Luana
Mir bewusst, dass Esperanza jeden Moment aus dem Keller kommen konnte, konnte ich mich leider nicht ganz so sehr entspannen, schloss dennoch ganz kurz die Augen, als ich seine Lippen auf meiner Stirn spürte. Ich folgte ihm zum Auto und freute mich jetzt schon auf das Ende des Schultages, wollte einfach seine Nähe genießen. Die ganzen letzten Monate am liebsten komplett vergessen. Ich freute mich allein schon darauf, dass ich dieses Wochenende in seinen Armen schlafen durfte.
„Es gab bisher noch nicht viele Tage an denen ich weniger Lust auf Schule hatte als heute“, sagte ich an einer Ampel und legte meine Hand auf Arlos Oberschenkel.
-
Joaquin
Ich hatte das Gefühl, dass die Ximena, die gerade vor mir stand, eine ganz andere war als die aus dem Club. Meine Wangen wurden etwas warm, als sich unsere Hände berührten und ich folgte ihr in die Wohnung. Die machte von Innen nicht unbedingt einen viel besseren Eindruck als von außen, aber ich konnte es wertschätzen, dass sie sich offensichtlich wirklich bemühten, es so gemütlich wie möglich zu machen. Ich würde dennoch gerne helfen, doch leider hatte ich keine Ahnung wie.
„Ich trinke meinen Kaffee schwarz“, erwiderte ich und fuhr mir mit einer Hand durch die Haare, nachdem ich die Tasche abgestellt hatte,“Anweisungen von meinem Trainer…leider.“
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Wenn wir aus der Schule heimkamen, würde Esperanza bereits in ihrem wohlverdienten Wochenende sein und wir waren alleine. Endlich. Nicht mehr lang, nur noch ein Schultag. Diesen Satz wiederholte ich immer wieder in meinem Kopf, als ich Luana losließ und wenig später neben ihr im Auto saß.
Wie jeden Morgen kämpfte ich mich durch den hektischen Morgenverkehr, auf dem Weg zur Schule. Als ich an einer Ampel stehen blieb, merkte ich ihre Hand an meinem Bein und sah schmunzelnd zu ihr. Ich legte die Hand auf ihre und führte sie zu meinem Mund.
"Immerhin haben wir beide am Freitag nur bis mittags Unterricht. Und danach kein Training oder so, so wie Joaquin und Guzmán", sagte ich schmunzelnd und fuhr weiter, sobald die Ampel grün wurde.
Wenig später kamen wir an der Schule an, parkten auf dem Schülerparkplatz und gingen nach drinnen. Lu und Carla standen bereits an ihren Spinden.
-
Ximena
"Mein Beileid", meinte ich und musste etwas schmunzeln, während ich den Wasserkocher füllte. Ich holte zwei Tassen aus dem Schrank und den Kaffee aus dem Regal.
Ich hatte Respekt vor jemandem, der sich so reinhängte für seine Ziele und so diszipliniert war. Egal, ob es eine Sportart war oder schulischer Erfolg. Mich motivierte so etwas irgendwie immer, meinen vollgepackten Wochenplan aus Schule, Arbeit und Haushalt durchzuziehen.
Ich räuspertete mich ein bisschen, bevor ich weiter sprach. "Das ist wahrscheinlich nicht die Art von Zuhause, das du von deinen anderen Freunden gewohnt bist", sagte ich.
Seinen Blicken wich ich aus. Er hatte schon mehr von mir gesehen, als irgendwer anders, abgesehen von meiner Schwester, inklusive einem Flashback samt Panikattacke. Ich wollte ihm erzählen, was vorhin passiert war, als er mich in dem leeren Klassenzimmer gefunden hatte, wusste aber nicht, wie. Ich wollte nicht noch einmal so mitleidig angesehen werden, wie von dem Arzt, der mir vom Tod meiner Eltern erzählt hatte. Nie wieder.
Luana
„An deren Stelle könnten wir uns heute Abend auch kein Essen bestellen und Wein trinken“, antwortete ich schmunzelnd. Ich beneidete die beiden wirklich nicht um die Regeln, die sie einhalten mussten und ihren strikten Tagesablauf. Nee, da war es mir lieber, dass ich mir meine Zeit selbst einteilen konnte und nicht auf Waffeln und andere süße Köstlichkeiten verzichten musste.
In der Schule begrüßten wir Lu und Carla, kurz darauf stießen auch Guzmán, Polo und Ander hinzu, am Rand nahm ich die Unterhaltung war, während ich nochmal schnell meine Unterlagen für Politikwissenschaften durchging, für den kleinen Test, den wir gleich hatten.
Es war Ander, der mich schließlich ablenkte und nachfragte, ob ich in den Sommerferien weitergekommen war, bei meinen Überlegungen, welche Unis später für mich in Betracht kommen.
Weiter gekommen, als dass ich gerne ins Ausland gehen würde, war ich nicht gekommen und an meinem Portfolio hatte ich auch nicht viel gearbeitet. Und jetzt war da auch noch die Sache, dass Arlo und ich uns vielleicht absprechen sollten, um ehrlich zu sein, hatte ich keinen Zweifel daran, dass wir bis dahin noch zusammen sein würden.
-
Joaquin
„Ich tue es mir ja selbst an“, sagte ich schulterzuckend, so gerne ich auch über den Sport und meinen Trainer jammerte, ich würde niemals damit aufhören. Ich wurde noch nie zum Sport gezwungen und könnte aufhören, wann auch immer ich will, aber meine glücklichsten Momente waren die, in denen ich meine vorherigen Limits überwand.
Mich überraschte es, dass sie ihre Wohnsituation ansprach, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet:“Nein, das bin ich wirklich nicht gewohnt. Unter anderem weil viele von ihren Häusern aussehen wie aus demselben Katalog und man nach persönlichen Gegenständen förmlich suchen muss, um zu erkennen, ob die Häuser tatsächlich bewohnbar sind.“
Ich ließ meinen Blick durch die Wohnung wandern und dachte daran, dass die Lebensverhältnisse meines Vater damals diesen wohl sehr ähnlich waren.
„Ich will dir nicht zu nahe treten und ich habe wahnsinnig Respekt davor, wie du alles meisterst, aber wenn du Hilfe brauchst, dann musst du dich nicht schämen. Ich glaube gerade mein Vater würde gerne helfen, wenn es irgendwas gibt, wobei ich nicht helfen kann.“
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Es war nicht überraschend, dass Guzmáns Haare nass waren, da er vermutlich schon im Wasser gewesen war, und dass Polo Augenringe hatte. Seit dem Streit zwischen Carla und ihm sah er eigentlich immer, wenn ich ihn sah, erschöpft aus. Es würde mich wirklich interessieren, was mit ihm, Carla und Christian passiert war. Aber ich würde nicht nachbohren.
