Über ihre Frage musste ich kurz nachdenken, weshalb ich anfing, langsam in dem nur mit Kerzenlicht beleuchteten Raum auf und ab zu laufen. Nicht, weil ich die Antwort nicht kannte, ich überlegte nur, wie ich es am besten ausdrücken konnte, damit sie wusste, worauf ich hinaus wollte. Ich hielt sie nicht für einfältig, überhaupt nicht. So leicht war das aber nicht zu erklären.
"Ich glaube, an sich ist es egal, welchen Ort du wählst", antwortete ich schließlich und sah wieder zu ihr. "Es muss aber einer sein, der für dich leicht zugänglich ist, den du aber gut ... Absperren kannst, damit die Magie nicht wieder abhaut und sich wieder verteilt." Kurz legte ich einen Finger an die Lippen und überlegte für einige Sekunden.
"Es ist kein physischer Ort. Nenne es deine Seele oder was auch immer, hauptsache ist, dass du es findest, was auch immer es ist."
Ihr Finger zitterte immer noch. Das musste wirklich ein Zeichen dafür sein, dass sie unruhig oder gar nervös war. Ich wusste nicht, was ich darüber denken sollte, dass sie noch immer so fühlte in meiner Anwesenheit. Eigentlich dachte ich, dass ich sie bis zu diesem Punkt überzeugt hatte, dass ich ihr nichts böses wollte, zumindest im Moment nicht. Aber anscheinend nicht.
"Ja", beantwortete ich ihr Frage dann. Ich tippte ein paar Mal mit einem Finger gegen meine Stirn. "Es ist alles hier drin und wenn ich meine Fähigkeiten einsetzen muss oder möchte, nehme ich es aus meinem Kopf und ein kleiner Teil der Magie verteilt sich an der Körperstelle, an der ich sie gerade brauche. Wenn ich mich komplett verwandle, zum Beispiel in euren geliebten Allvater, braucht es etwas mehr und es kostet Energie, den Zauber aufrecht zu erhalten. Wenn es nur ein kleiner Zauber ist, wie der Weinkrug vor ein paar Minuten, muss nur ein kleines Teilchen Magie den Sammelort verlassen, in meine Hand wandern und ich muss dem Teilchen sagen, was es tun soll."
-
Sophie
Die Reaktion auf meine Berührung überraschte mich dann doch ziemlich. Natürlich fühlte es sich nicht so an, als würde ich einen echten Arm aus Fleisch und Blut anfassen, aber ich hatte eigentlich gehofft, ihn verstehen zu lassen, dass ich mich ernsthaft um ihn sorgte. Auch wenn ich ihn nicht wirklich kannte.
Für einige lange Sekunden lag meine Hand auf seiner und ich sah ihm in die Augen. Es fühlte sich an wie eine kleine Ewigkeit und ein seltsames Gefühl, welches ich schon seit einiger Zeit nicht mehr verspürt hatte, machte sich in mir breit. Zuneigung. Doch dann zog er seine Hand zurück und ich räusperte mich einmal, ehe ich meine Hand ebenfalls wieder an mich zog.
"In Ordnung", meinte ich dann und lächelte ihn an, berührte ihn aber vorerst nicht mehr. Aus irgendeinem Grund war ihm das wohl gar nicht so recht. Warum das so war, ging mich nichts an, wenn er es mir noch aus freien Stücken erzählen wollte. Und das würde er wohl nicht, er kannte mich schließlich nicht.
"Selbstverständlich", antwortete ich, als er nach etwas zum Trinken fragte. Seine Stimme klang tatsächlich etwas rau. Ich stand auf, brachte meine Tasche zurück ins Badezimmer und ging dann in die Küche, um ihm ein Glas Wasser einzuschenken. Dabei ging mir sein Verhalten nicht aus dem Kopf. Aber nicht, weil ich es seltsam oder gar abnormal fand. Es faszinierte mich. Er faszinierte mich.
Mit dem Wasserglas in der Hand kam ich zu ihm zurück und drückte es ihm in die Hand, ehe ich mich neben ihm auf das Sofa setzte, mit etwas Abstand, um ihm nicht zu nahe zu treten. Kurz sah ich ihn an.
"Kannst du den Arm abnehmen wie eine ... Normale Prothese oder ist er ... Mit deinen Nerven verbunden oder so etwas? Du bewegst deine Finger nämlich so ... Natürlich, das hab ich bei einer Prothese noch nie gesehen."
Obwohl es das Gegeneil hätte bewirken sollen, beruhigte mich sein auf und abgehen. Er wirkte nervös, auch wenn er das sicher keinesfalls war, das wusste ich, aber es ließ ihn diesen Schein haben und das machte mich ruhiger. So sah es wenigstens so aus, als wäre ich nicht die einzige, die nervös war.
Ich folgte seinen Worten und Bewegungen und versuchte sie richtig einzuordnen. Kein physischer Ort... ich wusste was für Orte er meinte und verstand dennoch nicht die Defintion. Vermutlich war es aber auch nicht wichtig, solange ich wusste was für Orte er damit meinte. Vielleicht musste ich diese Orte nicht verstehen, um sie nutzen zu können.
Seine Finger legten sich sacht mehrere Male an seinen Kopf und ich folgte dem tippenden Rhytmus mit meinen Augen, betrachtete erst die Stelle und schaute dann in sein gesamtes Gesicht als er begann zu reden, hörte ihm sorgfältig zu. Ich gab ein leises Schnauben von mir, als er über den ach so geliebten Allvater sprach und trotzdem schossen mir sofort wieder unendlich viele Fragen in den Kopf. Warum machte er das alles überhaupt? Wo war der Allvater? Und wieso half er mir überhaupt?
Aber darüber schwieg ich, ich wollte meine Chance nicht verscherzen. "Ich glaube ich verstehe was ihr meint. Magie einsperren und nur heraus lassen, wenn sie von Nöten ist und nicht willkürlich. Wenn mir das gelingt, dann habe ich... dann habe ich keine unkontrollierten Visionen mehr, richtig?".
Das war absolut alles was ich wollte. Ruhe von Bildern, die nicht in meinen Kopf gehörten. Ein wenig schüttelte ich den Kopf und wünschte ich hätte eher eine Chance ergriffen, meine Fähigkeiten kontrollieren zu lernen. Immerhin passierte es überhaupt.
-
Bucky
Dankbar nahm ich das Wasser entgegen, hielt mich beinahe an dem Glas fest, während ich langsam trank und so meinen rauen Rachen und trockene Lippen befeuchtete. Auch mein Unwohlsein ließ augenblicklich zumindest ein klein wenig nach und weil sich Sophie nicht allzu nah neben mich setzte, blieb ich auch ruhig und atmete langsam ein, bevor ich das Glas vor mir auf dem niedrigen Tisch abstellte, auf welchem ich gestern noch knapp dem Tod entkommen war.
Ich betrachtete sie kurz misstrauisch wegen ihrer Frage, beschloss dann aber recht schnell ihr zu vertrauen und zuckte unsicher mit den Schulter.
Dann bewegte ich die metallenen Finger ein wenig, was ein mechanisches Geräusch abgab, ganz leise, aber hörbar und ich schluckte: "Ich... ich weiß nicht ganz genau wie er funktioniert, der Arm, wahrscheinlich ist er wohl mit meinem Körper verbunden, das bestimmt, aber auf jeden Fall kann man ihn nicht abnehmen. Zumindest nicht einfach so... er ist sozusagen an mich... angebaut". Das letzte Wort presste ich aus meinen Lungen. So hörte es sich tatsächlich an als wäre ich nur eine Maschine. Angebaut.
Meine menschlichen Finger tasteten ungewollt nach der blassen, aber deutlich fühlbaren, erhöhten Narbe zwischen Metall und Haut und ich stieß Luft aus. War ich überhaupt ein Mensch? Sollte ich mir diese Frage vielleicht vor der Frage, wer bin ich, stellen?
"Seltsam, nicht wahr?" meinte ich mit einem halben Grinsen, obwohl mir eher zum Heulen zu Mute war und betrachtete die Hand der Prothese, wie sie sich leichtfertig öffnete, ganz so, wie meine richtige. Als gäbe es kaum einen Unterschied...nur, dass das Metall unerlaubt an mich gebaut wurden war, wie ein Teil an eine Maschine, weil es für nützlich empfunden wurde.
Meine Finger sanken von der Narbe.
Dass ich wieder die Tatsache anschnitt, dass ich das ganze Volk der Asen inklusive ihr belog, indem ich vorgab, Odin zu sein, bemerkte ich erst gar nicht so richtig. Das rutschte mir einfach so raus, ohne, dass ich groß darüber nachdachte. Eigentlich wollte ich vor ihr doch ein einigermaßen gutes Bild abgeben... Das hatte ich mir damit wohl wieder einmal verscherzt. Aber sie dachte höchstwahrscheinlich so oder so nicht sonderlich gut von mir.
Immerhin sprach sie das Thema nicht direkt wieder an, sondern überging es einfach. Ihr schien es einfach nur darauf anzukommen, ihre Visionen loszuwerden. Darum waren wir schließlich auch hier.
"Ja", antwortete ich auf ihre Frage. "Du kannst sie komplett unterdrücken, wenn du das denn möchtest. Du musst nie wieder eine Vision haben. Wenn du aber eine haben möchtest, kannst du mit ein bisschen Übung auch kontrollieren, was du siehst. Sagen wir ... Du möchtest wissen, was genau an diesem Tag vor fünf Jahren passiert ist. Oder du möchtest eine Erinnerung aus deiner Kindheit nochmal durchleben. Das ist alles möglich."
Dass sie auch problemlos nachverfolgen können würde, was ich bereits alles getan hatte, war mir auch klar. Ich fragte mich, ob ihre Neugier siegen und sie Nachforschungen über meine Vergangenheit unternehmen würde. Das konnte wohl nur die Zeit sagen.
"Wenn du das wirklich möchtest", sprach ich schließlich weiter, "dann wird dir das aber einiges an Zeit und Kraft kosten. Und das, was du gerade eben gefühlt hast, wirst du nicht nur ein- oder zweimal fühlen müssen, sondern jedes Mal, wenn wir uns sehen."
Sie musste wissen, worauf sie sich einließ. Wenn sie jedes Mal so reagieren würde wie vor einigen Minuten, wenn sie ihre Magie bewusst suchte und wirken ließ, würde sie das vielleicht fünfmal schaffen, bevor sie zusammenbrach. Bis sie ihre Visionen wirklich kontrollieren konnte, würde sie wahrscheinlich mehr als einmal darüber nachdenken, aufzugeben.
-
Sophie
Er wirkte irgendwie verunsichert und das wegen mir, weil ich ihn berührt hatte. Das tat mir wahnsinnig leid, ich wollte nicht, dass er sich so fühlte. Er schien im allgemeinen einiges mit sich herum zu tragen, auch wenn ich nicht abschätzen konnte, was genau das war.
Als er jedoch auf meine Frage antwortete, erlaubte er mir einen kleinen Einblick in seinen Kopf und was darin vor sich ging. Ihn schien die Tatsache, dass er eine so ungewöhnliche Armprothese hatte, selbst zu verwirren. Als wüsste er nicht einmal, wie sie dorthin gekommen war oder gar wie er seinen Arm verloren hatte. Mal ganz abgesehen davon, dass er eine recht seltsame Wortwahl hatte, wenn er über seinen Arm sprach. Als ob er nicht einmal so genau wusste, was genau er war. Er wirkte irgendwie ... Traurig und niedergeschlagen und ich wollte instinktiv sofort etwas dagegen machen.
Er bewegte seine Finger und ich senkte den Blick ein Stück, um diese Bewegung zu beobachten. Es sah ganz natürlich aus, abgesehen von dem leisen, mechanischen Geräusch.
"Ich würde es eher außergewöhnlich nennen, nicht seltsam", sagte ich mit einem aufmunternden Lächeln. "Mir ist niemand bekannt, der darüber Bescheid wüsste, dass so etwas überhaupt möglich ist. Das ist ... Unglaublich."
Ich hoffte wirklich, dass ich ihm zeigen konnte, wie ich über ihn dachte.
"In meinen Augen bist du nicht unnormal oder gar furchteinflößend", meinte ich. Am liebsten wollte ich ihn berühren, um meine Worte zu unterstreichen, aber ich hielt mich zurück bei dem Gedanken an seine Reaktion auf meine vorherigen Berührung. "Ich finde dich wahnsinnig faszinierend. Alles an dir."
Rasch schüttelte ich den Kopf: "Ich will lieber ganz auf Visionen verzichten... ich will sie nicht benutzen. Das ist nicht... richtig" erklärte ich und fragte mich ob ich mir diese Worte gerade ausdachte oder meine Mutter zitierte. Sie hatte solche Dinge oft gesagt, dass meine Fähigkeiten falsch waren, gefährlich, angsteinflößend und vielleicht stimmte es ja auch. Angst machten mir meine Visionen zum Beispiel tatsächlich die meiste Zeit über.
Sie zu unterdrücken war alles was ich können wollte, auch wenn ich einen Augenblick über die Möglichkeiten nachdachte, die sich mir damit eröffnen würden. Welche Macht. Kopfschüttelnd rieb ich mir über die Nase und seufzte dann lauter als gewollt.
"Aber ich nehme an das ich auch um meine Visionen zu unterdrücken, das wiederholen muss was wir eben gemacht haben, nicht wahr?". Es klang wie eine Frage, dabei war es viel mehr eine Feststellung.
Natürlich würde ich das weiterhin üben müssen, um zu dem Punkt zu gelangen, an dem ich meine Magie zurückhalten konnte. Das war mir klar. Und es würde wohl viele kühle Nächte hier unten bedeuten.
