauter Stimme hervor:
«Junge, du gehst mir nicht auf eine solche Nazi Schule!»
Alle Anwesenden gafften uns an. Ich wurde rot wie eine Tomate und wollte einfach nur noch im Boden versinken.
Aus mir unbegreiflichen Gründen assoziierte er nämlich Rudolf Steiner mit Rudolf Höss,
dem KZ Leiter aus Auschwitz.
Er war total allergisch auf diesen Namen.
Mein Vater war Geschichtslehrer. Seine Aversion gegenüber rechtsdenkenden Menschen liess er auch in seinen Unterricht mit einfliessen.
Er liess die Kinder komische Themenaufsätze schreiben wie zum Beispiel:
«Darf ein rechtsradikaler Bauer eine Solaranlage auf dem Dach haben?»
Mein Vater fragte einmal in Megaphonlautstärke eine Bauernfamilie, die ihr Kind Rudolf nennen wollte, ob sie eigentlich noch alle Ziegel auf dem Dach hätten.
«Mit diesem Arschlochname ist eine kriminelle Karriere ja schon vorprogrammiert.
Tauft ihn doch lieber Kevin. Kevin ist zeitlos».
1996
Die Meldung ereilte mich, dass sich die Band Take That auflöste.
Zuerst das Ableben von Tiny Tim, und jetzt das. Ich war zutiefst bestürzt.
Ich fand die Jungs ziemlich cool.
Es war Samstagabend, eine milde, wunderschöne Sommernacht.
Ich ging in eine kleine Kneipe namens «Freunde» in der Berner Altstadt, um mich von dieser Nachricht ein wenig abzulenken.
Ich bestellte mir, wie immer, einen leckeren Minztee, weil ich Früchtetee nicht besonders mag.
Mir gegenüber sass ein junger, gutaussehender Mann.
Er zog sich seinen Pullover aus, dabei rutschte sein Shirt ein wenig hoch.
Ich erhaschte einen kurzen Blick auf seinen Bauch. Mein Herz fing an zu pochen.
Ich erwischte mich selbst, wie ich mir auf die Unterlippe biss. Ich holte tief Luft.
Ich nahm einen grossen Schluck aus meiner heissen Tasse,
dabei verbrannte ich mir die Zunge, liess mir aber nichts anmerken.
Ich blieb völlig cool.
Bei genauerem Hinsehen fiel mir eine kleine Zahnlücke bei ihm auf. Er sah aus wie ein Boxer.
Das fand ich unglaublich sexy.
Die Jahre darauf wurde ich des Öfteren gefragt, ob ich schwul sei.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als mir diese Frage das erste Mal gestellt wurde.
Mir fiel fast der Prosecco aus der Hand.
2003
Schon als kleiner Junge war es mein Traum, Innendekorateur zu werden.
Ich bekam auch ziemlich schnell eine Praktikumsstelle bei der Ikea in Lyssach.
Gerade mal zwei Stunden und drei gebrochene Finger später, haben sie gesagt, dass ich zu schusselig sei für diese Arbeit.
Sie würden mir dringendst einen anderen Job empfehlen, nur möglichst weit weg von Lyssach.
Ihre Haftpflichtversicherung würde in meinem Fall keinen weiteren Finger mehr übernehmen.
Schade! Ich hatte aber noch einen Plan B in der Reserve.
Welches ist die grösste Volkskrankheit, die wir in unserer privilegierten Schweiz haben?
Richtig, Selbstzerstörung! Depression, Burnout, Angststörungen, Panikattacken usw.
Je höher der Lebensstandart ist, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit psychisch zu erkranken. Paradox!
Deswegen ging ich nach meinem Abschluss an der Diplommittelschule in den Suchtbereich.
Ich machte es mir zur Lebensaufgabe, fehlgeleiteten Junkies wieder einen Hauch Selbstwertgefühl in die Augen zu zaubern.
Mit grossem Erfolg.
Gelegentlich konnte ich durch mein erworbenes Fachwissen die Fixer von der Nadel fern halten.
Oder sie sind gestorben.
Eins von beidem trifft immer ein. Ist halt mein Berufsrisiko.
Aber wenn ich dann einen Süchtigen auf die richtige Bahn lenken konnte, damit er endlich seine Steuern wieder zahlt, ist das ein tolles Gefühl für mich.
Manchmal, wenn niemand zuschaut, tätschle ich mir meine Schulter und sage:
«Das hast du aber wieder einmal fein gemacht.»