Während ich mein Politikbuch aus meinem Rucksack holte, gemeinsam mit Schreibsachen, und meinen Rucksack danach in meinen Spind stopfte, sprach ich mit Guzmán. Doch auch er schien verschlossener als sonst und mir entging nicht, wie er Nadia hinterhersah, als diese an uns vorbeilief. Ich hatte wirklich so einiges verpasst, während ich weg war.
"Was ist mit dir?", kam es dann von Ander. "Gehst du zurück in die Staaten, wenn du hier fertig bist?"
Kurz warf ich Luana einen Blick zu, dann antwortete ich. "Ich hab mir schon ein paar Universitäten in Kalifornien angesehen, während ich dort war. Stanford, Berkeley, UCLA, und so weiter. Ich kann mir schon vorstellen, dort zu studieren."
In der Zwischenzeit hatten wir begonnen, uns Richtung Klassenzimmer zu bewegen.
-
Ximena
Mittlerweile kochte das Wasser, daher gab ich schnell etwas von dem Instantkaffee in die beiden Tassen und goss diesen auf. Dabei dachte ich darüber nach, was er gesagt hatte. Meinen Eltern war es immer wichtig gewesen, ihr Zuhause wirklich zu ihrem Zuhause zu machen. Das wollte ich fortführen. Die vielen Bilder an den Wänden, der etwas abgenutzte Teppich auf dem Boden, die Decke auf dem Couchtisch, sie waren nicht nur da, um die Wohnung einigermaßen wohnlich auszusehen.
Ich drehte mich schließlich zu ihm, reichte ihm eine Tasse und lächelte ihn etwas traurig an. "Sind die Dinge, die dein Vater mir geben könnte, nicht irgendwie Luxusprobleme? Ich habe alles, was ich brauche. Für mehr zu fragen, fühlt sich irgendwie falsch an", antwortete ich. "Das ... Einzige, worauf ich vielleicht zurückkommen würde, ist das Jobangebot."
Ein Job, bei dem ich nicht mehr unter der Woche nachts arbeiten musste, war schon mehr, als ich jemals erwartet hätte.
Luana
Mir entging nicht, dass Lu bemerkte wie Guzmán Nadia hinterher sah, die meisten Leute würden wohl meinen, dass Lu nicht so wirkte, als würde sie irgendwas stören, aber ich kannte sie schon zu lange. Sanft nahm ich ihre Hand kurz in meine und drückte sie für einen Moment.
Ich hatte inzwischen meine Unterlagen in meine Tasche gepackt und hörte der Unterhaltung von Andrea und Arlo zu, die Antwort von ihm überraschte mich eher weniger, sie gefiel mir nicht so wirklich, aber ich versuchte nicht daran zu denken, wir hatten noch Zeit um darüber nachzudenken und darüber zu reden.
„Warum wollen die meisten von euch an die Westküste, wenn ihr in die USA gehen wollt“, fragte ich,“Massachusetts ist doch auch schön.“
Inzwischen waren wir im Klassenraum und ich setzte mich neben Ander, der wie immer seinen Arm auf meine Stuhllehne legte.
„Was“, fragte ich, als er mich eine Weile einfach schmunzelnd angeschaut hatte.
„Nichts“, antwortete er lächelnd,“Du siehst einfach glücklich aus. Das habe ich vermisst.“
-
Joaquin
„Danke dir“, sagte ich lächelnd, als sie mir die Tasse gab. Aufmerksam hörte ich ihr zu, ich konnte sie irgendwie verstehen, auch wenn ich gerne mehr helfen würde. Wer weiß vielleicht würde sie das irgendwann erlauben.
„Werde ich ihm ausrichten. Vielleicht ist es keine schlechte Idee, wenn du irgendwann in den nächsten Tagen mal bei uns vorbei kommst, damit mein Vater dich kennenlernen kann und mit dir über die Arbeit sprechen kann…Wir könnten ja erst deine Schwester von der Schule abholen und dann fahren wir zusammen zu mir, ihr seid herzlich zum Mittagessen eingeladen“, schlug ich vorsichtig lächelnd vor.
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Ich sah schon, Luana und ich mussten irgendwann darüber reden, wo wir zur Uni gehen wollten, wenn wir zusammen gehen wollten. Für mich stand es vollkommen außer Frage, dass wir bis dahin noch zusammen sein würden. Für mich gab es nur noch sie, egal wie viele andere Frauen an mir interessiert waren. Und ich war mir ziemlich sicher, dass sie das genauso sah.
Apropos andere Frauen. Als wir ins Klassenzimmer kamen, saß Rebe schon an unserem Tisch. Ich sah kurz zu, wie Luana sich neben Ander setzte, dann setzte ich mich zu ihr und begrüßte sie mit einem neutralen, aber freundlichen "Guten Morgen".
Sehr viel Zeit blieb ihr nicht, direkt um diese Uhrzeit mit dem Flirten anzufangen, da der Unterricht direkt losging. Unter dem Tisch holte ich mein Handy heraus, um Luana eine Nachricht zu schreiben. "Massachusetts also. Boston soll toll sein (;", tippte ich und schickte die Nachricht ab.
-
Ximena
Mittagessen bei ihm zu Hause? Ich schätzte, jetzt wo er mein Zuhause gesehen hatte, war es unhöflich, das Angebot abzulehnen. Auch wenn ich mir nur zu gut vorstellen konnte, wie fehl am Platz ich mich dort fehlen würde. Aber wenn er so - verhältnismäßig - entspannt auf meine Lebensverhältnisse reagierte und sich eine solche Mühe gab, mir irgendwie zu helfen...
"Okay", antwortete ich schließlich, nachdem ich meine Tasse für einen Moment nachdenklich in den Händen gedreht hatte.
Kurz zögerte ich, bevor ich weiter sprach. Ich wollte ihm nicht zu nahe treten. "Wieso ist dein Vater so willig, uns zu helfen? Versteh mich nicht falsch, ich weiß das sehr zu schätzen. Aber er kennt mich nicht einmal. Also ... Warum?"
Wenn ich mir in einer Sache sicher war, dann, dass sein Vater einer der Menschen war, die nichts ohne einen Grund machten. Irgendetwas sagte mir, dass dieser Grund mehr als purer Wille für Wohltaten war.
Luana
Arlo und ich würden uns wohl demnächst in Ruhe über die Wahl unserer Unis unterhalten. Ich war mir sicher, dass wir in der Lage sein würden einen Kompromiss zu finden, uns beiden war es hoffentlich wichtig genug zusammen bleiben zu können. Aber wir hatten ja auch noch Zeit bis wir uns entscheiden mussten. Ich machte mir da keine Sorgen.