Ein paar Moment lang betrachtete ich ihn schweigend, bevor ich schluckte. Konnte ich das überhaupt schaffen?
Schon dieses eine Mal heute hatte mir gefühlt jegliche Kräfte geraubt und ich war deswegen irgendwie ein wenig wütend auf mich selbst.
Dennoch nickte ich dann unsicher, obwohl ich das nicht wollte und murmelte zu mir selbst: "Ich werde das schon hin bekommen".
-
Bucky
Sophie schien mein Unbehagen trotz meines, zugegebenermaßen misslungenen, Grinsens bemerkt zu haben. Sie warf mir ein sanftes Lächeln zu, vollkommen ohne Mitleid und nannte meinen Arm außergewöhnlich. Das war er vermutlich auch, keine Frage und trotzdem konnte ich nicht nachvollziehen was sie sagte, zu sehr erinnerte ich mich an schreckliche Dinge, die ich getan hatte und zu schwer wog der Metallarm an meinem Körper.
"Unglaublich..." murmelte ich ihr nach: "Ich bezweifle auch, dass es diese Technik irgendwo sonst auf dieser Welt gibt, es ist in der Tat wirklich unglaublich. Womöglich bin ich auch der einzige mit einer solchen Prothese... das weiß ich aber nicht so genau und trotzdem oder vielleicht genau deswegen solltest du dich eigentlich vor mir fürchten" brachte ich hervor, schluckte und zog die Arme dicht an meinen Körper, verschanzte das Silber und dem richtigen Arm.
Vielleicht war sie ja auch naiv, sich nicht vor mir zu fürchten. Ich hatte so schreckliche Dinge getan... Das war unglaublich und ich wusste noch nicht einmal wer ich war, geschweigedenn wer ich bin.
Mein Blick schoss wieder zu ihr als sie mir erklärte, sie würde mich faszinierend finden. Das hingegen faszinierte mich und mir blieb eine Sekunde lang die Luft weg. Vor allem, weil sie gesagt hatte: `Alles an dir´. Nicht, deinen Arm finde ich fasinierend. Nein, alles an mir. Was war sie nur für eine Person, die sich nicht vor mir fürchtete und mich für faszinierend hielt? Das erschien mir so unrealistisch.
"Warum?" Meine Stimme war nur ein raues, kratzendes Geräusch, obwohl ich eben erst etwas getrunken hatte und ich schämte mich pötzlich dafür, so viel Schwäche zu zeigen, bekam beinahe schon ein wenig Panik. Schwäche zu zeigen war eine der schlimmsten Dinge gewesen, die man bei HYDRA hatte machen können und mich überkam ein eiskalter Schauer, der mich frösteln ließ.
Wenn es stimmte, dass man ihr ihr ganzes Leben gesagt hatte, wie unnatürlich und furchteinflößend ihre Visionen waren, war es sogar für mich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar, dass sie diese um jeden Preis loswerden wollte. Dass es ihr ganz neue Möglichkeiten eröffnen würde, ihre Fähigkeiten kontrolliert einsetzen zu können, musste ich ihr wohl nicht erklären, schließlich war sie alles andere als einfältig. Nur war es nichts, was sie wollte.
Das war etwas neues für mich, mir waren bisher nur Leute bekannt, die Macht um jeden Preis wollten. Sie jedoch nicht. Sie wollte einfach nur ... Gewöhnlich sein. Wie all die anderen Hofdamen, die in meinen Augen alle gleich langweilig war. Ihre Fähigkeiten machten sie ungewöhnlich, aber nicht zwingend auf eine schlechte Art und Weise. Es kam nur darauf an, was sie aus ihren Fähigkeiten machte.
"Allerdings", antwortete ich schließlich und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. "Du wirst das wiederholen müssen, wieder und wieder und wieder, bis du jedes kleinste Magieteilchen eingesammelt hast." Ich konnte mich nur noch allzu gut erinnern, wie kräfteraubend diese Aufgabe für mich gewesen war. "Es wird mit der Zeit ... Nicht unbedingt einfacher, aber vielleicht zumindest ertragbarer. Salopp gesagt, man gewöhnt sich dran."
Daraufhin atmete ich einmal tief durch. Nicht nur für sie war die ganze Geschichte eine Herausforderung. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob das hier eine gute Idee war oder ob es in einer vollkommenen Katastrophe enden würde. Einschätzen konnte ich es nicht und das machte mir, erstaunlicherweise, Angst. Noch etwas, was mir fremd war.
"Na schön", murmelte ich, ehe ich in normaler Lautstärke weitersprach. "Noch einmal schaffst du das heute Nacht nicht. Nicht, dass du mir hier noch zusammenbrichst. Wir machen in drei Tagen weiter, zur selben Uhrzeit, genau hier. Und... Ich zeig dir den Geheimgang hierher, damit du nicht jedes Mal an den Wachen vorbei musst." Das wäre dann einfacher, nicht nur für sie.
-
Sophie
Zwar hatte ich schon zuvor vermutet, dass sein Arm eine riesige Bürde für ihn war. Doch dass es ihn wirklich so ... Quälte. Ich sah Qual und Schmerz in seinen Augen. Das sah man normalerweise nur bei Menschen, die unvorstellbares durchgemacht hatten. Die Soldaten, die ich in Afghanistan behandelt hatte, hatten so einen Blick. Er erinnerte mich an sie.
"Ich habe keine Angst vor dir", sagte ich langsam und recht deutlich, um sicherzugehen, dass er es wirklich verstand. Klar, er war mir in vielen Hinsichten ein Rätsel, aber er gab mir keinen Grund, mich vor ihm zu fürchten. "Zum einen habe ich schon um einiges furchteinflößendere Leute gesehen. Und zum anderen glaube ich nicht, dass du mir wehtun würdest. Wenn du diese Absicht gehabt hättest, hattest du schon mehr als eine Gelegenheit dazu und du hast nichts gemacht."
Mit den Worten, dass ich ihn faszinierend fand, hatte ich ihn eigentlich beruhigen wollen, doch ich erreichte das genaue Gegenteil davon. Er wirkte nur noch beunruhigter und mehr durcheinander. Ich wollte, dass er sich zumindest einigermaßen wohl hier bei mir fühlte.
Warum fand ich alles an ihm faszinierend? So ganz genau wusste ich das auch nicht, daher musste ich über meine Antwort ziemlich genau nachdenken. Auch, da ich etwas Angst hatte, etwas falsches zu sagen und ihn nur noch mehr zu verunsichern.
"Wahrscheinlich", begann ich vorsichtig, "weil ich jemanden wie dich noch nie getroffen habe. In gewisser Weise ... Bist du ein kleines medizinisches Wunder, wegen deinem Arm. Aber was noch viel wichtiger ist, du scheinst ein gutes Herz zu haben, auch wenn du das selbst offenbar nicht siehst."
Leise seufzte ich. Natürlich würde ich das Alles wiederholen müssen, so oft bis es mir würde möglich sein, meine Magie zu kontrollieren. Und ich brauchte nicht zu fragen, um zu wissen, dass das noch ewig dauern könnte. Mir blieb nichts anderes übrig als ihm zu glauben und darauf zu vertrauen, dass es erträglicher werden würde. Zumindest schien er zu versuchen mich zu motivieren, aber ich war noch nicht sicher ob das bei mir Anklang fand.
Tatsächlich musste ich ihm auch darin zustimmen, dass ich keine Kraft mehr hatte diese Prozedur nochmal über mich ergehen zu lassen. Eher im Gegenteil, meine Beine fühlten sich ein wenig weich an.
"Nein, das glaube ich auch nicht" wisperte ich zustimmend zu mir selbst und legte die Hände dann hinter dem Rücken zusammen und war ein wenig überrascht: "In drei Tagen wieder? Ich dachte wir hätten vereinbart uns nur einmal in der Woche zu treffen?" erinnerte ich ihn und bereute es im nächsten Moment: "Nicht das ich dieses Angebot abschlagen wöllte, ich würde mich eher... freuen".
Vielleicht ein wenig zumindest. So anstrengend die letzten Mintuen auch gewesen waren, ich hatte noch immer ein erstrebenswertes Ziel und ich hatte auch beschlossen daran zu glauben, dass er mir nichts tun würde. Loki hatte die ganze zeit die Möglichkeit gehabt mir etwas zuzufügen, aber es war nichts passiert. Hätte er meinen Tod sehen wollen, dann würde ich ganz sicher nicht mehr atmen. Aber nur, weil ich an sein Versprechen glaubte, er würde mir nichts tun, hieß dann noch lange nicht das ich ihm vertrauen würde. Prinz Loki war noch immer der Gott des Schabernacks, wer wusste da schon so genau?
"Und den Geheimgang würde ich auch wirklich gern sehen" hängte ich an und schluckte.
Ich war also wirklich bereit das hier durchziehen.
-
Bucky
Sie musste ganz eindeutig verrückt sein, um mir so zu vertrauen und vor allem schien sie den Winter Soldier nicht zu kennen, denn wenn sie das tun würde, dann wäre sie nicht so ruhig. Vielleicht erkannte sie mich auch nur nicht? Ich war mir sicher schon viele Zeitungen gesehen zu haben in denen über mich berichtet wurde, aber womöglich hatte sie das nicht mitbekommen?
Dabei hatte sie irgendwo dennoch recht. Ich hatte nicht vor ihr wehzutun. So ein Mann schien Bucky, schien ich nicht zu sein, aber der Winter Soldier war es und nur, weil ich im Moment nicht er war, hieß das nicht das er nicht wieder zurück kommen konnte.
Der Winter Soldier würde immer allen Schaden zufügen wollen, er hatte es schon länsgt getan und ich wusste ganz genau das er noch in mir war. Mein Kopf fing ein wenig an sich zu drehen. Es war schrecklich verwirrend nicht zu wissen wer man war und wer nicht.
Für einen Moment schloss ich die Augen, Sophies Worte beruhigten mich ein wenig und trotzdem atmete ich zitternd aus.
Nein, ich konnte beim besten Willen nichts Gutes in mir finden, wie denn auch?
"Ich denke ich bin schon ein bisschen länger auf dieser Welt, um besser als du einschätzen zu können, wer ein gutes Herz hat und wer nicht. Und ich bin auch alt genug, um zu wissen, dass es nicht immer eine Rolle spielt ob man ein gutes Herz hat" sagte ich nach einem kurzen Schweigen und es waren erneut ein paar Fetzen von Erinnerungen, welche durch meinen Geist zu zucken schienen. Das waren Geräusche von splitterndem Glas und Schüssen.
Ich wusste von dem Museum das ich im Krieg gewesen war oder zumindest der Mann, der ich vor dem Winter Soldier gewesen war, aber außer ein paar schwachen Bildern und verblassten Geräuschen war aus dieser Zeit nichts in meinem Kopf.
"Aber ich danke dir für deine Worte" erklärte ich höflich: "Du... du hast nicht zufällig ein Notizbuch das du mir überlassen könntest?" fragte ich, als mir wieder einfiel, das ich es verloren hatte. Ich brauchte ein Neues, umso eher, desto besser. Noch wusste ich ein wenig von dem, was ich in das alte Buch geschrieben hatte, aber ich war nicht sicher wie lange ich an den Gedanken noch fest halten konnte.
Ein Treffen einmal die Woche würde die ganze Sache nur noch mehr in die Länge ziehen. Dann wären wir in frühestens sechs Monaten am Ziel, wahrscheinlich eher in neun. Zum einen wollte ich nicht unnötig viel Zeit hiermit verschwenden und zum anderen, und das würde ich niemals laut aussprechen und ihr gegenüber zugeben, wollte ich, dass sie nicht mehr allzu lang unter den unkontrollierbaren Visionen leiden musste. Diese Seite an mir sollte sie jedoch nicht sehen. Solange sie mich für den herzlosen, manipulativen Idioten hielt, den so ziemlich alle in mir sahen, war in meinen Augen alles in Ordnung.
"Je schneller du dich daran gewöhnst und lernst, wie du deine Magie überhaupt erreichen kannst, desto besser", erwiderte ich schließlich.
Der zweite Satz, dass sie sich sogar darüber freuen würde, in drei Tagen weiter zu machen, warf mich innerlich kurz aus der Bahn, verzog jedoch trotzdem keine Miene, sodass sie davon nichts ahnte. Nach jahrelanger, sogar jahrhundertlanger Übung lernte man, seine Emotionen für sich zu behalten.
"Na schön", murmelte ich schließlich und drehte ihr den Rücken zu, um zur versteckten Tür zum Geheimgang zu gehen. Über die Schulter sah ich noch einmal zu ihr. "Folge mir", sagte ich, ehe ich voraus ging und vor einer der Wände stehen blieb.
In dem schummrigen Licht war es für sie wahrscheinlich schwierig, zu erkennen, wie man den Eingang fand. Daher trat ich einen Schritt zur Seite und nahm eine der Fackeln aus ihrer Halterung an der Wand.
"Hier", meinte ich und deutete auf einen der Mauersteine, auf dem in der oberen rechte Ecke mit dünnen Linien eine Rune geritzt wurde. "Diese Runen sind überall im Palast verteilt, der Geheimgang führt so ziemlich überall hin, wenn man weiß, welche Abzweigungen man nehmen muss. Nur ein leichter Druck auf den Stein..."
Ich schob den Stein ein Stückchen in die Mauer hinein und in der Wand öffnete sich ein Spalt, der gerade so breit genug war, dass ein Mensch hindurch passte.
-
Sophie
Immer wieder schien er für wenige Sekunden neben sich zu stehen, als wäre er für diese Zeit nur physisch anwensend. Das war schon öfter passiert, seitdem ich ihn gefunden hatte. Es war immer besorgniserregend, wenn jemand so oft ... Neben sich stand. Sein zitternder Atem entging mir auch nicht und am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, aber ich wusste, wie er auf Berührungen reagierte, also ließ ich das lieber bleiben. Auch wenn es mir echt schwer fiel.