Ich mag meine Arbeit. Ich könnte mir keinen anderen Job mehr vorstellen.
2006
Im Wagen vor mir fuhr ein junges Mädchen, aber von fahren konnte hier absolut nicht die Rede sein. Mit beiden Händen am Lenkrad und weit aufgerissenen Augen tuckerte sie durch Köniz.
Schlagartig schoss mir ein Zitat durch den Kopf.
Eine Mademoiselle mit lockigem Haar, Mitte dreissig, hat es mir mit beschützender Stimme
mit auf meinen Lebensweg gegeben:
«Du kannst nicht immer mit angezogener Handbremse durchs Leben gehen», sagte sie mir damals.
«Toll», dachte ich mir.
Ich kurbelte die Scheibe herunter und schrie zum Fenster hinaus:
«Löse mal die Handbremse und rechts ist das Gaspedal, du beschränkter Schamlappen!»
Prompt kam ihr Wagen ins Schleudern und prallte gegen eine Strassenleuchte.
Super, die Strasse war wieder frei.
«Praktisch», dachte ich mir,«endlich eine brauchbare Redewendung.»
2011
Ein süsser Duft nach gebrannten Mandeln und Glühwein lag in der Luft. Ich wischte mir den frischen Schnee von den Schultern. Es war wieder Weihnachtsmarktzeit, die Hochsaison für alle LKW Fahrer.
Ich erfreute mich daran, dass ich endlich Urlaub hatte. «Das habe ich mir verdient», dachte ich mir. Zwanzig Stunden in der Woche zu arbeiten, für nur läppische 8000 Franken im Monat war schon enorm.
Doch wohin sollte die Reise gehen?
Ich wollte schon immer mal nach Kuba.
«Guantanamo Bay soll ja zu dieser Jahreszeit besonders schön sein», überlegte ich.
Ich hatte in den Medien schon viele tolle Bilder gesehen von Menschen in orangen Kostümen und eigenartigen Kapuzen.
«Wahrscheinlich feiern sie dort das ganze Jahr Karneval.
Okay, das ist eine beschlossene Sache.
Ich muss mir vorher noch so ein traditionelles Kostüm besorgen.
Ich passe mich immer denn kulturellen Sitten an, wenn ich fremde Länder bereise.
Ich werde zwar aussehen wie eine Mandarine mit einem spitzigen Mülleimer auf dem Kopf,
aber dafür mache ich mich vor Ort nicht zum Volldeppen.»
2018
Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr einen Stein schmeisst und eigentlich schon beim Werfen denkt:
«Himmel, Arsch und Zwirn! Das war keine besonders gute Idee»?
Dieses Gefühl, gepaart mit ein wenig Nervenkitzel, umgab mich jeden Freitagabend.
Dieses Jahr feierte unser Voyeurclub das 10-jährige Jubiläum und ich konnte mit Stolz sagen, dass ich seit der Gründung mit dabei war.
Zur Feier des Tages hatte Bella für uns einen Blechkuchen gebacken.
Ich nahm von zu Hause einen Migros Sélection Glacé Kübel mit.
Mit ausreichend Dessert versorgt und mit Ferngläsern bewaffnet, ging es mit unserem Vereinsbus ins nächste Dorf.
Im Mannschaftswagen präsentierte uns Andrea die neuen, gehäkelten Clubjacken.
Auf der Rückseite waren zwei Augen aufgestickt,darunter stand in roter Schrift «We see you».
«Die sehen aber entzückend aus», sagte ich zu ihr. Wir lächelten uns gegenseitig an.
Später, in unserem Lieblingsgebüsch verschanzt, ging es los. Ich war nervös, wie immer.
Mit dem Fernrohr beobachteten wir einen alten Tattergreis.
Durch das Badezimmerfenster erspähte ich, wie er seinen Genitalbereich ausgiebig untersuchte, dabei bekam er einen sehr roten Kopf. Er machte auch immer die gleiche Handbewegung.
Es sah schmerzhaft aus. Wahrscheinlich untersuchte er sich auf Zecken.
Das ganze Schauspiel dauerte schon fünf Minuten.
«Ist wahrscheinlich eine grosse Zecke», dachte ich mir.
Plötzlich stoppte er hektisch die Aktion und säuberte sich gründlich untenrum.
«Er hat es geschafft», jubelten wir im Gebüsch. Wir fielen uns gegenseitig in die Arme.
Nach der Siegesfeier schauten wir zum Fenster hoch.
Er sah jetzt auch sehr viel entspannter aus.