Kurz nachdem der Unterricht losging, zum Glück, über Rebe neben Arlo wollte ich nämlich nicht nachdenken. Da mein Handy ganz oben in meiner Tasche, die unter dem Tisch stand, lag, konnte ich sehen, wie mein Handy kurz aufleuchtete, als ich eine Nachricht bekam. Ich musste schmunzeln, die Nachricht konnte nur von Arlo sein. Dennoch konzentrierte ich mich auf den Unterricht und kurz darauf verteilte unser Lehrer den Test, den er für eine halbe Stunde angesetzt hatte. Der Test lief ziemlich gut bei mir und ich war als Erste fertig. Der Rest der Stunde verlief ziemlich ereignislos, am Ende der Stunde, als wir alle das Klassenzimmer verließen, schien Rebe ziemlich erpicht darauf sich mit Arlo zu unterhalten. Nach ein paar Minuten konnte und wollte ich mir das nicht mehr angucken. Während Lu sich noch einen Kaffee an einem der Automaten holte, ging ich zu meinem Spind, um schon mal die Bücher einzupacken, die ich über das Wochenende brauchen werde.
-
Joaquin
Es freute mich unheimlich, dass sie zu uns zum Essen kommen würde, mein Herz machte einen kleinen Sprung aber das ignorierte ich so gut wie möglich.
Dass sie nach den Absichten meines Vaters fragte, wunderte mich nicht wirklich, wahrscheinlich war es besser, wenn ich es ihr jetzt erzählte, bevor deswegen unangenehme Situationen entstanden.
„Papá ist in einem sehr ähnlichen Umfeld groß geworden. Sein Bruder und er hatten nur einander, mein Großvater war komplett aus dem Bild und meine Großmutter war wahnsinnig jung als sie die beiden bekommen hat. Sie kam selbst nicht aus wohlhabenden Verhältnissen, hatte Mühe sich und ihre Söhne groß zu ziehen und sich dabei selbst kaputt gemacht. Dazu kam noch, dass er ein kränkliches Kind war. Sein frühes Leben war sehr dramatisch. Er will nicht, dass es anderen so geht wie ihm und seinem Bruder damals.“
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Sie antwortete nicht mehr auf meine Nachricht, aber wir hatten schließlich auch noch mehr als genug Zeit, um darüber zu sprechen. Und das machten wir am besten, wenn wir alleine waren. Außerdem teilte der Lehrer uns den Test aus und ich musste mich erst einmal auf etwas anderes konzentrieren. Es lief ganz gut, an einer Frage hing ich ein bisschen länger, aber sonst war alles gut.
Am Ende der Stunde packte ich meine Sachen zusammen und wollte eigentlich so schnell wie möglich gehen, aber Rebe hielt mich auf, indem sie mich kurz am Arm festhielt. "Meine Mamá ist seit heute auf Geschäftsreise. Hast du Lust, später ein bisschen abzuhängen?", fragte sie mich.
Ich sah im Augenwinkel, wie Luana das Klassenzimmer verließ, und erinnerte mich an unser Gespräch vom Vortag. Keiner von uns wollte eine oberflächliche Flirterei führen, nur um den Verdacht davon wegzulenken, dass es zwischen uns etwas gab. Ich wusste genau, wie sie sich fühlte, wenn sie mich mit Rebe sah. Genauso ging es mir, wenn Valerio sich ihr näherte.
"Rebe, ich bin nicht ... Frei", meinte ich zu ihr und lächelte sie kurz an, ehe ich das Klassenzimmer ebenfalls verließ.
-
Ximena
Aufmerksam und, zugegebenermaßen, überrascht hörte ich zu, während er von seinem Vater erzählte. Ich kannte den Mann nicht und trotzdem, je länger er sprach, desto mehr Respekt hatte ich vor ihm. In gewisser Weise ... Hatte er genau das geschafft, was ich in einigen Jahren erreichen wollte. Ich wollte hier raus, wollte Maya und mir ein besseres Leben bieten können. Und irgendwie wollte ich all den Leuten um mich herum beweisen, dass ich es schaffen konnte.
"Das ... Hab ich nicht erwartet", erwiderte ich schließlich und sah kurz in meine Kaffeetasse. Dann lächelte ich schwach. "Ich würde mich freuen, deinen Vater kennenzulernen."
Ich zweifelte keinen Moment daran, dass sein Vater es ehrlich meinte. Mittlerweile zweifelte ich nicht mehr an Joaquins Absichten und irgendwoher musste er seine hilfsbereite und liebevolle Art schließlich haben.
Moment mal. Liebevoll? Wo kam der Gedanke auf einmal her? Ich riss mich schnell zusammen und sah schließlich wieder zu meinem Gegenüber.
Luana
Es war nicht so, dass ich eifersüchtig war, ich vertraute Arlo, aber dennoch musste ich es mir nicht anschauen, wie Rebe mit ihm flirtete. Ich schloss gerade meinen Spind, als ich sah, wie Samuel sich mit Carla unterhielt oder es wenigstens zu versuchen schien. Carla schien ähnlich verwirrt und schaute mehr auf ihr Handy, als dass sie ihm zuhörte, ehe sie mich erspähte und sich bei mir unterhakte. Und mich zur nächsten Stunde zog, die wir zusammen haben würden. Sie fragte mich, ob ich am Wochenende Zeit hatte, ich fühlte mich schlecht für einen Moment, weil die Situation mit Christian bestimmt nicht leicht für sie war, aber es war auch nicht so, als hätte sie mich im Sommer wirklich unterstütz.
„Ich würde das Wochenende lieber zum Lernen nutzen und Arlo hatte nicht denselben Stoff in der High School, wie wir hier, ich soll ihm helfen“, redete ich mich raus
-
Joaquin
„Das wird ihn freuen“, sagte ich lächelnd,“Und es freut mich auch. Also nicht, dass du meinen Papá kennenlernen willst, sondern eher, dass du, dass ihr zu uns zum Essen kommt.“
Nervös fuhr ich mir durch die Haare. Ich war um einiges smoother, wenn ich ein Mädchen nicht so wunderschön fand und nicht wirklich kennenlernen wollte, sodass man auf Dauer mehr miteinander zu tun hatte. Irgendwie war Ximena ganz besonders und das nicht nur, weil sie mich am Anfang gehasst hatte. Aber wir waren Freunde. Nicht mehr.
„Ich meine, es ist ja eigentlich ganz normal unter Freunden, dass man sich gegenseitig zuhause besucht“, fügte ich schnell hinzu, ich wollte ihr nicht das Gefühl geben, dass ich ihr half, weil ich mehr von ihr wollte. Ich wollte ihr helfen, weil sie es einfach nicht verdient hatte, so ein schweres Leben zu führen.
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Als ich noch einmal kurz zu Rebe sah, ehe ich den Raum verließ, schaute sie mir ziemlich verdutzt hinterher. Ich war mir aber sicher, dass sie nicht lange brauchen würde, um jemand neues zu finden, dem sie sich an den Hals werfen konnte. Ein bisschen leid tat es mir trotzdem, sie schien nett zu sein. Aber Luana stand an erster Stelle für mich, immer.