Ich hatte im allgemeinen ein starkes Bedürfnis, mich um andere zu kümmern, dafür zu sorgen, dass sie sich besser fühlten. Sonst hätte ich wohl nie meinen Beruf gewählt. Doch bei ihm war dieses Bedürfnis um ein vielfaches stärker, wieso auch immer.
"Das stimmt, es spielt nicht immer eine Rolle", erwiderte ich schließlich. "Aber ich bin davon überzeugt, dass jeder früher oder später das bekommt, was er verdient. Manchmal eher später als früher."
Mein Blick fiel auf meine Hände. Zwar sprach er mit mir, aber so richtig schlau wurde ich aus seinen Worten nicht. Ich wollte ihm so gerne helfen, aber wahrscheinlich würde er nicht lange genug hier sein. Vielleicht noch zwei oder drei Tage.
Da fragte er nach einem Notizbuch und riss mich aus meinen Gedanken. Kurz dachte ich nach, dann stand ich auf. "Irgendwo hab ich bestimmt noch was", antwortete ich und verschwand kurz in meinem Schlafzimmer.
Ich musste kurz suchen, aber schließlich fand ich in einer Schublade im Nachttisch ein unbenutztes Notizbuch mit dem Logo des Krankenhauses, für das ich arbeitete, darauf. Nicht besonders hochwertig oder hübsch anzusehen, aber irgendwas sagte mir, dass Bucky darauf nicht unbedingt Wert legte. Mit dem Buch in der Hand kam ich zu ihm zurück und reichte es ihm.
"Darf ich dich noch etwas fragen?", meinte ich daraufhin. Da war noch etwas, was mich beschäftigte, wenn auch nur aus reiner Neugier. "Wie ... Wie heißt du? Ich meine ... Bucky ist doch bestimmt nur ein Spitzname." Wahrscheinlich war ich damit zu weit gegangen und er würde mir seinen Namen nicht verraten. Aber einen Versuch war es wert.
Sigyn
Rasch folgte ich ihm, so wie befohlen und verlor kein Wort mehr über die Regelmäßigkeit unserer Treffen, weil ich ihn keinesfalls doch noch umstimmen wollte. Er wollte das ich es möglichst schnell lernte meine Magie zu verstehen, damit er wieder seine Ruhe hatte, aber für mich hing daran ein wenig mehr. Je früher ich meine Fähigkeiten in Schach halten konnte, desto eher würde ich nicht nur nicht mehr hier hinunter kommen müssen, sondern umso schneller wäre ich auch die unkontrollierten Visionen los. Dann müsste ich nie wieder die Bilder von Fremden in meinen Kopf haben und das war alles was ich wollte. Ruhe vor fremden Gedanken in meinen eigenen.
Vorsichtig trat ich näher zu ihm als er stehen blieb, eine Fackel nahm und auf einen der Steine in der Wand zeigte. Es fiel mir trotz der flammenden Fackel schwer etwas auf dem Stein zu erkennen und ich musste die Augenlider leicht schließen, bevor ich letztendlich die schmalen Zeichen erkennen konnte, die vor langer Zeit in das Mauerwerk geritzt wurden sein musste.
"Im ganzen Palast" murmelte ich ungläubig. Noch nie waren mir irgendwo solche Runen aufgefallen und ich fühlte mich auf einmal sehr dumm, weil ich immer geglaubt hatte den Palast beinahe vollständig in und auswendig zu kennen.
Es brauchte nur ein sachtes Drücken von Lokis Hand gegen den Stein und in der Mauerwand, die ich bisher recht massiv gehalten hatte, öffnete sich ein schmaler Spalt.
Mein Atem hatte begonnen ein wenig schneller zu gehen und ich war mir auf einmal nicht mehr sicher ob ich diese Gänge wirklich nutzen wollte. Der Geheimgang lag in vollkommener Dunkelheit, noch dunkler als das Treppengewölbe über das ich hier runter gekommen war und vor allem war der Gang eng. Dunkelheit und Enge, das waren schon einmal zwei Dinge die mich nicht besonders glücklich stimmten.
Unsicher blickte ich zu Loki und schämte mich ein wenig dafür. "Kann man sich da drinnen verlaufen?" wollte ich wissen und mir wurde unwohl bei dem Gedanken allein in dieser schmalen Schwärze verloren zu gehen.
-
Bucky
Früher oder später würde jeder bekommen was er verdiente. Dessen war ich mir auch sicher und deswegen war es auch nur eine Frage der Zeit, bis mir die schlimmsten Dinge wiederfahren würden. Ich konnte mich weiß Gott nicht an viele Dinge erinnern, aber ich wusste das ich als Winter Soldier Schreckliches getan hatte. Wegen mir waren Menschen gestorben, unzählige Menschen, Männer, Frauen, ja vermutlich sogar Kinder und obwohl ich keine Ahnung hatte, wer ich war, wusste ich, dass meine Schuldgefühle niemals aufhören würden.
Schluckend blickte ich ihr nach als sie das Zimmer verließ, um für mich nach einem Notizbuch zu schauen. Wie konnte sie nur so freundlich zu mir sein? Ohne so genau zu wissen, ob ich ein wirklich guter Mensch war, hatte ich das Gefühl so eine Freundlichkeit nicht wert zu sein.
Mir wurde mit einem Mal heiß und blutige Bilder schossen durch meinen Kopf, welche ich erst wieder los wurde als Sophie zurück kam. Ich nahm schweigend das Notizbuch entgegen und erkannte an dem Symbol darauf sofort, das es aus einen Krankenhaus war. Vermutlich aus dem, in dem sie arbeitete. Ich würde mich so zeitig wie möglich daran machen müssen, alles nieder zu schreiben was mir nochim Gedächtnis geblieben war.
Langsam sah ich zu Sophie auf und atmete aus: "Ich... ich weiß nicht ob ich dir das sagen sollte... ich will dich nicht in Gefahr bringen, verstehst du?" erklärte ich unsicher und drehte das Notizbuch in meinen Händen, während ich überlegte. War es schlauer ihr einfach meinen Namen zu sagen und darauf zu hoffen, das sie danach keine Fragen mehr stellen würde? Oder ihr meinen richtigen Namen nicht zu sagen und zu riskieren das ihre Neugier dadurch nur größer werden würde. Ich leckte mir über die Lippen. Was sollte schon passieren wenn sie meinen Namen kannte? War mein Name schon einmal im Zusammenhang mit dem Winter Soldier gefallen?
"James" seufzte ich und bereute es im gleichen Moment, konnte es aber nicht mehr zurück ziehen: "Bucky ist nur mein Spitzname schätze ich, ja. Mein wahrer Name ist James".
Loki
In dem schmalen, dunklen Gang roch es ein bisschen muffig und feucht. Allzu viele Leute wussten nicht über die Geheimgänge bescheid und das sollte auch so bleiben, also hoffte ich inständig, dass sie das für sich behielt. Wobei wenn sie es jemandem erzählte, musste sie auch erklären, woher sie das wusste, und da sie demjenigen dann von unseren ... Unterrichtsstunden erzählen musste, ging ich davon aus, dass das nicht passieren würde. Trotz allem war es ein Risiko, aber solange sie dann nicht jedes Mal an unzähligen Wachen vorbei musste, wenn wir uns trafen, ging ich das Risiko bereitwillig ein.
Sie warf mir einen Blick zu, den ich nicht unbedingt zuordnen konnte. Natürlich war es leicht, sich in den unzähligen Gängen zu verlaufen, wenn man nicht wusste, wo man hin wusste. Bei dem Blick, den ich von ihr bekam, wurde ich jedoch kurz aus der Bahn geworfen. Sie wirkte ängstlich und irgendwie ... Wollte ich das nicht.
"Merk dir einfach den Weg, den ich dir jetzt zeige, dann kann dir nichts passieren", sagte ich und versuchte dabei, möglichst beruhigend und beschwichtigend zu wirken. Etwas, was vielleicht nicht ganz natürlich wirkte bei mir.
Ich trat durch den schmalen Spalt in der Wand, mit der Fackel voraus. Hinter dem Spalt wurde der Gang breiter, sodass wir auch locker nebeneinander her laufen konnten, ohne ständig mit den Schultern aneinander zu stoßen.
"Der Weg zum Flügel, wo die Hofdamengemächer sind, ist nicht schwer", sagte ich und drehte mich zu ihr um. "Geradeaus, die dritte Abzweigung nach links, die Wendeltreppe hoch und dann noch zweimal rechts. Ganz einfach."
Und dann ging ich auch schon voraus, während ich mit der Fackel den Weg leuchtete. Zu schnell lief ich nicht, schließlich sollte sie sich den Weg noch merken.
-
Sophie
Warum sollte er mich in Gefahr bringen, wenn ich seinen Namen kannte? Seinen richtigen Namen. Da kam mir ein Gedanke. Er war Amerikaner, aber war hier in London. Er sagte dauernd, dass ich in Gefahr war, wenn er länger hier blieb oder wenn ich seinen Namen kannte. Ich hatte ihn in einer dunklen Gasse gefunden, mit einer riesigen Schusswunde in der Seite und in komplett schwarzen Klamotten. Von seinem Metallarm ganz abgesehen.
War er auf der Flucht? Aber vor wem? Vor den Amerikanern? Hatten sie ihn gefunden, er war geflohen und dabei angeschossen worden?
Er wirkte irgendwie durcheinander, als ich mit dem Buch zu ihm kam. Auf seiner Stirn sah ich etwas Schweiß und er schien fast erschrocken, als ich wieder neben ihm stand. Wo auch immer er mit seinen Gedanken war, ein schöner Ort war das garantiert nicht.
Doch dann sagte er seinen richtigen Namen. James. Seinen Nachnamen hatte er auch schon gesagt, am Tag zuvor. James Barnes also. Er schien es allerdings direkt wieder zu bereuen, dass er es mir verraten hatte. Der Name sagte mir allerdings nichts, daher wusste ich nicht, warum er sich so verhielt.
"James", sagte ich und lächelte ihn an. "Der Name passt zu dir." Ich wollte nicht, dass er sich unwohl fühlte. Nicht hier, in meinen vier Wänden. "Ich werde niemandem verraten, dass du hier bei mir bist. Versprochen. Du bist hier sicher und deine Wunde kann in aller Ruhe heilen."
Ich setzte mich wieder neben ihn und beschloss dabei, das Thema zu etwas leichterem zu wechseln. "Wenn ich demnächst einkaufen geh, soll ich dir irgendwas mitbringen? Irgendwas, was du gerne isst oder so?"
Sigyn
Unsicher blickte ich weiterhin in den Gang hinein.
Lokis, wohl beruhigend gedachte Worte, halfen nicht wirklich und trotzdem war ich dankbar dafür. Und vor allem war ich auch überrascht darüber, dass er überhaupt versuchte mir die Angst zu nehmen und meine Furcht nicht einfach als albern abtat, auch wenn dieser Versuch etwas ungelenk wirkte. Er selbst hatte schließlich ganz sicher keine Sorge, hier unten verloren zu gehen. Vermutlich kannte er die Gänge in und auswendig.
Zögernd, aber zumindest sicher das mich Loki aus dieser Dunkelheit auch wieder heraus führen würde, folgte ich ihm und atmete erleichtert aus, als die Wände nach dem Eingang weiter auseinander gingen und uns zumindest die Möglichkeit gaben nebeneinander zu laufen.
Konzentriert hörte ich ihm zu. Dritte Abzweigung links, Treppe nach oben und dann zwei Mal rechts. "Das werde ich mir merken können" nickte ich und schwor mir innerlich diesen Weg irgendwie auf Papier festzuhalten, sobald ich in meinem Gemach war. Nur zur Sicherheit, obwohl ich das Gefühl hatte, sofort einzuschlafen, sobald ich mein Kissen berühren würde.
Zügig und dicht folgte ich Loki, dessen Fackel die einzige Beleuchtung war und wollte fragen, ob eine Kerze wohl auch reichen würde, um den Weg hier hindurch zu finden, als ich bemerkte wie mein kleiner Finger zuckte und noch bevor ein Ton meine Kehle verließ, musste ich mich an der rauen, kalten Wand abstützen, während eine Vision vor meinen Augen zuckte.
Ich konnte nichts sehen, außer einem dunklen Raum, in dem ein großes Bett stand, in welchem zwei Personen schliefen und im nächsten Moment war das fremde Bild auch wieder verschwunden und mein Blick klärte sich und ich erkannte wieder den schummrigen Gang, unterdessen ich tief einatmete und schluckte.
-
Bucky
Der Name passt zu dir...
Ich hatte lange niemanden mehr meinen richtigen Namen aussprechen hören und ich schauderte ein wenig bei dem Klang. Lange war es immerzu nur Winter Soldier gewesen und es fühlte sich auch so an, als wäre es lange Zeit immer nur Bucky gewesen.
Zögernd blickte ich zunächst zu ihr und dann zu meiner bandagierten Wunde. Es erleichterte mich das sie keine weiteren Fragen stellte, ebenso wie es mich erleichterte, dass sie mir versprach, ich wäre hier, bei ihr, sicher.
Obwohl ich mir dessen nicht sicher war oder anders gesagt, ich war mir ziemlich sicher, dass wenn jemand erneut herausfand wo ich war, dann würde ich nirgendwo mehr sicher sein. Und ich wollte nicht wieder zurück, nie wieder. Nichts graute mir mehr, als der Gedanke erneut alles zu vergessen, erneut zu verlieren, was ich über mich wusste.