Er war wahrscheinlich genau so glücklich wie wir.
Zeckenbisse dürfen nämlich nicht unterschätzt werden, sie können zu Borreliose oder FSME führen.
Total befriedigt und glücklich fuhren wir nach Hause.
Wir erfreuten uns daran, dem Volk wieder einmal etwas Gutes getan zu haben.
Ich konnte den nächsten Freitag kaum erwarten.
Tagebucheintrag vom 25.01.2019
Mein liebes Leben
Ist schon faszinierend, was du für mich bereit hältst.
Blinddarm, eingerissener Fingernagel, frühzeitig ergrautes Haar.
Du bist einfach der Wahnsinn.
Was ich ein wenig vermisse sind die Erfahrungswerte aus der Waldorfschule.
Ich hätte dort so viel nützliches gelernt.
Es gab schon Situationen in meinem Leben, wo es praktisch gewesen wäre,
wenn ich meinen Namen hätte tanzen können. ;-)
Okay.
Ich freue mich sehr auf das Älterwerden.
Was ich immer wieder an tollen Menschen feststelle ist,
je älter sie werden, desto schöner werden sie.
Ihr inneres Wesen, ihre Persönlichkeit wird mit den Jahren immer wie feiner und charakteristischer.
Fast so wie bei einem guten Pinot Noir.
Auch ihre Gesichtszüge bekommen einen malerischen Touch.
Das finde ich unglaublich schön.
Dasselbe sehe ich auch jeden Morgen bei mir, wenn ich in den Badezimmerspiegel blicke.
Es zaubert mir immer wieder aufs Neue ein Lächeln ins Gesicht.
Ich weiss, das Leben ist manchmal ein Wechselbad der Gefühle.
Freude und Tränen liegen oft so nah beieinander.
Aber schon Goethe sagte:
«Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen».
Auch wenn gelegentlich mein Kunstwerk wieder zusammen fällt,
möchte ich diese Erfahrungen nicht missen.
Sie haben mich schliesslich zu diesem tollen Menschen gemacht, der ich heute bin.
Rückblickend kann ich sagen, wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte,
ich würde alles wieder genau gleich machen.
Ich gehe weiterhin barfuss durch diese wunderschöne Welt und sage mir immer:
«Das Glück ist mit den Mutigen.»
Beiträge: 1832
Rang: Ultrahardcoreblogger
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Beitrag #2, verfasst am 13.03.2019 | 12:25 Uhr
Hallo Terror-Heidi,
das hier wird sehr schnell gehen, deswegen schieb ich es mal nicht weiter auf.
Ich weiß, dass die SWS eigentlich für ausführliche Kritik gedacht ist, aber zu diesem Beitrag fällt mir einfach nichts Ausschweifendes ein. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich mich stellenweise gerollt hab vor Lachen, trotz null Ahnung, was abgeht oder mangelndem Insider-Wissen, um alle Anspielungen zu verstehen.
Klar ist der „Lebenslauf“ arg löchrig, z.B. hätte ich erwartet, dass du tatsächlich mit der Geburt beginnst und dazu ein, zwei lustige Gedanken álà „Guck mal wer da spricht“ einstreust, aber gerade dieser Bruch mit der Erwartungshaltung und die Würze in Kürze hält den Text lebendig und interessant und lässt ihn nicht in Phrasendrescherei abrutschen. Die Ironie ist sehr mächtig in diesem Werk, genau meine Kragenweite, und würde ich sowas bekommen zu meinem Geburtstag, würde ich mich vermutlich sehr freuen.
Wenn ich nun unbedingt Verbesserungen anmerken soll: Die Formatierung gefällt mir gar nicht. Nach jedem Satz ein Zeilensprung ist meines Erachtens zu gut gemeint. Ja, es gibt dem Text den Anstrich eines Gedichts, falls du das also beabsichtigt hast, okay. Ich finde es unübersichtlich.
Auch nicht gut hört sich der immer gleiche Satzanfang an mit „Ich“ (vor allem bei 2011) oder „Er“ (etwas verteilter, aber abschnittsweise auffällig). Zusammenhängende Sätze klingen oft melodischer und weniger hart. Du könntest mehr Abwechslung in die Satzlängen bringen, damit sich alles fließender lesen lässt.