Nach einem kurzen Abstecher zum Spind ging es für mich weiter zur nächsten Stunde. Luana sah ich in der Mittagspause kurz, aber Guzmán und Polo nahmen mich in Beschlag und ich redete kaum mit ihr. Auch die Stunden am Nachmittag hatten wir nicht zusammen.
Am Ende des Schultages, von dem ich lange nicht gedacht hätte, dass es überhaupt kommen würde, wartete ich an Luanas Spind gelehnt auf sie. Als ich sie schließlich kommen sah, trat ich schmunzelnd einen Schritt zur Seite, damit sie an ihren Spind kam. "Du spielst also am Wochenende die Nachhilfelehrerin?", fragte ich sie grinsend. Carla hatte da in der letzten Stunde was fallen lassen, was Luana ihr wohl erzählt hatte.
-
Ximena
Warum brabbelte er denn auf einmal so? Und er wirkte irgendwie nervös. Ich beobachtete, wie er mit der Hand durch sein Haar fuhr, als ob er sonst nicht wusste, was er mit seinen Händen machen sollte. Das war irgendwie süß. Aber er machte mir mit seinen Worten indirekt klar, dass wir nur Freunde waren. Und das war auch gut so. Alles andere würde das zwischen uns nur noch komplizierter werden.
Da kam auf einmal Maya zu uns in die kleine Küche gehumpelt und riss mich aus meinen Gedanken. "Bleib doch sitzen, ich kann dir alles bringen, was du brauchst", sagte ich zu ihr und stellte meine Tasse einen Moment zur Seite.
"Ihr wart so vertieft, du hättest mich wahrscheinlich gar nicht gehört", kam es von ihr und sie sah einmal vielsagend zwischen Joaquin und mir hin und her, woraufhin meine Wangen sofort rot wurden. Doch sie war noch nicht fertig. "Ihr seid so süß, wie ihr nicht checkt, was hier gerade passiert. Das ist kaum auszuhalten."
Manchmal glaubte ich nicht, dass meine Schwester erst 14 war.
Luana
Der Tag verging leider sehr langsam, aber so war es ja immer, je mehr man sich auf das Wochenende freute. Als ich nach Schulschluss zu meinem Spind ging und Arlo schon von Weitem dort sah, musste ich mich wirklich zusammen reißen, nicht zu strahlen wie ein Honigkuchenpferd.
„Ist das nicht großzügig von mir, dass ich dir helfen will, das Jahr aufzuholen, in dem wir alle hart gearbeitet haben, während du Spaß am Strand hattest“, sagte ich zuckersüß grinsend und verstaute mein Buch im Spind. Dann drehte ich mich zu ihm und sagte zwinkernd:“Aber, wenn du das alleine machen willst, kann ich mich auch gerne mit Carla und Lu treffen, vielleicht kommt Valerio ja auch dazu.“
Dann lief ich Richtung Schulausgang und als Arlo mir nicht sofort folgte, drehte ich mich zu ihm um:“Kommst du?“
-
Joaquin
Selbst ich sprang schon auf um ihrer Schwester zu geben, was sie wollte, damit die sich bloß hinsetzte.
„Ich weiß, wir kennen uns nicht, aber lass mich dir einen Rat geben: Übernimm dich nicht, damit kannst du mehr aus Versehen kaputt machen, als du denkst“, sagte ich vorsichtig zu ihrer Schwester. Ich reagierte bei Verletzungen vielleicht etwas sensibel, aber ihre Schwester durch die Gegend humpeln zu sehen, erinnerte mich zu sehr an meine letzte große Verletzung.
Doch was ihre Schwester noch sagte, ließ mich verstummen. Ich merkte wie meine Wangen warm wurden und stammelte dann:“Wir sind Freunde.“
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Ihre Worte brachten mich zum Lachen und ich sah zu, wie sie in ihrem Spind herumkramte. Ja, genau, wir wussten beide, dass wir an diesem Wochenende keinen unserer Schulfreunde sehen würden. Am besten wäre es vielleicht, einfach unsere Telefone über das Wochenende auszuschalten.
Kopfschüttelnd und schmunzelnd lief ich ihr hinterher zum Auto. "Du bist dir bewusst, dass ich den Autoschlüssel habe und du ohne mich nicht heim kommst?", fragte ich und grinste sie an, als ich zu ihr aufgeschlossen hatte. Wir liefen aus der Schule raus auf den Schülerparkplatz.
Eine Viertelstunde später waren wir zu Hause und ich ließ die Haustür hinter uns zufallen. Ich horchte in den Flur hinein und warf einen Blick auf die Schuhe neben der Tür. Esperanza war bereits im Wochenende. Das hieß, Luana und ich waren allein. Schmunzelnd sah ich zu ihr.
-
Ximena
Mittlerweile hatte sich meine Schwester die Flasche mit Orangensaft aus dem Kühlschrank geholt. Ich drehte mich um und holte ihr ein Glas aus einem der Schränke. Mir entging aber nicht, dass Joaquin anfing zu stammeln und als ich ihm kurz einen Blick zuwarf sah ich, dass seine Wangen ein bisschen rot waren.
Großer Gott, hieß das, Maya hatte recht und er ... War in mich verliebt? Oder zumindest interessiert?
Meine Schwester nahm mir das Glas ab, warf mir nochmal einen vielsagenden Blick zu und ging mit Glas und Saft zurück in den Wohnraum. Ich räusperte mich einmal kurz und sah dann vorsichtig zu Joaquin. Auch ich merkte, wie meine Wangen etwas warm wurden, während ich ihn ansah.
"Entschuldige, sie ... Ist sehr direkt", sagte ich schließlich und drehte meine Kaffeetasse hin und her, um irgendetwas mit meinen Händen zu machen. Dabei fiel mein Blick auf ein Bild meiner Eltern, das neben der Tür zum Flur an der Wand hing. Gerade wünschte ich umso mehr, dass sie noch da wären. Meine Mutter hätte mir geholfen, mit meinem Gefühlschaos Joaquin gegenüber zurecht zu kommen.
Luana
Auf dem Nachhauseweg ruhte meine Hand auf Arlos Oberschenkel, ich konnte es nicht erwarten, das ganze Wochenende mit ihm allein zu sein und nicht darauf achten zu müssen, ob jemand was merkte.
„Esperanza?“, rief ich trotzdem nochmal ins Haus für den Fall, dass sie vielleicht schon auf dem Weg nach draußen war, aber noch was vergessen hatte und wieder ins Haus gegangen war. Als jedoch keine Antwort kam, drehte ich mich zu wieder zu Arlo und stützte meine Hand an seiner Schulter ab, während ich meine hohen Schuhe auszog. Danach legte ich meine Hände in seinen Nacken und sagte schmunzelnd:“Und was haben wir jetzt vor?“
-
Joaquin
„Alles gut“, antwortete ich immer noch mit warmen Wangen, aber ihr schien die Situation mindestens genauso unangenehm zu sein, wie mir.
