Aufmerksam hörte ich ihm zu, während wir langsam an der Wasserfront entlang liefen. Auf den Straßen war zum Glück nicht viel los, obwohl die Mittagszeit schon verstrichen war.
Es tat mir weh zu hören, wie er von dem Verhältnis zu seinem Onkel erzählte. Jasper schien ein toller Mann zu sein, der seinem Neffen überhaupt keine Vorwürfe für seine Drogenprobleme machte. Aber Kai schämte sich so sehr für diesen Teil seines Lebens, dass er seinem Onkel kaum in die Augen sehen konnte.
"Ich glaube, dein Onkel freut sich sehr, dich zu sehen", meinte ich und legte einen Arm um ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Dieser Teil deiner Vergangenheit ist nichts, für das du dich schämen muss und ich bin mir sicher, dass Jasper das genauso sieht. Ohne deine Vergangenheit wärst du heute nicht der unbeschreiblich tolle Mann, in den ich mich verliebt habe."
Ich war alt genug um zu wissen, dass jede Person, mit der ich zu tun hatte, eine Vergangenheit hatte. Man wurde schließlich nicht mit einem festgefahrenen Charakter geboren, sondern der Charakter entwickelte sich mit den Erfahrungen, die man machte.
Kai
Ich musste automatisch lächeln, als ich Robs Worte hörte. Er schien immer genau zu wissen, was ich hören musste. Ich schmiegte mich etwas mehr an seine Seite, während wir durch die Straßen von Amsterdam liefen. Natürlich machte es Sinn, was Rob sagte und es beruhigte mich, dass er die Situation genauso sah, wie mein Vater, aber dennoch wollte das schlechte Gewissen nicht ganz gehen. Es rührte mich, wie er zu meiner Vergangenheit stand und ich wünschte mir, ich könnte sie so ähnlich sehen, wie er sie sah. Wie die Menschen, die mich liebten sie sahen.
„Weißt du er war derjenige, der am meisten daran geglaubt hat, dass ich clean werde und wie bei jeder Therapie gab es auf und abs. Und ich wurde auch mal wieder rückfällig, was ganz normal ist, aber er war nie enttäuscht…Ich glaube damit könnte ich besser umgehen, als damit, dass er immer Verständnis für mich hatte."
Ich wusste, dass er sich freuen wird, mich zu sehen, dass er es mir nicht übel nahm, dass ich mich nie gemeldet hatte und er mir gerne die Schlüssel für das Apartment geben würde, damit ich die schlechten Erinnerungen ersetzen konnte mit neuen schönen Erlebnissen.
Sanft küsste ich Robs Wange:“Wie kann es sein, dass du immer genau weißt, was ich hören muss?"
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
"Er hat eben immer an dich geglaubt, genau wie der Rest deiner Familie", erwiderte ich und zuckte ein bisschen mit den Schultern. "Jeder macht Fehler oder kommt zwischenzeitlich vom richtigen Pfad ab. Aber das ändert nichts an der Person, die du tief in dir drinnen bist. Die Person, die dein Onkel, deine Eltern, deine Geschwister und ich in dir sehen."
Ich freute mich darauf, seinen Onkel kennenzulernen. Jetzt, nachdem das Treffen mit seiner direkten Familie so gut verlaufen war, war meine Angst verpufft, dass irgendein Mitglied seiner Familie mich nicht mögen würde.
Lächelnd sah ich im Gehen zu ihm, nachdem ich seine Lippen auf meiner Wange gefühlt hatte. "Ich habe einen Kai-Sensor", witzelte ich dann und grinste.
Wenig später kamen wir in unserer Ferienwohnung an. Ich warf meine Jacke über einen der Barhocker und ließ mich aufs Sofa fallen. "Gibt es für heute noch einen Plan? Oder können wir einfach ... Hier bleiben?"
Kai
„Manchmal ist es halt immer noch schwer daran zu glauben, dass man es wert ist, dass Menschen so an einen glauben“, gab ich zu,“Aber ich arbeite daran. Und irgendwann werde ich es bestimmt so richtig glauben…Du machst es mir leichter.“
Als wir kurz darauf in der Wohnung ankamen, zog ich meine Schuhe aus und legte meine Jacke über die von Rob, ehe ich mich aufs Sofa neben ihn fallen ließ:“Nee, heute gibts keine Pläne mehr. Ich will dich heute auch nicht mehr mit anderen Leuten teilen.“
Ich küsste ihn zärtlich und strich ihm eine Locke aus der Stirn, ehe ich den Kuss kurz unterbrach und murmelte:“Eigentlich will ich heute nur noch wie ein Teenager mit dir rummachen.“
Früher hätte mich der Gedanke daran schon mit Anspannung erfüllt, weil ich weiß, dass irgendwann meine Grenzen wie ne Betonwand, die du vorher nicht gesehen hast, auftauchen könnten, aber mit Rob wusste ich, dass es in Ordnung war. Und meine Grenzen austesten war auch noch nie eine Sache, die ich wirklich wollte, aber jetzt wollte ich sehen, wie weit ich gehen konnte.
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Mein Freund fiel quasi direkt auf mich drauf, was mich zum schmunzeln brachte. Sobald er neben mir saß, legte ich einen Arm um ihn und lehnte mich entspannt zurück. Gut, dass ich auch nicht mehr vor hatte, ihn mit irgendwem anders zu teilen. Amsterdam und Sightseeing konnte auch bis zum nächsten Tag warten, jetzt wollte ich meine ganze Aufmerksamkeit Kai schenken.
Ich erwiderte den Kuss zärtlich und merkte, wie sich mein ganzer Körper entspannte. Als ich seine Worte hörte, musste ich grinsen. Meine Hand wanderte an seinem Rücken entlang nach unten, hielt kurz vor seinem Hintern inne und dann zog ich ihn auf meinen Schoß. "Das lässt sich anrichten, denke ich", murmelte ich gegen seine Lippen und küsste ihn wieder.
Und wenn es nur beim Rummachen bleiben würde, wäre es in Ordnung. Ich wollte ihn zu nichts zwingen. Wenn er weiter gehen wollte, musste er es mir nur zeigen. Ich machte alles, was er wollte.