Trotzdessen das ich sie wahnsinnig leichtsinnig hielt, weil sie mich einfach bei sich in der Wohnung schlafen ließ, ohne auch nur einen blassen Schimmer zu haben wer ich war und ohne zu wissen, warum sie mich sterbend in einer Gasse gefunden hatte, wollte ich ihr danken. Ich wollte ihr sagen, wie dankbar ich ihr war, das sie mir die Möglichkeit gab in Ruhe wieder zu kräften zu kommen und ich wollte ihr danken, dafür das sie so freundlich zu mir war, aber ich brachte kein Wort hervor und öffnete nur unkontrolliert den Mund, um ihn dann wieder zu schließen.
Sie musste verrückt sein, um mich so bei sich leben zu lassen.
Unsicher strich ich mir über die Stirn, nur um zu bemerken das auf dieser Schweiß stand und ausatmend schüttelte ich den Kopf: "Nichts, ich brauche nichts... ich sollte mich einfach nur ausruhen und die Wunde heilen lassen, damit ich deine Zeit nicht länger als nötig in Anspruch nehme. Du hast schon mehr als genug für mich getan".
Die ersten paar Meter ging ich einfach stumm neben ihr her und hielt die Fackel in der ausgestreckten Hand, um den Weg zu beleuchten. Einmal warf ich ihr kurz einen Blick zu, sie sah einfach stumm geradeaus und war wahrscheinlich darauf konzentriert, sich den Weg zu merken.
Ich hätte den Weg vermutlich sogar blind gefunden. In diesen Gängen trieb ich mich bereits herum, seitdem ich ein Kind war. Meinem Bruder hatte ich sie auch gezeigt, nachdem ich sie entdeckt hatte. Das war noch eine Zeit gewesen, in der Thor und ich unzertrennlich gewesen waren. Zu dem Zeitpunkt hatte ich aber auch noch nicht gewusst, dass mich diejenigen, die mir immer am wichtigsten gewesen waren, für mein ganzes Leben angelogen hatten. Meine Eltern waren nicht meine Eltern, mein Bruder war nicht mein Bruder. Nicht wirklich.
Da ich so in Gedanken versunken war, bekam ich erst nicht mit, wie Sigyn auf einmal stehen blieb. Erst nach etwa zwei Metern bemerkte ich, dass sie nicht mehr neben mir lief, und drehte mich zu ihr um. Sie lehnte an der Wand, blinzelte einige Male schnell und schluckte. Stirnrunzelnd ging ich zu ihr. Irgendwie hatte ich so eine Ahnung, was los war, so durcheinander, wie sie wirkte. Als wäre sie nicht wirklich ganz im Hier und Jetzt.
"Hattest du gerade eine Vision?", fragte ich sie und sah sie ernsthaft besorgt an. Ja, ich machte mir im Moment zumindest bis zu einem gewissen Grad Sorgen um sie. Warum auch immer. Darüber dachte ich sicherheitshalber nicht weiter nach.
"Tief durchatmen. Und nicht zu viel darüber nachdenken, was auch immer du gesehen hast."
Vielleicht würde es ihr helfen, wenn ich ihr irgendwann erzählte, was mir alles passiert war, als ich meine Fähigkeiten noch nicht unter Kontrolle hatte. Da war ich noch ein Kind gewesen und meine Eltern hatten es relativ schnell bemerkt und hatten mir einen Lehrer organisiert. Das war so lange her...
-
Sophie
Wieder versank er für einen Moment in Gedanken, sah in die Luft, wahrscheinlich ohne wirklich irgendetwas zu fokussieren. Sein Mund bewegte sich ein bisschen, aber ihm kam kein einziger Laut über die Lippen. Was auch immer er sagen wollte, an meiner Entscheidung, ihm hier einen Unterschlupf zu geben, würde das mit Sicherheit nichts ändern.
Da bemerkte ich den Schweiß auf seiner Stirn. War die Situation gerade für ihn wirklich so anstrengend und stressig? Vielleicht war es für den Augenblick wirklich das Beste, wenn ich ihn erst einmal alleine ließ. Ich hatte das Gefühl, dass es ein paar Dinge gab, die er mit sich selbst ausmachen musste. Und meine Anwesenheit schien ihn ja wirklich zumindest bis zu einem gewissen Grad zu stressen.
"Alles klar", sagte ich schließlich und lächelte ihn an. "Dann mach ich mich schnell fertig und geh dann einkaufen." Ich stand auf, sah mich kurz um und überlegte. "Wenn dir irgendwie langweilig ist, kannst du gerne den Fernseher anmachen oder dir ein Buch aus dem Regal nehmen oder sowas. Fühl dich einfach wie zu Hause."
Daraufhin verschwand ich kurz im Bad, um mich frisch zu machen und anzuziehen. Meine Gedanken drehten sich dabei ununterbrochen um den Mann in meinem Wohnzimmer. Er war so ... Ungewöhnlich und wirkte so verunsichert. In manchen Momenten geradezu neben sich.
Als ich fertig war, ging ich schnell in die Küche. Am Kühlschrank hing mein Einkaufszettel und ich warf nochmal einen Blick in den Kühlschrank hinein, um sicherzugehen, dass ich nicht vergessen hatte, irgendwas aufzuschreiben. Dann schnappte ich mir Zettel und Handtasche und ging nochmal zu Bucky ... Ich meine, zu James.
"Dann bin ich jetzt schnell weg", meinte ich und lächelte ihn an. "Kommst du zurecht?"
Langsam nickte ich auf seine Frage hin und stieß die Luft aus meinen Lungen.
Wieder einmal war ich daran erinnert wurden, warum ich diese Visionen los werden musste. Ich hatte zwar nichts schlimmes gesehen, nur ein stiller, dunkler Raum, aber es gab ganz andere Visionen, die ich lieber vergessen wollte und ganz abgesehen davon war es schrecklich ermüdend, ständig ungewollte Bilder im Kopf zu haben. Vielleicht war es auch ein irgendwie erniedrigendes Gefühl, zu wissen das man jederzeit von einer Fähigkeit eingenommen werden konnte, die man nicht verstand. Es hatte etwas hilfloses, der eigenen Magie ausgeliefert zu sein.
"Es ist schon in Ordnung, ich habe nichts gesehen was von Bedeutung wäre" winkte ich ab und hatte Recht. Das was ich gesehen hatte war nicht von Bedeutung, nur das ich es überhaupt gesehen hatte spielte eine Rolle.
Zudem war es mir unangenehm das ich vor Loki allein eine Vision bekommen hatte, die mich auch noch so getroffen hatte. Er hielt mich ganz sicher sowieso schon für nicht besonders stark und seine Worte klangen fast schon besorgt, was mich zusätzlich verwirrte und beschämt machte. Ich musste wie ein schwaches Mädchen auf ihn wirken.
Vorsichtig richtete ich mich auf, löste die Hand von dem kalten Gemäuer und legte sie in meine andere, weil sie an dem Stein kühl geworden war.
"Ihr solltet mir jetzt den restlichen Weg zeigen Prinz Loki" meinte ich, den Blick von ihm abgewendet und schämte mich, weil er mich so gesehen hatte. Wenigstens war es keine Vision gewesen, die mich zum Weinen gebracht hatte, das wäre noch schlimmer gewesen, aber ich wollte nicht das er mich für schwach oder gar unfähig hielt.
Abgesehen davon, hatte außer meiner Mutter noch nie jemand miterlebt wie ich eine Vision hatte, während diese Person über meine Magie Bescheid wusste und ich fühlte mich sowieso schon unwohl, wenn meine Gabe mich übermannte.
-
Bucky
Während Sophie im Bad verschwand zog ich mir die Decke, die von der Nacht noch auf dem Sofa lag, von der Lehne und breitete sie recht halbherzig über mir aus.
Nun, wo meine Gedanken einmal an die schrecklichen Erinnerungen in meinem Kopf geglitten waren, schienen sie sich davon gar nicht mehr lösen zu wollen. Erinnerungen, die aus seltsamen Fetzen von grausamen Szenen bestanden, von denen ich wusste, dass ich sie erlebt hatte, aber die ich doch nicht zuordnen konnte. In solchen Moment war ich mir nicht sicher, ob es schlimmer war, dass ich nicht alles wusste oder ob es eher ein Segen war. Wer wusste schon wie viele fürchterliche Dinge ich noch getan hatte, an die ich mich nur nicht erinnern konnte. Ich wusste nicht einmal was für ein Mensch James Buchanan Barnes gewesen war.
Und dennoch wollte ich auf keinen Fall erneut alles verlieren was ich wieder gefunden hatte und vor allem nicht so, wie es die letzten Jahre abgelaufen war.
Einen Moment glaubte ich, mich würde der Schmerz durchfahren, der mich lange begleitet hatte, wann immer man der Meinung gewesen war, ich wüsste zu viel, jedoch bildete ich es mir nur ein und es passierte nichts, außer das mein Metallarm nervös zuckte.
Sophie kam zurück in das Wohnzimmer und ich war dankbar, ihr Gesicht zu sehen, weil es mich daran erinnerte, dass ich nicht bei Hydra war und auch sonst nirgendwo eingesperrt.
Auf einmal machte es mir Angst, dass sie gehen würde und mich allein mit meinem Verstand ließ oder zumindest dem, was davon übrig geblieben war.
"Klar" antwortete ich, die Stimme rau und fügte hinzu: "Ich werde einfach schlafen und mich ausruhen, damit die Wunde schnell heilt... ich bin sowieso müde" erklärte ich und wusste, dass ich kein Auge zu machen würde.
Nicht nur war mein Kopf voll mit Dingen, an die ich nicht denken wollte, sondern ich war mir auch sicher das mich meine Albträume wieder einholen würden, jetzt wo ich nicht mehr ganz so entkräftet war.
Die letzte Nacht hatten sie mich verschont, aber wohl nur, weil ich von der Verletzung so müde gewesen war, dass meinem Körper nichts anderes als ein traumloser Schlaf übrig geblieben war.
"Geh nur, ich komme klar" wiederholte ich meine Worte und zwang mich, ihr zuzulächeln.
Sie wirkte beinahe beschämt darüber, dass ich sie gerade bei einer Vision erlebt hatte. Oder lag es daran, dass ich genau wusste, dass sie gerade eine Vision gehabt hatte und nicht einfach nur an einem schwachen Kreislauf oder sowas ähnlichem litt? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das das erste Mal gewesen war, dass sie vor jemand anderem von einer Vision überrollt wurde. Dafür hatte sie diese schon viel zu lange.
Ich konnte nicht leugnen, dass ich irgendwie neugierig war, was sie gesehen hatte. Auch wenn es, wie sie sagte, nichts von Bedeutung war. Bisher wusste ich nur den Inhalt von einer ihrer Visionen: Sie hatte meine wahre Identität gesehen. Vielleicht konnte ich sie ja noch dazu bringen, mir von den Inhalten ihrer anderen Visionen zu erzählen.
Immer noch sah sie mich nicht an, aus Scham. Sie sagte einfach nur, dass wir weiter gehen sollten. Ich nickte zunächst stumm und ging ein paar Meter, grübelte dabei jedoch, wie ich ihr die Scham nehmen konnte. Da fiel mir etwas ein. Etwas, was mir selbst vor langer Zeit passiert war.
"Als ich vier oder fünf Jahre alt war", begann ich, "und meine Fähigkeiten noch nicht kontrollieren konnte, sind mir die seltsamsten Dinge passiert. Und ich war noch ein Kind, ich konnte mir das alles nicht erklären, von Magie hatte ich bisher vor allem in den Büchern gelesen, die Mutter meinem Bruder und mir immer vorgelesen hat. Einmal war ich mit Thor draußen in den Gärten. Wir haben Verstecken gespielt. Ich hab das ganze unterbewusst wohl etwas zu ernst genommen, denn ich hab mich, ohne es zu bemerken, unsichtbar gemacht. Thor hat mich stundenlang gesucht und dann Vater und Mutter erzählt, dass ich verschwunden war. Und das, obwohl ich die ganze Zeit da war, ich bin zu ihm gegangen, nachdem ich zehn Minuten in meinem eigentlichen Versteck gewartet hatte, aber weder er, noch Mutter oder Vater konnten mich sehen. Es hat zwei Tage gedauert, bis ich es irgendwie geschafft habe, den Zauber rückgängig zu machen."
Seltsam, diese Geschichte kannte bisher noch niemand außer die Mitglieder meiner Familie, die, wenn man es genau sah, nicht einmal meine Familie war. Aber hier war ich und erzählte sie einer jungen Frau, die mich höchstwahrscheinlich verabscheute und vielleicht sogar Angst vor mir hatte. Ich wollte ihr einfach nur irgendwie mitteilen, dass ich ganz genau wusste, wie sie sich fühlte. Jeder, der mit einer magischen Gabe auf die Welt kam, wusste, wie sie sich fühlte.
-
Sophie
Ganz wohl fühlte ich mich nicht dabei, ihn alleine zu lassen. Nicht, weil er mir immer noch recht fremd war und ich ihn allein in meiner Wohnung ließ, sondern eher, weil er immer noch total neben sich wirkte. Als wäre er nicht gänzlich in der Gegenwart. Vielleicht war es keine allzu gute Idee, ihn mit seinen Gedanken allein zu lassen. Ich sorgte mich um ihn. Andererseits musste ich dringend einkaufen, mein Kühlschrank war leer... Ich würde mich einfach beeilen.
"Ich bin so schnell wieder da, du wirst gar nicht bemerken, dass ich weg war", sagte ich und lächelte ihn an. Dass sein Lächeln ziemlich gezwungen wirkte, entging mir nicht. Ich hoffte wirklich, dass er klar kam. "Bis gleich. James." Sein richtiger Vorname kam mir ganz natürlich über die Lippen. Er passte so viel besser zu ihm als sein Spitzname.