„Sie ist anscheinend genauso direkt wie ihre ältere Schwester“, sagte ich zwinkernd in der Hoffnung, damit die Stimmung wieder etwas aufzulockern. Es war schon überraschend, dass wir hier jetzt zusammen saßen und Kaffee tranken, während sie mir vor ein paar Tagen wohl noch am liebsten den Kopf abgerissen hätte. Aber gut, vielleicht war das auch zu recht gewesen.
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Auch ich hörte noch einmal in das Haus hinein, nachdem Luana nach Esperanza gerufen hatte. Es blieb ruhig und man hörte auch keine Schritte. Wir waren alleine. Endlich.
Sofort legte ich einen Arm um ihre Taille, um sie festzuhalten, während sie ihre Schuhe auszog. Es war mir sowieso ein Rätsel, wie sie den ganzen Tag in diesen Dingern rumlaufen konnte. Mein zweiter Arm legte sich auch um sie, sobald ihre Hände in meinem Nacken waren. Ich sah das Schmunzeln auf ihren Lippen und konnte gar nicht anders, als das zu erwidern.
"Hm", meinte ich, beugte mich zu ihr und hielt für den Moment kurz vor ihren Lippen inne. "Mir würde da so einiges einfallen." Dann hob ich sie hoch und trug sie ins Wohnzimmer.
-
Ximena
"Ja, das haben wir beide von unserem Papá", erwiderte ich und lächelte schwach, als ich sah, dass seine Wangen immer noch ziemlich ungewöhnlich rot war. Was, wenn meine Schwester recht hatte?
Für einen Moment war ich wieder in dem Klassenzimmer heute Vormittag. Noch nie hatte jemand, der mich eigentlich gar nicht so richtig kannte, so ... Richtig auf eine meiner Flashbacks reagiert. Ohne darüber nachzudenken, er hatte einfach reagiert. Und es schien für ihn auch gar keine Rolle zu spielen, wieso ich auf einmal auf dem Boden lag und keine Luft mehr bekam. Er ... Hatte mir einfach geholfen.
Ich stellte die Tasse zur Seite und wandte mich ihm zu. "Ich kann mich gar nicht genug dafür bedanken, was du heute für mich gemacht hast", sagte ich schließlich. "Und ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du nicht einfach aus Mitleid gehandelt hast, sondern einfach weil ... Du wirklich helfen willst."
Luana
Ich japste kurz, als er mich plötzlich hochhob und hielt mich dann an ihm fest, bis er mich auf dem Sofa absetzte. Ich würde ihn wirklich gerne einfach küssen und die Nähe genießen, die Ruhe, die wir endlich hatten, aber gerade deswegen, wollte ich noch reden. Jetzt wo das Wochenende da war und wir endlich Ruhe hatten, fühlte ich mich schon fast schlecht, dass ich so die Zeit verschwenden wollte, aber der Gedanke ließ mich nicht in Ruhe. Und ich wusste nicht so recht, wie ich es ansprechen sollte.
„Ich habe eine Frage, ich will nicht eifersüchtig wirken oder so, aber hattest du in den USA eigentlich eine Freundin?“
Jetzt war es raus. Ich war wirklich nicht eifersüchtig, aber ich wollte es einfach wissen.
-
Joaquin
Ich lächelte sanft, als sie von ihrem Papá erzählte. Es war bestimmt nicht leicht und ich wusste es wirklich zu schätzen, dass sie mich so reinließ.
Wer hätte das vor ein paar Tagen gedacht? Ich definitiv nicht. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich schon so kurz nachdem ich meine Dating-Sperre bekommen hatte, schon so damit zu kämpfen hatte. Ja, sie war ein tolles Mädchen und wir würden bestimmt gute Freunde werden, aber irgendwie konnte ich auch nicht leugnen, dass ich mir auch mehr vorstellen könnte.
Sie riss mich aus den Gedanken, vorsichtig legte ich eine Hand auf ihre, um sie nicht zu erschrecken, um die feinen Grenzen nicht zu überschreiten, aber das fühlte sich noch sicher an.
„Du musst dich dafür nicht bedanken“, sagte ich lächelnd und ja, vielleicht war es an der Zeit auch ein bisschen Schwäche zuzulassen,“Ich war schon das ein oder andere Mal in einer Situation, in der ich auch diese Hilfe gebraucht hätte. Ich hätte es nicht geschafft, dich damit alleine zu lassen. Das war selbstverständlich, dass ich geholfen habe.“
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Arlo
Im Wohnzimmer angekommen setzte ich sie vorsichtig auf dem Sofa ab, bevor ich mich neben sie fallen ließ und mich ihr zuwand. Am liebsten wollte ich einfach das ganze Wochenende mit ihr hier sitzen und nur zwischendurch aufstehen, um was zum Essen aus der Küche zu besorgen. Aber ich nahm es ihr nicht übel, dass sie dieses Thema ansprach. Natürlich ging ihr das durch den Kopf, vor allem wenn man bedachte, wie ich mich verhalten hatte ihr gegenüber.
"Nein", antwortete ich und griff nach ihrer Hand, lächelte sie aufmunternd an. "Ein paar Mädchen haben es probiert, aber die waren wahrscheinlich nur neugierig, weil ich Ausländer war. Und ich ... Konnte mich nicht darauf einlassen, nach allem, was zwischen uns passiert ist, bevor ich gegangen bin."
-
Ximena
Ich hatte den Blick gesenkt und hob ihn erst wieder, als ich merkte, wie er seine Hand auf meine legte. Für einen Moment fühlte es sich so an, als würde ein Stromschlag durch meinen ganzen Körper fahren. Mein Herz fing an zu rasen und ich war mir ziemlich sicher, dass mir das Blut in den Kopf schoss.
Als er erzählte, dass auch er bereits in ähnlichen Situationen gewesen war, in denen er diese Hilfe gebraucht hätte, sah ich ihn überrascht an und lächelte dann leicht. "Die meisten anderen in der Schule hätten wahrscheinlich entweder weggeschaut oder wären so überfordert gewesen, dass sie wie ein Eiszapfen daneben gestanden wären, bis die Panikattacke von selber wieder vorbei war."
Dann musste ich schmunzeln. "Als ich dich an meinem ersten Tag zum ersten Mal gesehen hab, dachte ich, du bist nichts als ein arroganter Idiot, dem sein gutes Aussehen zu Kopf gestiegen ist. Ich sollte damit aufhören, andere nach nur einer kurzer Begegnung zu beurteilen."
Seine Hand lag noch immer auf meiner und das spürte ich überdeutlich. Es war irgendwie ein angenehmes Gewicht auf meiner Hand, ein sanfter Druck, der mich in der Gegenwart hielt.