Der letzte Tagebucheintrag hat mich etwas stolpern lassen. Ich wusste nicht, ob das noch dazugehört oder ob du noch ein kleines Werk hinterher geschoben hast oder ob das noch dasselbe Erzähler-Ich ist oder ein anderes. Ein Zitat wie am Anfang ist es ja anscheinend nicht. Wenn du das optisch angleichen würdest, etwa als Überschrift wie sonst auch nur „2019“, „Mein liebes Leben“ eher wie eine Anrede, also mit Komma dahinter schreibst, ohne zu unterstreichen und den Text nicht kursiv setzt, bliebe der Leser leichter im Fluss.
Ansonsten siehst du mich hilflos. Ich finde den Text inhaltlich echt unterhaltsam und auch die stichprobenartige Konzentration auf wenige amüsante – oder auch behutsam groteske bis psychopathische ;) – Augenblicke absolut zweckdienlich. Es schwingt ein Gefühl der Situationskomik mit, auf den Punkt gebracht und zündend.
Man möge mir verzeihen, dass ich hier einfach nur sagen möchte, dass es mir gut gefällt :3.
das hier wird sehr schnell gehen, deswegen schieb ich es mal nicht weiter auf.
Ich weiß, dass die SWS eigentlich für ausführliche Kritik gedacht ist, aber zu diesem Beitrag fällt mir einfach nichts Ausschweifendes ein. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich mich stellenweise gerollt hab vor Lachen, trotz null Ahnung, was abgeht oder mangelndem Insider-Wissen, um alle Anspielungen zu verstehen.
Klar ist der „Lebenslauf“ arg löchrig, z.B. hätte ich erwartet, dass du tatsächlich mit der Geburt beginnst und dazu ein, zwei lustige Gedanken álà „Guck mal wer da spricht“ einstreust, aber gerade dieser Bruch mit der Erwartungshaltung und die Würze in Kürze hält den Text lebendig und interessant und lässt ihn nicht in Phrasendrescherei abrutschen. Die Ironie ist sehr mächtig in diesem Werk, genau meine Kragenweite, und würde ich sowas bekommen zu meinem Geburtstag, würde ich mich vermutlich sehr freuen.
Wenn ich nun unbedingt Verbesserungen anmerken soll: Die Formatierung gefällt mir gar nicht. Nach jedem Satz ein Zeilensprung ist meines Erachtens zu gut gemeint. Ja, es gibt dem Text den Anstrich eines Gedichts, falls du das also beabsichtigt hast, okay. Ich finde es unübersichtlich.
Auch nicht gut hört sich der immer gleiche Satzanfang an mit „Ich“ (vor allem bei 2011) oder „Er“ (etwas verteilter, aber abschnittsweise auffällig). Zusammenhängende Sätze klingen oft melodischer und weniger hart. Du könntest mehr Abwechslung in die Satzlängen bringen, damit sich alles fließender lesen lässt.
Der letzte Tagebucheintrag hat mich etwas stolpern lassen. Ich wusste nicht, ob das noch dazugehört oder ob du noch ein kleines Werk hinterher geschoben hast oder ob das noch dasselbe Erzähler-Ich ist oder ein anderes. Ein Zitat wie am Anfang ist es ja anscheinend nicht. Wenn du das optisch angleichen würdest, etwa als Überschrift wie sonst auch nur „2019“, „Mein liebes Leben“ eher wie eine Anrede, also mit Komma dahinter schreibst, ohne zu unterstreichen und den Text nicht kursiv setzt, bliebe der Leser leichter im Fluss.
Ansonsten siehst du mich hilflos. Ich finde den Text inhaltlich echt unterhaltsam und auch die stichprobenartige Konzentration auf wenige amüsante – oder auch behutsam groteske bis psychopathische ;) – Augenblicke absolut zweckdienlich. Es schwingt ein Gefühl der Situationskomik mit, auf den Punkt gebracht und zündend.
Man möge mir verzeihen, dass ich hier einfach nur sagen möchte, dass es mir gut gefällt :3.
Ich Unverbesserlich – Realitätsferner Happy-Go-Lucky-Typ, der Kitsch über Schmarrn schreibt und auch noch meint, damit die Welt ein bisschen fröhlicher zu gestalten. ✌(≖‿≖)✌ (Außerdem hab ich offensichtlich zwei linke Hände.)
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Rang: Bilderbuchbetrachter
Schreibwerkstättler
Schreibwerkstatt-Autor
Beitrag #3, verfasst am 17.03.2019 | 17:35 Uhr
Danke für das tolle Feedback😘
Dann setzt ich mich jetzt mal an ein grösseres Schreibprojekt😄
Gruss aus Bern
Dann setzt ich mich jetzt mal an ein grösseres Schreibprojekt😄
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