Damit öffnete ich die Wohnungstür und ging nach draußen. Der Supermarkt war zum Glück in Laufweite. Es war kein riesiger Supermarkt, aber ich bekam dort alles, was ich brauchte. Sowohl während des kurzen Fußwegs als auch im Laden drinnen drehten sich meine Gedanken um den Mann auf meinem Sofa. Ich grübelte, was ich machen konnte, damit es ihm besser ging. Denn er litt, auch wenn er das mir gegenüber vielleicht zumindest teilweise nicht zugeben wollte. Ich meinte nicht nur die Wunde, die sicherlich noch schmerzte. Ich meinte seine seelische Gesundheit. Was auch immer mit ihm war, es beschäftigte ihn anscheinend so sehr, dass er hin und wieder den Bezug zur Gegenwart verlor.
Mein Einkauf dauerte etwa eine Viertelstunde, ich hatte schnell alles zusammen. Ich zahlte, packte alles in einen Beutel und machte mich auf den Weg zurück. Allerdings machte ich noch einen kurzen Abstecher zur Apotheke, um mich mit frischem Verbandsmaterial und Desinfektionsmitteln einzudecken. Nach der Aktion letzte Nacht auf meinem Couchtisch war mein Verbandskasten fast leer und wahrscheinlich musste ich noch mehr als einmal den Verband wechseln. Sicherheitshalber. Es dauerte noch ein paar Tage, bis ich die Fäden risikofrei entfernen konnte. Bis dahin konnte so ziemlich alles passieren und das wusste ich zu vermeiden. Eine Wundinfektion war wohl das allerletzte, was er jetzt noch brauchte.
Ich machte mich auf den Weg zurück in meine Wohnung, stieg die Treppen nach oben und sperrte die Tür auf.
Sigyn
Ich fühlte mich besser als er begann zu sprechen und somit die seltsame Stille unterbrach, die ich hervorgebracht hatte.
Zwar sah ich noch immer nicht zu ihm, sondern blickte nur geradeaus, in die Schwärze des Ganges und hatte zudem die Arme vor der Brust verschränkt, aber ich hörte ihm zu und beruhigte mich wieder vollständig, auch wenn es mir weiterhin unangenehm war.
Tatsächlich konnte ich mir die zwei kleinen Prinzen und die Verzweiflung Lokis, als er bemerkte, dass er zunächst nicht wusste wie er den Zauber lösen konnte, besser vorstellen als erwartet.
Schließlich war Loki ein mächtiger Magier, der mit seiner Fähigkeit bestens umzugehen wusste und das in den letzten Jahren auch mehr als nur einmal gezeigt hatte, aber es fiel mir doch leicht, ihn als Jungen zu sehen, der einmal genauso wenig über seine Magie verstanden hatte, wie ich über die meine. Und dennoch war er zu dem geworden, der er heute war.
Schluckend wagte ich es einen Augenblick zu ihm zu schauen, nur um den Blick gleich darauf wieder an die Wand zu richten. Ich hatte nicht erwartet, dass er mir eine solche Geschicht erzählen würde. Nicht mir, einer Dame mit der er eigentlich nichts zu tun haben wollte und es fühlte sich seltsam an, dass er sich verständnissvoll zeigte und so etwas mit mir teilte, mir von Schwächen erzählte, die er gehabt hatte. Er wirkte stets viel zu stolz, kühl und eigensinnig, um so etwas zu tun, hatte schon immer so gewirkt und doch war er hier und schien zu versuchen mir meine Unsicherheit zu nehmen.
"Das erste Mal, das ich eine Vision hatte, war als ich sieben war. Ich war am Fluss und habe gesehen wie meine Mutter zuhause Mehl verschüttete und anfing es wieder zusammen zu kehren. I-ich war noch klein, ich habe mir nichts dabei gedacht und sie gefragt was mit dem Mehl passiert sei, als ich wieder nach Hause gekommen war... Ich glaube ich hatte meine Mutter noch nie so fassungslos gesehen wie an diesem Tag. Sie dachte ich hätte es durch das Fenster gesehen, aber ich versicherte ihr das ich am Fluss gewesen wäre... Das war der erste Abend, an dem sie mich nicht zu Bett gebracht hat".
Ich hatte eine Hand gegen die Wand gelegt und ließ meine Finger beim Laufen über die Mauer gleiten, sicher das es nur gerecht war, ihm etwas zu erzählen, nachdem er es bereits getan hatte. Zumal es sowieso niemanden gab, dem ich es sonst hätte erzählen können.
"Habt Ihr damals dafür Ärger bekommen? Dafür, dass ihr euch unsichtbar gemacht habt?"
-
Bucky
Das Geräusch der ins Schloss fallenden Tür ließ mich zusammen zucken. Die Stille brach mit einem Mal über mich herein und ich musste die Augen schließen. Einen Moment lang presste ich die Hände auf mein Gesicht, fühlte die Kühle des Metalls und öffnete die Lider dann wieder, atmete tief ein.
Ich saß noch immer auf dem Sofa, die Decke halb über mir ausgebreitet und das Sonnenlicht brach durch die Fenster und trotzdem fühlte ich mich plötzlich unwohl. Langsam, nicht ganz sicher was ich eigentlich vorhatte, rutschte ich mich auf dem Sofa zurecht, um mich hinlegen zu können. Obwohl ich nicht genau sagen konnte ob mir kalt oder warm wurde, zog ich die Decke höher und lag eine Weile mit offenen Augen da.
Mit offenen Augen und Bildern in meinem Kopf, die ich sehen konnte und die doch schnell verblassten, als wären sie so lange her, dass es nicht mehr wert war die Erinnerungen zu behalten. Eine seltsame Mischung aus Lärm, Blut und Leid und zwischendrin unschuldigen Gedanken an friedliche Momente, von denen ich nicht sicher war, ob sie tatsächlich Teil meines Lebens waren oder nicht.
Mein Atem ging schwer und ich wusste ich sollte am Besten schlafen, aber zu groß war meine Angst vor Albträumen und davor, dass mich jemand überrumpeln könnte, wenn ich hier allein war, weshalb ich mich zwang wach zu bleiben. Sophie hatte gesagt es würde nicht lange dauern, das würde ich wohl schaffen, auch wenn mir die Augen immer wieder beinahe zufielen.
Seufzend setzte ich mich wieder auf, schüttelte den Kopf, als würde das die dunklen Szenen vertreiben und lief dann, mit einer Hand zur Sicherheit über der Wunde, hinüber zu einem der Fenster, legte die Stirn an das kühle Glas und bewegte die Schulter mit dem Metallarm daran. Die Verbindung zwischen Technik und Mensch brannte, die Narbe brannte, mein Kopf tat weh. Zitternd stieß mein Atem aus mir und ich fing an Geräusche zu hören. Das Rattern von Maschinen, das Knistern von Strom, Schüsse, Schreie.
Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie eine solche Erleichterung gefühlt als eine Wohnungstür aufgeschlossen wurde. Rasch stieß ich mich vom Fenster ab und lief hinüber zum Flur und schenkte Sophie dieses Mal ein ehrliches Lächeln als ich sie sah: "Ich hatte schon Angst du würdest mich noch länger warten lassen".
Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber irgendetwas veränderte sich bei der Stimmung zwischen uns, sobald ich meine kleine Geschichte fertig erzählt hatte. In irgendeiner Weise wurde es lockerer zwischen uns, auch wenn sie immer noch für eine Weile stumm und mit verschränkten Armen neben mir her lief. Aber sie sah für einen kurzen Moment zu mir rüber. Immerhin. Hatte sie jetzt nicht mehr allzu viel Angst vor mir? Hielt mich nicht mehr für ein gefühlloses Monster?
Zu meiner Überraschung griff sie das Thema auf und erzählte mir von ihrer ersten Vision. Dem ersten Mal, dass sie ihre Magie zu spüren bekommen hatte. Es tat weh, zu hören, dass ihre Mutter so abstoßend darauf reagiert hatte. Dass jemand seine eigene Tochter so von sich stoßen konnte, obwohl sie doch eigentlich mit ihren Fähigkeiten etwas sehr besonderes war, war einfach nur unmenschlich und herzlos.
Ich hörte ein leises Geräusch und als ich zur Seite schaute, bemerkte ich, wie ihre Hand über die kalte steinerne Wand wanderte, während sie lief. Da kamen wir an der Abzweigung an, an der wir links abbiegen mussten. "Hier lang", sagte ich und ging auf Nummer sicher, dass sie mir folgte.
Nachdem wir ein paar Meter gelaufen waren, beantwortete ich ihre Frage. "Nein", meinte ich und war kurz in Erinnerungen versunken. "Im Gegenteil, sie ... Sie waren besorgt, vor allem Mutter. Ich war am Abend des Tages, an dem ich ... Verschwunden war, in den Gemächern meiner Eltern. Sie haben mich logischerweise nicht gesehen. Meine Mutter hat geweint und hat die ganze Zeit nur davon geredet, was mir alles passieren konnte, wenn ich mich alleine in der Stadt verlief oder so etwas. Mein ... Mein Vater hat alles versucht, um meine Mutter zu beruhigen, aber ich habe gesehen, dass er auch Angst hatte. Und ich stand daneben, hab sie beinahe angeschrien, dass ich doch genau hier bin, aber sie haben es nicht gehört."
Die Tatsache, dass meine Eltern nicht wirklich meine Eltern waren, ließ ich aus. Das war ein Thema, über das ich mit niemandem sprach. Vor allem nicht mit einer Hofdame, die ich nicht einmal seit 24 Stunden kannte.
-
Sophie
Es war ein kleiner Balanceakt mit nur einer freien Hand die Tür zu öffnen, aber irgendwie bekam ich es hin. Ich stieß die Wohnungstür mit dem Fuß auf, schob mich hinein und machte sie mit der Schulter zu. Gerade, als ich direkt in die Küche gehen wollte, um die Tüten abzustellen, kam James aus dem Wohnzimmer.
Das Lächeln, das er mir schenkte, würde wohl das Herz jeder Frau zum Schmelzen bringen. Ich erwiderte sein Lächeln und scannte ihn kurz einmal von oben bis unten. Er stand aufrecht, das war schon mal gut. Auch wenn er eine Hand über seine Wunde gelegt hatte. Das konnte aber auch einfach nur instinktiv sein. Wenn er Schmerzen hatte, konnte ich ihm noch eine Tablette geben, falls er das wollte.
"Hast du mich wohl so sehr vermisst?", neckte ich ihn und schmunzelte etwas. Nebenbei zog ich mir mit den Füßen die Schuhe aus und schob diese mehr oder weniger auf ihren Platz neben der Tür.
Dann ging ich in die Küche und stellte die vollen Taschen auf der Anrichte ab. Die Sachen aus der Apotheke legte ich erst einmal zur Seite. Aber ich musste auf jeden Fall irgendwann im Laufe des Tages noch einmal nach seiner Wunde sehen. Vielleicht war ich übervorsichtig, aber ich wollte einfach auf Nummer sicher gehen. Ich fing schließlich an, die Einkäufe auszuräumen und an ihren Platz in meiner kleinen Küche stellte. Mein Einkauf war ein kleines bisschen größer als sonst, einfach, weil ich sichergehen wollte, dass er auch genug zum Essen bekam.
"Alles in Ordnung?", fragte ich ihn nebenbei. "Wenn du Schmerzen hast oder die Naht irgendwie zieht oder sowas, dann sag einfach was. Oder ... Oder auch, wenn du nur Hunger hast."
Ich sah kurz zu ihm und lächelte ihn ehrlich und freundlich an. Allein sein Anblick warf mich ein kleines bisschen aus der Bahn, aber darüber dachte ich jetzt erst einmal nicht nach. Es gab wichtigere Dinge.
Es schreckte mich aus meinen Gedanken als er den Weg sagte und ich sah von der Wand weg und wieder nach vorn, in den Gang, der nun vor uns lag, als ich ihm in die linke Abzweigung folgte.
Für ein paar Augenblicke war es still und ich löste die Hand von der Mauer, um die Arme um meinen Oberkörper zu legen. Langsam wurde es hier unten recht kalt, vor allem, weil die Kälte und leichte Feuchtigkeit begann in mein dünnes Kleid zu ziehen, sodass es mir keinen Schutz vor der Kühle bot und ich ein wenig zu frösteln begann.
Mein Blick huschte reflexartig zu Loki hinüber, als er mir die Antwort auf meine Frage gab. Das schummrige Halbdunkel hier unten, erlaubte es mir nicht sein Gesicht genauer zu sehen, sodass ich nicht einschätzen konnte was er von seinen eigenen Worten hielt oder was er darüber dachte. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob man ihm Gefühle überhaupt ansehen konnte. Loki hatte oft eine unlesbare Miene.
Zaghaft schenkte ich ihm ein Lächeln: "Ihr solltet euch glücklich schätzen das ihr so gute, verständnissvolle Eltern gehabt habt Prinz Loki. Besonders Königin Frigga, ich weiß das sie euch sehr geliebt hat" erklärte ich, die Stimme auf einmal so leise, dass ich sie selbst kaum vernehmen konnte.
Rasch wandte ich den Kopf wieder von ihm ab, weil mich der Gedanke an den Tod Friggas schmerzte und weil ich das Gefühl hatte zu weit gegangen zu sein. Jeder wusste das Loki nicht unbedingt besonders gut auf seine Familie zu sprechen war, nach dem Vorfall, von dem niemand so genau wusste was genau passiert war. Aber ich wusste auch das es wahr war, dass Frigga ihren Sohn geliebt hatte, das war niemals zu übersehen gewesen, egal was Loki angestellt haben mochte, Frigga hatte sich stets nur um ihr gesorgt.
"Ist es noch weit?" fragte ich schnell, damit ich vom Thema ablenkte.