Luana
Es beruhigte mich irgendwie zu wissen, dass da kein anderes Mädchen in den USA war, natürlich hätte ich es hinnehmen müssen, wenn es anders gewesen wäre. Es war ja nun mal nicht so, als wäre wirklich was zwischen uns gewesen. Dementsprechend wurde mir warm ums Herz, als er sagte, dass er es nicht konnte, wegen dem was zwischen uns war.
„Ich muss dir auch noch was sagen, Marina und ich haben uns zerstritten, unter anderem weil du den Kontakt zu ihr gehalten hast, aber nicht zu mir. Wir haben uns vorher schon etwas auseinander gelebt, sie hatte keine Lust mehr auf Lu und Carla, weswegen sie weniger Zeit mit uns verbracht hat und dann hat Ander sich von mir getrennt und sie hatte da was am Laufen mit dem Bruder von Samuel. Ich habe ihr gesagt, dass sie auf sich aufpassen soll und irgendwie ist das Gespräch dann eskaliert“, ich wollte ehrlich mit Arlo sein, das hatte er verdient,“Du wolltest nichts mehr von mir wissen, mein Freund hat sich von mir getrennt und Marina wusste nun mal, dass ich damit nicht gut umgehen konnte.“
-
Joaquin
Auf der einen Seite merkte ich wie lange meine Hand schon auf ihrer lag und ich wusste, dass es wohl an der Zeit war die Hand wegzunehmen, aber auf der anderen Seite fühlte es sich einfach so schön und vertraut an. Ein ganz angenehmes Gefühl hatte sich in mir ausgebreitet und ich wollte gerade nirgends lieber sein, als hier.
„Ich würde ja gerne sagen, dass es einige Schüler an der Schule gibt, die dir geholfen hätten, aber ich bin mir um ehrlich zu sein nicht sicher. Ich mag meine Freunde, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dir eine große Hilfe gewesen wären, also nicht alle hätten dich da alleine sitzen lassen, aber ich glaube niemand von ihnen hätte gewusst, wie er dir helfen kann. Arlo könnte wohl irgendwie wenigstens ein bisschen helfen. Vor Wettkämpfen hat er mir früher öfters Gesellschaft geleistet, damit ich nicht vor Panik ausraste“, erzählte ich.
Ich musste schmunzeln, als sie ansprach, dass sie mich wohl falsch beurteilt hatte, leise lachend sagte ich:“Ich dachte aber auch, dass du eine blöde Kuh bist um ehrlich zu sein, nachdem du mich im Club so angemacht hast…Aber jetzt wo wir gelernt haben, Leute nicht sofort zu verurteilen, vielleicht willst du ja mal meine Freunde so richtig kennenlernen. Obwohl wenn ich so darüber nachdenke, lieber nicht.“
Carla und Lu konnte ich doch niemanden vorstellen, bei Luana kam es ganz auf ihre Stimmung an, Polo und Guzman waren momentan total fertig und von Valerio fing man am besten gar nicht an.
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Ich strich über ihre Hand und hörte ihr ruhig zu. Das stimmt, ich hatte Kontakt mit Marina gehalten, bis kurz vor ihrem Tod. Aber von einem Streit mit Luana hatte sie nie erzählt. Ich hatte aber auch nichts von der Sache zwischen ihr und Samuels Bruder gewusst, bevor ich wieder hierher gekommen war.
"Du hast nichts falsch gemacht, Lu", sagte ich schließlich und sah sie an. "Ihr hattet beide gerade eine schwierige Zeit. Man kann weder dir noch Marina einen Vorwurf machen."
Ich hob ihre Hand und gab ihr einen sanften Kuss auf den Handrücken. "Du warst ihr immer eine gute Freundin. Und ich bin mir sicher, dass sie das weiß, wo auch immer sie jetzt ist."
Zwar hatte ich alles, was im letzten Jahr passiert war, nur am Rand mitbekommen. So richtig hab ich erst herausgefunden, was passiert war, als Marina schon tot war. Drama und Intrigen waren an unserer Schule nichts unnormales, aber dass es irgendwann so weit kommen musste...
-
Ximena
Im Moment fiel es mir schwer, zu verstehen, wie er mit Lucretia, Carla, Valerio und so weiter befreundet sein konnte. Keiner seiner Freunde war in meiner Anwesenheit bisher auch nur halb so nett gewesen wie er. Aber ich hatte auch nie gedacht, dass hinter seinem Gesicht ein so freundlicher und großzügiger Mensch steckte. Vielleicht sollte ich seinen Freunden wirklich einfach noch eine zweite Chance geben. Zumindest manchen von ihnen.
Ich konnte gar nicht anders als in sein Lachen einzustimmen. Was war mit mir los? Ich lachte sonst so gut wie nie. Zwischen Arbeit und Schule hatte ich dafür nicht viel Gelegenheit. Aber jetzt passierte das einfach wie von selbst.
"Autsch", meinte ich, immer noch lachend, nachdem er mir verraten hatte, dass er mich für eine blöde Kuh gehalten hatte. "Aber gut, das hab ich wohl verdient."
Kurz überlegte ich, ob ich es wagen sollte, seine Freunde kennenzulernen? "Ehrlicherweise machen die meisten deiner Freunde mir Angst." Auch wenn er sich als nett herausgestellt hatte, war ich mir nicht sicher, ob seine Freunde mich als eine Freundin von Joaquin akzeptieren, geschweigedenn mich in ihre Gruppe mit aufnehmen würden.
Luana
„Ich frag mich halt immer wieder was gewesen wäre, wenn wir uns nicht gestritten hätten, wenn sie nicht alleine in der Schule rumgelaufen wäre“, erwiderte ich,“Ich weiß, dass das nichts bringt und es nichts bringt mir überhaupt deswegen einen Vorwurf zu machen.“
Ich dachte daran wie viel Spaß Marina und ich früher hatten, wie oft wir uns gestritten und dann wieder vertragen hatten:“Hätten wir mehr Zeit gehabt, hätten wir uns wieder vertragen. Das weiß ich, das war ein Streit wie jeder andere auch den wir mal hatten. Ich hoffe einfach, dass sie weiß, dass ich nichts davon meinte, was ich gesagt habe.“
Das letzte Schuljahr war so anstrengend gewesen für uns alle.
„Selbst, wenn das nicht passiert wäre, wäre es das schlimmste Schuljahr gewesen“, sagte ich,“Gefühlt jeden Tag ist was anderes passiert. Entweder irgendjemand wurde betrogen, eifersüchtig gemacht oder es gab fast eine Prügelei. Jetzt kann Ander wenigstens seine Liebesprobleme wenigstens mit dir bereden und muss sie nicht mit mir bereden, weil das war wahnsinnig unangenehm. War schön zu lernen, dass es absolut nichts für ihn getan hat, wenn wir uns geküsst haben.“
Ich liebte es, wie herrlich normal alles mit Arlo war, ja ich wollte ihn küssen aber mit ihm konnte ich auch einfach reden ohne das Gefühl haben zu müssen, dass es morgen gegen mich verwendet werden könnte. Glücklich seufzend lehnte ich mich an ihn.
-
Joaquin
Oh Gott, hatte sie ein schönes Lachen. Fuck. Ich wusste, dass das alles hier nicht gut war und ich schnell gehen sollte, aber ich wollte nicht. Ich hatte den schönsten Nachmittag seit langem und am liebsten würde ich hier noch eine Ewigkeit sitzen. Ich mein, ich würde das hinbekommen sie, die Schule und das Training zu balancieren, mein Coach machte sich einfach unnötig Sorgen, oder?
„Arlo ist sehr korrekt“, sagte ich,“Den würd ich dir vorstellen. Ander ist auch in Ordnung. Und bei Luana kommt es sehr auf ihre Stimmung und ihr Umfeld an, aber mit den beiden zusammen ist sie eigentlich so zahm wie eine Hauskatze. Sie wirkt nicht nett und geht nicht so auf Leute zu wie Arlo, ihr Stiefbruder, aber sie und Ander haben ein gutes Herz, auch wenn manche Leute glauben sie hätte was mit dem Mord von Marina zu tun. Aber ich will dich zu nichts zwingen.“
Wenn sie keinen von ihnen näher kennenlernen wollte, erst einmal, war das okay, mir war klar, dass sie nicht den besten ersten Eindruck hinterlassen haben. Das hatte ich ja auch nicht und ich war schon sehr froh, dass ich eine zweite Chance bekommen hatte.
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Lächelnd zog ich sie sachte näher zu mir, legte den Arm um ihre Schulter und den Kopf auf ihren. Es tat weh zu hören, was sie im letzten Jahr alles durchgemacht hatte. Und natürlich hatte ich auch ein schlechtes Gewissen. Ich war in Kalifornien gewesen, weit weg von all dem Drama, während Luana das wahrscheinlich schlimmste Jahr ihres bisherigen Lebens fast alleine durchmachen musste.
"Ich hab ehrlich gesagt immer noch nicht verstanden, wer wen mit wem betrogen hat. Als ich gegangen bin schienen so viele Beziehungen so felsenfest zu sein. Ich hätte niemals gedacht, dass Ander und du oder Carla und Polo sich trennen würden. Dann verschwinde ich für 10 Monate und ... Alles ist anders", meinte ich. Allen voran hierbei natürlich Marina. Man las in den Nachrichten von Mord und Todschlag, aber dass das in meinem eigenen Freundeskreis passieren könnte, hätte ich nie gedacht.
Ich strich über ihr Haar. "Ander gibt sich unfassbar viel Schuld dafür, dir das Herz gebrochen zu haben. Ich glaube, das ist einer der Gründe, weshalb er so lange gezögert hat, seinen wahren Gefühlen zu folgen. Er liebt dich, das weiß ich. Nur eben nicht ... Auf diese Weise."
-
Ximena
Während er sprach, hatte ich die Tasse gehoben und nippte vorsichtig an meinem Kaffee, der mittlerweile nicht mehr brühend heiß war. Seine Freunde konnten gar nicht so übel sein, wenn sie mit ihm befreundet waren. Er war einfach ... Fürsorglich, humorvoll, intelligent ... Ich könnte ewig so weiter machen.
Ich sollte mich in diesem Jahr auf die Schule konzentrieren, um auf eine gute Universität gehen und ein gutes Leben für meine Schwester und mich aufbauen zu können. Aber nun stand er vor mir und ich wollte am liebsten jede freie Sekunde mit ihm verbringen.
"Na schön, ich gebe deinen Freunden eine Chance. Einem nach dem anderen, alle auf einmal sind mir wahrscheinlich zu viel", antwortete ich. "Und sobald auch nur ein dummer Spruch kommt ... Ein Teil von mir ist wahrscheinlich wirklich die blöde Kuh, für die du mich am Anfang gehalten hast." Den letzten Satz sagte ich schmunzelnd.
Luana
„Ich war hier und habe das ganze erlebt und fand es wahnsinnig verwirrend. Und ganz ehrlich im Gegensatz zu den anderen Liebesdramen, sind Ander und ich gut weg gekommen“, erwiderte ich. Ich wüsste nicht, wie ich damit umgegangen wäre, wenn er mit mir zusammen geblieben wäre, obwohl da jemand anderes ist. Wahrscheinlich nicht gut. Ander hatte mir wenigstens ehrlich gesagt, was Sache war und wir konnten Freunde bleiben und außerdem, wenn wir ganz ehrlich waren, hatten wir uns beide gegenseitig belogen.
„Ander und ich haben uns aber auch gegenseitig was vorgemacht und ich bin froh, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Jetzt habe ich mit ihm wenigstens noch den besten Freund, den ich mir vorstellen kann“, sagte ich lächelnd. Wenn ich noch mit Ander zusammen wäre, wäre ich jetzt immer noch in einer Beziehung, in der ich ständig an Arlo dachte, und davon ausging, dass ich ihn nicht haben konnte, obwohl es nicht wahr war.
„Haben unsere Eltern dir eigentlich erzählt, dass ich im Winter in den Ferien in Dubai war?“, ich wollte jetzt nicht mehr darüber nachdenken, was alles schreckliches passiert war, nicht wenn wir ein schönes Wochenende vor uns hatten.
Meine Mutter und meine Großmutter hat ein schwieriges Verhältnis und meine Mutter mochte nicht einmal, dass meine Großmutter und ich immer Kontakt miteinander hatten, aber jetzt hatte sie gemerkt, dass sie mir was das anging keine Vorschriften mehr machen konnte. Ich konnte also endlich meine Großmutter und den Rest der Familie treffen. Meine Familie in Dubai war sonst gut genug für ein "und wenn es nicht gut läuft, gehst du nach Dubai" aber eigentlich wussten wir alle, dass meine Mutter meine Familie in Dubai zu sehr hasste, um die Drohung wahr zu machen.
-
Joaquin
Ich konnte nicht anders, als wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen, als sie sagte, dass sie meinen Freunden eine Chance geben würde. Selbst, wenn sie sich nicht verstehen, würde es den Versuch wert sein. Es wäre eine Chance für sie noch mehr Kontakte zu knüpfen, ich konnte mir nur schwer vorstellen, wie schwierig es wohl war an unserer Schule Leute zu finden, denen man vertrauen konnte. Irgendwie rührte es mich, dass sie mir genug vertraute, dass sie meine Freunde kennenlernen wollte.
„Glaub mir, es ist wahrscheinlich besser, wenn du dir die dummen Sprüche nicht gefallen lässt“, sagte ich grinsend und trank einen Schluck Kaffee, ich wollte ja gar nicht, dass sie sich in irgendeiner Weise verstellte,“Sei einfach so wie du bist und, wenn sie die Chance nicht nutzen, mit dir befreundet zu sein, ist es ihr Verlust.“
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
Da hatte sie recht, mit Ander hatte sie wirklich noch den besten besten Freund, den sie sich wünschen konnte. Jeder, der mit Ander befreundet war, konnte sich glücklich schätzen. Aber bei ihr war das noch einmal etwas ganz anderes. Und Anders Freund Omar schien auch sehr nett zu sein, auch wenn ich ihn bisher nur einmal kurz gesehen hatte.