-
Bucky
Ich stieß mich vom Türrahmen ab und wandte mich ihr nach, während sie mit den Einkäufen Richtung Küche verschwand.
Wenn sie nur wüsste wie sehr sich ihr Widerkommen für mich wie eine Erlösung anfühlte. Seitdem ich hier bei ihr war ließ mich meine Vergangenhei zumindest manchmal in Ruhe und ich war nicht jede Sekunde gefangen, irgendwo zwischen einer Person, die ich gewesen war und jemandem, von dem ich nicht wusste wer er sein sollte. Tatsächlich schien mich Gesellschaft, ihre Gesellschaft ein wenig zur Ruhe kommen. Zumindest lenkte sie mich ab, von allem anderen und sie stellte niemals zu viele Fragen.
Langsam folgte ich ihr und lehnte mich in ihrer Küche wieder gegen die Wand, wobei ich leicht den Kopf schüttelte und ihr Lächeln schief erwiderte. Mir graute auf einmal vor dem Gedanken wieder von hier fort gehen zu müssen, aber dabei hatte ich keine andere Wahl.
"Mir geht´s bestens" meinte ich: "Die Wunde ist kaum zu spüren... vielleicht esse ich später etwas" erklärte ich, obwohl ich eigentlich hungrig war, aber ich wusste, dass ich nichts hinunter bekommen würde, so kurz nachdem so viele grausame Szenarien durch meinen Kopf gehuscht waren. Das funktionierte nie, vor allem, weil es meistens nur dazu führte das ich mich erbrach, wenn ich mich doch dazu zwang zu essen und ich fühlte mich zu schwach, um damit jetzt umzugehen. Ganz abgesehen davon, dass ich Sophie wirklich nicht zu viele Umstände machen wollte.
Einen Moment sah ich ihr noch zu, wie sie die EInkäufe beiseite räumte, dann schien wohl so etwas wie Anstand über mich zu kommen, weil ich lief den kurzen Abstand zu ihr hinüber und stellte mich neben sie: "Lass mich dir helfen" schlug ich vor, weil es das Mindeste war, was ich tun konnte, damit ich nicht ganz so sinnlos herum stand. Zumal es mir auch ganz selbverständlich richtig vorkam, ihr zur Hand zu gehen.
Für einen Moment fragte ich mich ernsthaft, weshalb ich das Gespräch auf meine Eltern hatte lenken müssen. Wenn es etwas gab, worüber ich nicht gerne sprach, dann war es meine Familie oder meine Nicht-Familie. Es war alles so verwirrend, ich wusste gar nicht mehr so genau, wer ich war. Darüber dachte ich aber auch nie nach, das war nicht zielführend. Ich rannte nur immer wieder in eine Sackgasse.
Mit steinerner Miene, keine Emotionen zeigend, sah ich die ganze Zeit geradeaus, während ich weiter den Weg zeigte. Ich traute mich nicht so richtig, sie anzusehen, weil ich ihre Reaktion nicht sehen wollte.
Doch dann sagte sie das. Vor allem der Satz, dass meine Mutter mich geliebt hatte, traf mich. Ich blieb stehen und schloss kurz die Augen, musste einmal schlucken. Dann atmete ich einmal tief durch, öffnete die Augen und sah zu ihr. Erst jetzt verstand ich, dass die Mauer, die ich mir so mühevoll über die letzten Jahre aufgebaut hatte, gebröckelt hatte. Wegen ihr. Wegen dieser jungen Frau. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
Mir fiel auf, dass sie die Arme um sich geschlungen hatte und etwas zitterte. Das nächste machte ich ganz instinktiv. Mit einer Handbewegung zauberte ich aus der Luft einen Umhang aus der Luft, der sich von selbst um ihre Schultern legte.
Wortlos drehte ich mich dann wieder von ihr weg, wieder mit emotionsloser Miene. Meine Schutzmauer war wieder da, hatte sich vor dem aufgebaut, was die meisten wahrscheinlich mein Herz nennen würden. Kurz schloss ich noch einmal die Augen, ehe ich die Hand mit der Fackel ein Stück anhob und weiter ging. Ohne ein Wort zu sagen.
Wir kamen an der Treppe an und ich stieg ihr voraus nach oben.
-
Sophie
"Das hoffe ich doch, dass du später was isst. Nicht, dass du mir umkippst oder vom Fleisch fällst", erwiderte ich und musste etwas grinsen, ehe ich die leeren Einkaufstüten zur Seite legte. Ich hatte einige Dinge gekauft, die er auch essen konnte, wenn ich bei der Arbeit war. Toast, Aufschnitt, Obst und Gemüse und eine Tiefkühlpizza. Nichts besonderes, aber ich hoffte, das war in Ordnung.
Irgendwie fühlte es sich so normal an, ihn hier zu haben. Aber das, obwohl ich ihn um genau zu sein erst seit letzter Nacht kannte. Ich fühlte mich einfach wohl in seiner Gegenwart, aus irgendeinem mir unbekannten Grund.
Da trat er zu mir, blieb neben mir stehen und fragte nach, ob er mir helfen konnte. Ich legte den Kopf ein Stück zurück, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
"Okay", sagte ich und schmunzelte etwas. Dann deutete ich auf die eingekauften Lebensmittel vor ihm. "Das meiste davon muss einfach in den Kühlschrank oder in das Tiefkühlfach. Und alles, was nicht in den Kühlschrank muss, kommt in den Schrank direkt rechts neben dem Kühlschrank."
Nach dieser kurzen Anleitung begann ich, die trockenen Lebensmittel, unter anderem die Nudeln, in den Schrank zu räumen.
"Wenn ich später bei der Arbeit bin, kannst du dir übrigens einfach was zum Essen nehmen, wenn du Hunger hast. Oder was zu trinken, wenn du Durst hast. Ich kann dir auch zeigen, wo ich meine Medikamente aufbewahre, falls du doch wieder Schmerzen bekommst."
Abrupt blieb ich stehen als ich bemerkte das Loki neben mir angehalten hatte.
Unsicher drehte ich mich zu ihm, sah wie er die Augen öffnete und wusste durch sein Schweigen, dass ich wirklich zu weit gegangen war. Vermutlich hätte ich einfach den Mund halten sollen, anstatt ihm etwas zu erzählen, was er anscheinend nicht hatte hören wollen. Unwohlsein kroch in mir hoch.
Er sah mich an, die Züge noch immer gleichgültig, aber in seinem Blick lag etwas schmerzerfülltes, was jedoch noch im gleichen Moment langsam zu verschwinden schien. Ebenfalls schweigend schaute ich in sein Gesicht, obwohl es mir unangenehm war und blieb still, weil mir Schweigen die beste Option zu sein schien.
Ich hatte das Gefühl etwas ganz schrecklich falsch gemacht zu haben und ich hatte auch ganz sicher etwas kaputt gemacht, weshalb ich mich mit einem Mal davor fürchtete, dass er seine Meinung über mich und sein Urteil änderte und zuckte zusammen als er die Hand hob.
Allerdings fühlte ich daraufhin nur einen weichen Stoff, der sich sanft um meine zitternden Schultern legte und mir sofort ein wenig Wärme schenkte. Ich wusste das Loki das gewesen war, bereute es sogleich zusammengezuckt sein, aber als ich von dem Umhang zurück zu ihm schaute, hatte er sich bereits abgewendet.
Mein Mund öffnete sich, weil ich mich bedanken wollte, aber in dem Augenblick begann er sich wieder in Bewegung zu setzen und schluckend schloss ich die Lippen und folgte ihm, nun mit einem gewissen Abstand, halb hinter, anstatt neben ihm.
Am Ende der Treppe von der er gesprochen hatte standen wir schließlich wieder vor einer Mauer und ich wagte es nicht ihn anzusehen.
"Gibt es hier auch einen bestimmten Stein der die Wand öffnet?" Meine leise Stimme brach rau an meinen eigenen Worten und ich betrachtete den grauen Boden unter uns, zog den Stoff fester um meinen Körper.
-
Bucky
Ich begann alles wovon ich sicher war, dass es in den Kühlschrank gehörte, auch in diesen zu räumen und war froh nicht mehr allein in ihrer Wohnung zu sein und etwas zu tun zu haben, was mich zusätzlich von meiner vergessenen Vergangenheit ablenkte.
Die leichte Kühle, die mir entgegen kam wirkte ein wenig beruhigend auf meine Kopfschmerzen und zusammen mit Sophies Anwesenheit brachte es mich dazu, einmal tief einzuatmen. Schon allein, weil mir das Atmen wieder leichter fiel.
Bis zu dem Punkt an dem sie ihre Stimme erneut erhob und mein Atem für eine Sekunde holperte. Ich hatte gar nicht darüber nach gedacht, dass sie auch noch wieder arbeiten gehen würde müssen. Das hatte ich vollkommen vergessen und mit einem Mal brach der Gedanke über mich herein, dass ich länger als nur ein paar Minuten allein hier sein würde. Mehrere Stunden lang, vermutlich die ganze Nacht über. Und die Nächte waren immer am schlimmsten.
Schnell fing ich mich wieder, wollte ihr nicht noch mehr Grund zur Sorge geben und nickte schluckend: "In Ordnung das werde ich machen... Wie lange wirst du weg sein?" fragte ich, möglichst ohne jegliche Betonung und erwischte mich dennoch dabei, wie ich auf meiner Unterlippe kaute, während ich den Reis in den Schrank stellte.
Es war nicht so, dass ich es allein nicht schaffen würde. Das hier waren schließlich nicht meine ersten Nächte auf meiner Flucht. Ich hatte schon einige Nächte an, um einiges, dunkleren, dreckigeren und einsameren Plätzen verbracht, aber egal wo ich gewesen war, die Albträume waren immer da gewesen. Wenn ich sehr erschöpft war, dann hatten sie eine Nacht vielleicht einmal ausgesetzt, so wie gestern, aber ich wusste das dies heute nicht der Fall sein würde.
Und ich war mir auch bewusst, dass ich Sophie irgendwie vertraute. Die erste Person seit langer Zeit, der ich vertraute und das ich mich zumindest ein bisschen besser gefühlt hätte, zu wissen, dass ich nicht ganz allein war.
Mit starrem Blick und ziemlich in Gedanken versunken ging ich weiter den dunklen Gang entlang, folgte dem Weg, den ich ihr zuvor beschrieben hatte. Woher war die Geste mit dem Umhang auf einmal gekommen? Ich war im Moment mit mir selbst und meinem Verhalten maßlos überfordert. Das war vollkommen instinktiv passiert, aus den tiefsten Tiefen meines Ichs.
Ich war so vertieft, dass ich ihre Frage erst so richtig realisierte, als bereits einige Sekunden vergangen waren, in denen wir vor der Mauer standen. Mein Blick hob sich vom Boden und ich sah kurz zu ihr. Auch sie vermied es offenbar, mich direkt anzusehen. Gut, dass wir am Ziel waren und uns dann erst bei unserer nächsten ... Unterrichtsstunde wiedersehen würden. Bis dahin war ich hoffentlich wieder der Alte und hatte mich wieder im Griff.
"Ja", antwortete ich schließlich und musste dann kurz mit der Fackel suchend an der Wand zu unserer Rechten entlang leuchten. Ich hielt inne, als ich an einem Mauerstein ankam, in den dieselbe Rune wie zuvor eingeritzt wurde. "Hier. Dieselbe Rune wie vorhin."
Ich drückte meine Hand einmal leicht gegen den Stein und die Mauer direkt vor unserer Nase öffnete sich um einen kleinen Spalt. Man musste sie nur noch aufschieben und sie würde direkt in dem Korridor stehen, in dem es in ihr Zimmer ging. Von hier aus würde sie den Weg ganz sicher alleine finden. Mal ganz abgesehen davon, dass sie wohl nicht mit mir zusammen dort herum spazieren sollte.
"Na dann...", meinte ich und sah zu ihr. Ich versuchte, so gleichgültig und selbstsicher wie immer zu wirken, nur irgendwie fiel mir das schwer, wenn ich sie ansah. "Schlaf gut, Sigyn." Mit diesen Worten schob ich die Tür auf, damit sie hindurchtreten und in ihre Gemächer gehen konnte. Daraufhin drehte ich mich um und machte mich ohne ein Wort auf den Weg. Durch die vielen Gänge zurück in die Privaträume, die einmal meinen Eltern gehört hatten.
-
Sophie
Sobald ich die Tatsache, dass ich gegen Abend ins Krankenhaus zur Arbeit gehen musste, ausgesprochen hatte, war er auf einmal verdammt nervös. Er wirkte neben der Spur, starrte mich kurz ängstlich an und schien das wohl erst nach einem Moment zu fangen. Aber sein Schlucken und die Unruhe, die er ausstrahlte, entgingen mir nicht.
Sofort dachte ich ernsthaft darüber nach, meine Schicht heute nicht anzutreten, damit er nicht die ganze Nacht alleine hier war. Aber im Krankenhaus herrschte gerade ohnehin Personalmangel, da wäre es verheerend, wenn auch nur eine Kraft fehlte. Ich musste mir irgendetwas einfallen lassen, wie er die Nacht irgendwie möglichst schadenfrei hinter sich brachte. Auch, wenn ich nicht so genau wusste, was ihn so quälte. Aber das war auch egal, ich wollte nicht, dass er leiden musste.
"Ich habe Nachtschicht, also ... Bis morgen früh um sechs oder sieben Uhr. Ich schaffe es meistens nicht, pünktlich Schluss zu machen, weil immer noch irgendein Notfall dazwischen kommt kurz vor Dienstschluss", antwortete ich auf seine Frage und sah dann nachdenklich zu ihm.