Mal ganz abgesehen davon, dass wir jetzt nicht hier sitzen würden, wenn sie noch mit Ander zusammen wäre. So war es einfach besser für alle. Und ich hatte riesigen Respekt vor Ander dafür, dass er den Mut hatte, zu sich zu stehen.
"Nein", antwortete ich daraufhin auf ihre Frage. Die Überraschung war mir wohl anzuhören. Mamá hatte kein gutes Verhältnis zu ihrer Familie in Dubai. Seitdem sie mit Papá zusammen war, hatte ich Luanas Großmutter vielleicht zweimal gesehen und das nur, wenn sie unangekündigt hier aufgetaucht ist, weil sie ihre Enkelin sehen wollte. Ich konnte ihr das nicht verübeln.
"Weiß Mamá überhaupt noch, weshalb sie wütend auf deine Großmutter ist? Oder ist das alles mittlerweile einfach nur noch etwas prinzipielles?" Ich hatte nie so ganz verstanden, warum Mamá nie mit oder über ihre Familie in dem Golfemirat sprach.
-
Ximena
Mit diesem Grinsen sah er wirklich unfassbar niedlich aus. Ich fragte mich wirklich, wie ich noch vor ein paar Tagen so schlecht über ihn denken konnte. Er war kein arroganter Idiot, dem sein goldener Löffel über den Kopf hinaus gewachsen war. Im Gegenteil. Mal ganz abgesehen davon, dass ich nun meinen Stolz überwinden konnte und Hilfe annahm, auch wenn mir das noch immer schwerfiel.
Ich sah auf meine Hände mit der Kaffeetasse, in der Hoffnung, dass er nicht sah, wie meine Wangen rot anliefen. Kurz dachte ich daran, was meine Schwester gerade eben gesagt hatte. Aber nein, da war nichts zwischen Joaquin und mir. Dafür hatten wir beide einfach keine Zeit.
Mein Blick wanderte schließlich zu der Uhr an der Wand. "Hast du ... Nicht noch etwas vor heute? Ich will dich von nichts abhalten", sagte ich dann. Ich hoffte, das wirkte nicht so, dass ich ihn loswerden wollte. Eigentlich war das Gegenteil der Fall.
Luana
„Ich mein, sie war in den Augen meiner Großmutter nie gut genug für meinen Vater und meine Großmutter macht da auch kein Geheimnis raus“, erzählte ich. Ich konnte meine Mutter schon verstehen, dass sie deswegen nichts mit meiner Großmutter zu tun haben wollte, aber meine Großmutter war nun mal alles, was ich noch von meinem Vater hatte.
„Also sie lästert nicht über Mamá, aber sie hat eine riesige Feier mit allen ihren reichen Freunden und Bekannten organisiert und alle mit denen ich gesprochen habe, wussten, dass meine Oma Mamá nicht mag. Ihre besten Freundinnen haben darüber gesprochen, wie froh meine Oma ist, dass ich meinem Vater ähnlicher sehe als Mamá. Ich muss ehrlich sagen, dass die Partys von Carlas Eltern weniger stressig sind als die meiner Oma.“
Ich glaub, meiner Oma war es wichtig, dass ich ihre Freunde und deren Familien traf, sie wirkte so stolz während sie mich vorstellte und ich war mir sicher, dass ich bei allen einen guten Eindruck hinterlassen hatte, aber es war furchtbar anstrengend.
-
Joaquin
Mir entging nicht, dass ihre Wangen rot wurden und ich erwischte mich dabei wie ich daran dachte, wie süß sie aussah. Ich kannte sie wie lange? Ne Woche? Und ich mochte sie am Anfang nicht mal und jetzt dachte ich darüber nach wie süß sie aussah.
Ich warf einen Blick zur Uhr, als sie ansprach, dass sie mich von nichts abhalten wollte und ich konnte nicht anders als mich zu fragen, ob sie mich loswerden wollte? Ich mein, ich war schon eine Weile hier und wenn sie noch zu tun hatte, wollte ich nicht stören aber ich hatte gerade das Gefühl, dass ich noch eine Ewigkeit hier mit ihr sitzen konnte.
„Nein, eigentlich nicht. Aber ich will dich auch von nichts abhalten also, wenn du noch zu tun hast oder einfach deine Ruhe willst, dann kann ich auch gehen“, bot ich an und hoffte, dass sie es nicht wollte.
25. Juni 2014 in Mönchengladbach *-*
"Das ist ein riesiges Kompliment für Carlas Eltern", erwiderte ich schmunzelnd. Wenn wir irgendwann nicht mehr zu diesen Feiern gehen müssten, bei denen jeder über jeden hinter dessen Rücken sprach, wäre es überhaupt kein Verlust für mich.
"Klar ist das nicht einfach für Mamá, aber ich hoffe einfach nur für dich, dass sie dir niemals gänzlich den Kontakt zu deiner Großmutter verbietet", sagte ich dann, während ich über ihren Rücken strich. Sie hatte schon ihren Vater verloren, da musste sie nicht auch noch den Rest ihrer arabischen Familie verlieren. Leider traute ich das Mamá durchaus zu. Auch weil sie dann einfach gar nicht mehr mit Lu's Großmutter kommunizieren musste.
"Ich meine, sie muss deiner Großmutter nie wieder persönlich über den Weg laufen, wenn sie das nicht möchte. Ich hab deine Großmutter ja nicht oft erlebt, aber mir hat Mamás und Papás Hochzeit schon gereicht."
-
Ximena
Super, er dachte bestimmt, dass ich ihn loswerden wollte. Oder überdachte ich die Situation total? Ich wusste nicht, wie man mit so etwas umging. Ich mochte ihn, das zu verleugnen wäre schwachsinnig. Aber wie sehr mochte ich ihn? Und wie sollte ich herausfinden, wie sehr ich ihn mochte? Oder ob er mich mochte? Großer Gott, diese Situation überforderte mich total.
"Nein, ich ... Habe nichts vor", antwortete ich schnell auf seine Frage. Vielleicht ein bisschen zu schnell. "Also ich muss heute Abend arbeiten, aber bis dahin ist ja noch ... Etwas Zeit." Warum stammelte ich auf einmal so herum? Am liebsten würde ich meinen Kopf einmal fest gegen die Wand schlagen, vielleicht konnte ich dann wieder geradeaus denken.
"Ich meine, du kannst gerne noch bleiben, wenn ... Du möchtest", sprach ich weiter. Ich sollte einfach aufhören zu sprechen, das war nur noch peinlich.