Ich trat zu ihm und zögerte kurz, als ich mich daran erinnerte, wie er zusammengezuckt war, als ich ihn zuletzt berührt hatte. Doch ich streckte trotzdem die Hand aus, wobei ich mir des Risikos bewusst war, und legte sie sanft auf seinen Arm.
"Wie schon gesagt, du kannst dich hier einfach wie zu Hause fühlen. Und ... Wenn du irgendwie etwas Hilfe beim Schlafen brauchst, lässt sich das sicherlich einrichten. Ich kann dir ein Beruhigungsmittel geben, damit du ruhig schlafen kannst. Das ist wichtig, damit du dich gänzlich von der Verletzung erholen kannst", sagte ich und sah zu ihm hoch.
Möglichst leise trat ich aus dem Gang heraus und sah mich rasch um, aber es waren keine Wachen zu sehen und der Korridor lag in schläfrigem Halbdunkel. Um diese Uhrzeit trieb sich hier niemand mehr herum.
Ich drehte mich zurück zu Loki, der sich bereits abgewandt hatte und rief ihm leise nach: "Ich wünsche euch auch eine Gute Nacht Prinz Loki" und war mir sicher, dass er es wohl nicht gehört hatte, denn er verschwand bereits mit der Fackel zurück in der Dunkelheit und die Mauer schloss sich hinter ihm, sodass es kurze Zeit später so aussah als wäre an dieser Stelle niemals eine Öffnung gewesen.
Ein paar Augenblicke blieb ich an Ort und Stelle stehen, hatte das Gefühl das Alles war lediglich ein Traum gewesen, aus dem ich jede Sekunde aufschrecken würde und tat es doch nicht, bevor ich den Kopf schüttelte und in Richtung meiner Gemächer lief, in die ich dann so still wie möglich eintrat, um nicht doch noch irgenjemandes Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
Seufzend ließ ich mich auf das Sofa fallen, vergrub das Gesicht in den Händen und strich mir die Haare zurück. Wie sollte ich es bloß jemals schaffen meine Magie zu verstehen? Wie war ich schon wieder in so eine Situation geraten und wie konnte mich eine einzige, die allererste Stunde so verwirrt zurück lassen?
Geheimgänge, das Training... Loki. Vor allem Loki hatte mich verwirrt und auch wenn ich das nicht zugeben wollte, hatte er mich wohl besonders überrascht. Er war ganz und gar nicht der kaltherzige, gleichgültige Prinz mit zu großem Stolz, so wie jeder über ihn gesprochen hatte, aber er war auch nicht wirklich die allseits einfühlsame, offene Seele, als die Frigga ihn oft beschrieben hatte. Mal ganz abgesehen davon, das er doch eigentlich schon tot sein musste.
Mir fiel wieder der Umhang ein und ich hob die Hände, um diesen von meinen Schultern zu lösen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachtete ich ihn. Zumindest war Loki mehr das, als was Frigga ihn angepriesen hatte, als das, was ich von ihm erwartet hatte und das ließ meinen Kopf drehen.
Den Umhang auf der Lehne liegen lassend, stand ich auf, ging hinüber zu meinem Bett und ließ mich erschöpft in die Kissen fallen, nur um kurz darauf einzuschlafen, obwohl ich das Gefühl hatte, es gab viel zu viele Dinge über die ich eigentlich nachdenken musste.
-
Bucky
Bis um sieben, wahrscheinlich länger. Das waren nicht nur mehrere Stunden, sondern vor allem war es auch die ganze Nacht.
Warum hatte ich überhaupt gefragt, ich hatte schließlich gewusst das sie noch würde Arbeiten müssen, auch wenn ich es für den Augenblick vergessen hatte.
Es war ein Reflex, dass ich zusammen zuckte sobald mich jemand unagekündigt berührte, den ich nicht abstellen konnte, sodass ich auch ein wenig zur Seite sprang als ich Sophies Hand spürte, aber ich zog meinen Arm dieses Mal nicht zurück. Ihre Berührungen waren ein durchaus seltsames Gefühl, weil ich mich fast nur daran erinnern konnte, oft Schmerzen gespürt zu haben, wenn mich jemand berührt hatte und gleichzeitig war Sophies Hand auf meinem Arm das sanfteste was ich kannte und dieses Gefühl kam mir so bekannt vor, obwohl mir schien als wäre es das erste Mal das mich jemand so berührte.
Leise schluckend richtete ich mich auf, blickte auf ihre Finger, die auf meinem Arm lagen und sah dann langsam in ihr Gesicht, schüttelte den Kopf ein wenig noch bevor ich zu Reden begann: "Ich weiß, die Wunde muss heilen, aber ich brauche keine Hilfe beim Schlafen" erklärte ich, spürte meine Muskeln die sich bei der Lüge verspannten und trat nun doch einen Schritt zurück von ihr: "Ich brauche keine Hilfe" sagte ich rau und harsch und ging wieder dazu über den restlichen Einkauf einzuräumen.
Weder wollte ich ihr eine noch größere Last sein, noch wollte ich mir selbst eingestehen das ich in dieser Welt mehr Hilfe brauchte als mir lieb war. Ganz abgesehen davon konnte ich es auch allein schaffen und der Gedanke Beruhigungsmittel zu nehmen machte mir zudem ein wenig Angst. Ich konnte auf keinen Fall besonders tief schlafen, ich musste auf der Hut bleiben. Früher oder später würde mich schließlich jemand finden.
Leise seufzte ich. Wer auch immer ich vor Hydra gewesen war, wer auch immer ich jemals gewesen war... Hydra hatte viel davon kaputt gemacht.
Ausatmend richtete ich mich auf und schaute wieder zu Sophie: "Du solltest dir nicht so viele Gedanken um mich machen" meinte ich, weil es mir auf einmal leid tat wie harsch ich auf ihr Hilfeangebot reagiert hatte.
Ihren Gute-Nacht-Wunsch hörte ich noch ganz leise, aber ich war zu dem Zeitpunkt bereits um die Ecke verschwunden. Das brachte mich dazu, noch einmal inne zu halten. Ich blieb stehen, schloss kurz die Augen und versuchte, das Gefühlschaos, was abermals kurz in mir tobte, unter Kontrolle zu bringen. Eigentlich hatte ich doch genau das gewollt. Dass sie keine allzu große Angst mehr vor mir hatte. Doch im Moment wusste ich noch nicht, was ich damit anfangen sollte. Ich war es nicht mehr gewohnt, dass Leute zu mir in meiner wahren Gestalt einfach ohne jeglichen Hintergedanken freundlich waren. Wenn, dann waren sie es nur, weil sie Angst vor mir hatten.
Nach ein paar Sekunden, die mir ewig lang vorkamen, setzte ich meinen Weg fort. Allzu weit war er nicht mehr. Bereits nach fünf oder zehn Minuten öffnete ich einen weiteren Ausgang, der direkt in den privaten Salon des Allvaters führte. Ich trat hinter dem Kamin hervor, schloss die Tür wieder und atmete einmal tief durch. Daraufhin ging ich ohne jeden Umweg in das Schlafgemach, entfernte mit einem Fingerschnipsen meine Gewänder und legte mich ins Bett.
Sehr lange lag ich noch wach, trotz der späten Stunde. Ich sah durch die bodenhohen Fenster nach draußen in die sternenklare Nacht, meine Gedanken kreisten um die Geschehnisse der letzten Stunden. Immer wieder hatte ich einfach nur Sigyns Gesicht vor mir, in sämtlichen Ausdrücken, die sie heute gemacht hatte. Schließlich vergrub ich das Gesicht im Kissen, zwang mich dazu, an irgendetwas anderes zu denken und schlief schließlich ein.
In meinen Träumen war ich wieder ein kleiner unschuldiger, wenn auch dummer Junge, der mit seinem jüngeren Bruder in den Gärten des Palastes Fangen spielte. Eine heile Welt, von der ich heute wusste, dass eine riesige Lüge dahinter steckte, aber für den Moment gab ich mich der Illusion hin.
Ein Klopfen an der Tür weckte mich morgens auf. Eine der Wachen weckte mich, wie immer. Ich rappelte mich auf, nahm die Gestalt des Allvaters im Morgenmantel an und ließ schließlich die Mägde hinein, die eine Badewanne und mehrere Eimer mit warmem Wasser hinein trugen. Ein weiterer Tag der Maskerade stand vor mir.
-
Sophie
Wieder zuckte er zusammen, als ich ihn berührte, was ich ihm aber nicht verübelte. Allerdings schüttelte er mich dieses Mal nicht ab, sondern ließ meine Berührung nach dem ersten Zusammenzucken zu. Zumindest für den Moment. Es dauerte kurz, aber dann sah er mir zusätzlich auch noch ins Gesicht. Ich lächelte ihn an, möglichst aufmunternd.
Doch dann meinte er, er brauche keine Schlafhilfe, verspannte sich und entfernte sich von mir. Ich ahnte, dass das nicht so ganz der Wahrheit entsprach. Was auch immer ihn so aus seiner Vergangenheit verfolgte, machte genau das höchstwahrscheinlich auch in der Nacht und raubte ihm den Schlaf. Aber ich sagte nichts weiter dazu. Ich wollte mich ihm nicht aufdrängen oder ihn zu irgendetwas zwingen, was er nicht wollte. Das wäre ja noch schöner.
Ich nickte leicht und machte dann den Schrank zu, als alle Einkäufe verräumt waren. Daraufhin machte ich mich daran, die Sachen aus der Apotheke aufzuklauben. Da ihm das Thema offensichtlich unangenehm war, sprach ich ihn nicht weiter darauf an. Doch dann wandte er sich mir doch noch einmal zu.
Ich hob den Blick und lächelte schwach. "Das fällt mir schwer", antwortete ich daraufhin ehrlich. "Ich ... Ich würde dir so gerne helfen, bei was auch immer. Ich kann ganz genau sehen, dass dich irgendwas beschäftigt und dir den Schlaf und den Verstand raubt, da kann ich nicht einfach tatenlos zuschauen. Aber ich werde dich zu nichts zwingen, wenn du das nicht möchtest."
Es war früher Morgen als ich dadurch aufwachte, dass meine Zofe sanft an meiner Schulter rüttelte.
Müde schlug ich die Augen auf. Die Erschöpfung in meinen Gliedern und in meinen Kopf schienen über die Nacht kaum gelindert zu sein und ich vergrub das Gesicht im Kissen und atmete angestrengt aus.
Sofort fielen mir wieder die Ereignisse von letzter Nacht ein. Meine erste Unterrichtsstunde, unten, in den mir unbekannten Gewölben mit Loki. Erneut fragte ich mich wie ich das noch mehrere Male aushalten sollte.
Es war anstrengender gewesen als erwartet, wenn auch Loki um einiges sympathischer gewesen war als ich gedacht hatte. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt an dem ich ganz eindeutig wohl etwas falsches gesagt hatte. Ich konnte mich genauso gut auch noch an dies Stille auf dem restlichen Weg gestern erinnern.
Seufzend strich ich mir ein paar Haare zur Seite: "Mir geht es nicht besonders gut... kannst du meine Abwesenheit beim Morgendmahl erklären?" fragte ich und sah meine Zofe fragend an, die nur nickte: "Ich werde den anderen Bescheid geben das ihr verhindert seid. Soll ich einen Heiler holen?"
Schnell schüttelte ich den Kopf und sie nickte nur erneut, um mich dann wieder allein zu lassen und aus meinem Schlafgemach zu verschwinden.
Ich fühlte mich nicht wirklich dazu geneigt jetzt an der Tafel am Morgen teil zu nehmen. Zum einen weil ich noch immer schrecklich müde war und mich ein wenig schwach fühlte und zum anderen, weil jeder Weg, den ich heute durch den Palast würde laufen müssen, das Risiko barg Loki über den Weg zu begegnen. Und auch dafür kam ich mir zu erschöpft vor, auch wenn es für alle anderen nur der Allvater war, aber für mich war es Loki, der mich in einer viel zu kurzen Zeit, viel zu sehr verwirrt hatte.
Ich drückte mich zurück in die Kissen und machte die Augen wieder zu.
Vielleicht würde ich es auch noch schaffen die Tafel am Abend ausfallen zu lassen, ohne das meine Zofe einen Heiler holen würde.
-
Bucky
Mir war klar gewesen, dass ich ganz sicher nicht den gesundheitlich stabilsten Eindruck machte, aber das man mir meine quälenden Gedanken so sehr ansehen konnte, hatte ich doch nicht angenommen. Ich schluckte unsicher. Ich wollte nicht das sie mich für hilflos hielt, ich wollte nicht das irgendjemand dachte, ich würde Hilfe brauchen, weil ich mir in der letzten Zeit selbst viel zu oft hilflos und verloren vorkam, obwohl ich das gar nicht sein wollte.
Irgendwie versuchte ich ihr schmales Lächeln zu erwidern, aber ich schaffte es nicht meine Mundwinkel zu verziehen und sah sie nur ein wenig nachdenklich an.
"Ich bin okay, ich brauche keine Hilfe, da irrst du dich" meinte ich leise und lehnte mich ein wenig an die Wand hinter mir. Mein Metallarm kam mir Mal wieder so schwer vor wie noch nie und ich lehnte mich dessen Gewicht entgegen, aus Angst die Narbe könnte sonst wieder zu schmerzen beginnen.
"Ich bin froh das du mich hier unterbringst, aber ich kann mich um mich selbst kümmern" fügte ich erklären hinzu. Ich hatte mich immer um mich selbst gekümmert ich war besser alleine dran, Sophie war ohne mich besser dran.
Ich wollte keine Hilfe, weil ich mir nichts anderes wünschte, als mich nicht mehr hilflos zu fühlen und auf der anderen Seite erschien es mir auch nicht so, als wäre ich Hilfe wirklich wert.
Ich war nichts weiter außer ein Mann mit verlorener Vergangenheit udn grausamen Bilder aus dieser, die immer wieder an seinen Augen vorbei zogen. Ein Mörder, das wusste ich, war ich definitiv unter Hydra gewesen. Eine Waffe, von der nicht nur meine Narben zeugten oder das Serum, sondern vor allem der Metallarm.
"Du darfst dich nicht zu sehr daran gewöhnen, mir immer helfen zu können. Wir beide dürfen das nicht".
Sobald die Mägde den Raum wieder verlassen und mich mit der gefüllten Wanne alleine gelassen hatten, nahm ich wieder meine wahre Gestalt an und stieg so in das warme Wasser. Mit einem Seufzen legte ich den Kopf in den Nacken, ließ mich bis zum Kinn in das Wasser gleiten und schloss die Augen.
Keine Ahnung, woran das lag, aber aus einem mir unbekannten Grund war es mir im Moment ein Rätsel, wie ich die Maskerade weiterhin aufrecht erhalten sollte. Nachdem ich die halbe Nacht mit Sigyn verbracht hatte, die wusste, wer ich war, und die zumindest nach der anfänglichen Skepsis einigermaßen mit mir klar gekommen war, fiel mir erst auf, wie anstrengend es war, die ganze Zeit vorzugeben, dass ich jemand anders war. Aber es würde für Gespräche sorgen, wenn der Allvater sich nicht blicken ließ, daher hatte ich wohl gar keine andere Wahl.
Nach dem Bad nahm ich wieder die Form Odins an, kleidete mich an und machte mich auf den Weg zum Morgenmahl. Der Tag war so viel anstrengender als die vielen Wochen zuvor. Meine Gedanken drifteten immer wieder ab, zu der nächtlichen Unterrichtsstunde mit Sigyn. Mehr als nur einmal kam es vor, dass ich so in Gedanken versunken war, dass irgendjemand mich wieder zurück ins Hier und Jetzt bringen musste.
Von Sigyn sah ich den ganzen Tag über nichts. Die anderen Hofdamen liefen mir hin und wieder mal über den Weg, aber Sigyn war nirgendwo zu sehen. Nachmittags bekam ich aber mit, wie ein paar Hofdamen darüber sprachen, dass Sigyn sich nicht wohl fühlte und heute wohl in ihren Gemächern bleiben wollte. Zumindest wusste ich dann, dass sie nach der letzten Nacht nicht einfach abgehauen war. Das hatte ich tatsächlich eine Zeit lang vermutet und der Gedanke gefiel mir überhaupt nicht.
Am Ende des Tages war ich so durcheinander, dass ich mich viel früher als normalerweise in meine Privaträume zurückzog. Sobald die Tür hinter mir zufiel, wechselte ich die Gestalt, hob den Zauber auf und setzte mich grübelnd vor den Kamin. Ich wusste nicht, was mit mir los war und ich sah keinen anderen Weg, das herauszufinden, als die nächste Unterrichtsstunde mit Sigyn abzuwarten.
-
Sophie
Er log, wenn er sagte, er brauchte keine Hilfe. Aber warum er das machte, wusste ich nicht so genau. Zwar meinte er, dass er sich um sich selber kümmern konnte, aber wahrscheinlich hatte er das jetzt schon so lange gemacht, dass er eventuell gar nicht mehr wusste, wie viel einfacher es sein konnte, wenn jemand einem nur ein bisschen unter die Arme griff.
Nachdenklich drehte ich den Verband, den ich gerade in den Händen hatte, hin und her. Vor allem der letzte Satz, der seinen Mund verließ, traf mich. Ich sollte mich nicht daran gewöhnen, ihm immer helfen zu können. Er würde nicht mehr lange hier sein, bis er das Gefühl hatte, er kam mit der Wunde da draußen alleine klar. Der Gedanke, dass ich keine Ahnung hatte, wohin er dann ging und ob er sicher sein und nicht gleich wieder angeschossen werden würde, fraß mich beinahe von innen auf.
"Ich weiß", sagte ich schließlich leise, nahm die Sachen aus der Apotheke in beide Hände und ging ins Bad, um sie zu verräumen. Als ich dabei an ihm vorbei lief, streifte ich ihn kurz, da meine Küche doch recht schmal war.
Im Bad nahm ich die Tasche mit meinem medizinischen Equipment raus und sortierte alles ein. Auch dabei war ich total in Gedanken versunken, versuchte mich an den Gedanken, dass er bald nicht mehr da war, zu gewöhnen. Warum mich das so aus der Bahn warf, war mir ein Rätsel.
Sobald ich fertig war und zurück zu ihm kam, schaute ich ihn für einen Moment stumm an. "Falls ich doch irgendetwas für dich tun kann, dann musst du es nur sagen", meinte ich schließlich. "Ich hoffe, das weißt du."
Irgendwie schaffte ich es auch die nächsten zwei weiteren Tage in meinem Gemach zu verweilen, ohne das meine Zofe sich dazu verpflichtet fühlte einen Heiler zu holen. Zwar langweilte ich mich ein wenig, las die Bücher neben meinem Bett beinahe alle zwei Mal komplett durch und konnte niemanden nach anderen aus der Bibliothek fragen, weil ich ja angeblich zu krank war, aber trotzdem war es mir lieber als irgendwo Loki über den Weg zu laufen. Ich hatte vielleicht keine Angst vor ihm, aber ganz geheuer war er mir dennoch nicht. Schließlich wusste ich auch praktisch nichts über ihn und unser letztes Treffen hatte mich recht verwirrt zurück gelassen.
Zumindest gaben mir diese Tage genügend Zeit, um über alles nachzudenken und genügend Energie für die nächste Unterrichtsstunde zu sammeln, nachdem die erste mich so erschöpft hatte. Denn obwohl ich vielleicht kurz zögerte, entschied ich mich dazu, doch kurz vor Mitternacht hinunter in die Geheimgänge zu verschwinden und meinen Weg zu dem Kellerraum zu finden, wobei ich den Umhang mitnahm, den Loki mir vor drei Tagen aus dem Nichts hatte erscheinen lassen.
Ich brauchte an den Mauereingängen jeweils eine Weile, weil ich den richtigen Stein mithilfe einer kleinen Kerze finden musste und als ich durch die Dunkelheit lief, mit nichts weiter als dem Kerzenschein erwischte ich mich mehr als nur einmal dabei, wie ich mich umdrehte, aus Angst jemand könnte mich verfolgen.
Als ich jedoch letztendlich in dem Raum ankam und mich daran machte, die Fackeln an den Wänden mit meiner Kerze zu entflammen, was wesentlich schwieriger war als gedacht, weshalb ich nach zwei Fackeln aufgab, war es noch ziemlich früh. Loki war dementsprechend auch noch nicht da und ich stellte den Kerzenhalter vorsichtig auf den Boden ab und wartete nervös auf ihn.
Ich war beinahe nervöser als beim ersten Mal, dabei wusste ich, was ungefähr mich erwarten würde und ich zweifelte erneut an, ob ich das Richtige getan hatte.
-
Bucky
Mein Atem hielt kurz an als sie sich an mir vorbei schob und ich wand mich ihr hinterher, öffnete den Mund, aber wusste das ich zu ungeschickt mit Worten war und auch gar nicht wusste, was ich eigentlich sagen wollte, weil ich auch nicht einmal verstand woher diese plötzliche Spannung zwischen uns herkam, sodass ich einfach still blieb und schluckte, wartete bis sie zurück kam.
Wieso wirkte sie auf einmal fast schon verletzt? Und wieso kam es mir vor, als würde mir das wiederum weh tun? Warum interessierte es mich überhaupt was sie fühlte? Den Winter Soldier hatte niemals irgendetwas interessiert und nun war es, als würden alle zurückgehaltenen Emotionen in mir hundert Mal stärker heraus brechen. Oder fühlte es sich immer so an? War das das Gefühl, etwas zu fühlen?
Schwer atmete ich aus als Sophie wieder in die Küche trat und einen Augenblick dachte ich, sie würde gar nicht mehr zu reden beginnen, bevor sie es doch tat und ich ihr schweigend entgegen blickte.
Weshalb sorgte sie sich nur so sehr um mich? Warum verwirrte mich das so sehr? Wie konnte ich so eine Freundlichkeit verdienen? Wie konnte der Winter Soldier so etwas abbekommen? Wofür? Wenn Sophie auch nur die Hälfte der Dinge wüsste, die ich mit meinem Metallarm bereits begangen hatte... das durfte sie niemals erfahren. Bald würde ich losmachen müssen, weg von ihr, zu unserer beiden Schutz. Ich wusste das irgendwo in mir noch der Winter Soldier war und ich wusste auch das James Buchanan Barnes schwächer war, als er zugab und das der Winter Soldier und seine Vergangenheit ihm mehr Angst machte als ihm lieb war.
Langsam nickte ich, spürte den Anflug von Tränen in meinen Augen, wegen der plötzlich Hilflosigkeit, die ich spürte und unglaublich fürchtete, aber blinzelte sie weg, weil ich niemandem den Gefallen tun würde zu weinen. Niemals.
"Kann ich bei dir duschen gehen?" fragte ich, das Kinn hebend und hatte das klebende Gefühl von Blut an meinen Händen, meiner Brust, meinem Gesicht, überall, obwohl nirgends welches war.
Auch die zwei darauffolgenden Tage war weit und breit nichts von Sigyn zu sehen oder zu hören. Die anderen Hofdamen schienen sich wohl auch zu wundern, weshalb sie sich so in ihren Gemächern verbarrikadierte, auch wenn sie wohl von den Zofen mitbekommen hatten, dass sie krank war. Ich war mir jedoch sicher, dass sie mir schlicht und einfach aus dem Weg ging. Irgendwo war ich mir sogar ziemlich sicher, dass sie nicht zur nächsten Unterrichtsstunde auftauchen würde.
Abgesehen von Sigyns Abwesenheit waren die zwei Tage recht ereignislos. Hin und wieder kam jemand mit einer Bitte zu mir, aber sonst passierte nichts. Ich zog mich auch ziemlich viel zurück, weil mir nicht wirklich nach Gesellschaft war. Lieber saß ich alleine, in meiner wahren Gestalt, in den Gemächern des Allvaters und grübelte vor mich hin.
Trotzdem machte ich mich in der Nacht, in der wir uns verabredet hatten, pünktlich auf den Weg. Falls sie wirklich kommen sollte, hoffte ich, dass sie die Geheimgänge nutzen und nicht wieder an den Wachen vorbei durch den halben Palast wandern würde. Ich traf nicht auf sie, während ich zielsicher durch die Gänge lief. Komischerweise war ich sehr nervös, nachdem unser letztes Aufeinandertreffen einen so unerwarteten Weg eingeschlagen hatte. Sie hatte beinahe dafür gesorgt, dass ich mich verletzlich fühlte. Etwas, was mir mehr als nur unangenehm war.
Ziemlich genau um Punkt Mitternacht öffnete sich der Ausgang der Geheimgänge, der in den Raum unterhalb des Thronsaals führte, und ich trat hindurch. Zu meiner Überraschung war Sigyn bereits da, sie stand am anderen Ende des Raums und schien ziemlich nervös zu sein. Irgendwie beruhigte mich das, ihr schien es im Moment ähnlich zu gehen wie mir. Einige Fackeln an der Wand waren entzündet und beleuchteten den Raum, zumindest ein bisschen.
Leise trat ich aus den Schatten und räusperte mich schließlich. "Guten Abend", brach ich die Stille, die zuvor schwer im Raum gelegen hatte. "Geht es euch besser? Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr die letzten Tage krank im Bett verbracht habt." Dass ich ihr dies nicht wirklich glaubte, sagte ich nicht. Das würde ohnehin nichts ändern.
-
Sophie
Die Stimmung zwischen uns war sehr seltsam, mir fiel keine treffende Beschreibung dafür ein. Irgendwie angespannt, aber zur selben Zeit bedrückt und traurig. Ich sah ihn an, versuchte, aus seiner Körpersprache schlau zu werden, aber um genau zu wissen, was in ihm vorging, hätte ich Gedankenleserin sein müssen. Es war nahezu unmöglich, in seinem Gesicht zu lesen, was er dachte. Nur hin und wieder blitzte in seinen Augen für den Bruchteil einer Sekunde etwas auf, so kurz, dass es mir schwerfiel, es zuzuordnen.
Als ich fertig gesprochen hatte, sah ich ihn vorsichtig an, während ich meine Hände nervös knetete. Ich wartete auf irgendeine Reaktion von ihm. Für einen Moment dachte ich, dass seine Augen verdächtig das Glänzen anfingen, aber er blinzelte ein paar Mal schnell und das Glänzen war wieder verschwunden. Das waren Tränen gewesen, da war ich mir sicher. Aber er wollte nicht, dass ich sie sah, was okay war.
Trotzdem wirkte er so verletzlich, so niedergeschlagen, dass ich ihn am liebsten einfach in den Arm genommen hätte. Aber das würde ich nicht, ich wusste, dass ihm das wahrscheinlich unangenehm sein würde. Daher fühlte ich mich regelrecht verzweifelt, weil ich nicht wusste, ob und wie ich ihm helfen konnte.
Er ging gar nicht auf meine Worte ein, sondern fragte, ob er duschen durfte. Sofort nickte ich. "Selbstverständlich", antwortete ich, drehte mich um und machte mich auf den Weg ins Bad. "Ich leg dir nur schnell ein paar Handtücher raus", sagte ich, ehe ich im Bad verschwand und aus einem Schrank je ein großes und ein kleines Handtuch rausholte und auf die geschlossene Toilette legte.
Daraufhin trat ich aus dem Bad und lächelte ihn an. "Dusche so lange du willst, ich bin im Wohnzimmer", sagte ich und ließ ihn alleine.