Eine Menge Leute können sie dort nicht leiden, andere wiederum betrachten sie als einen starken weiblichen Charaktere im Setting. Persönlich war ich lange Zeit ziemlich neutral über sie, da Martin ja keinen Hauptcharakter völlig freundlich und vernünftig schreibt. Insofern waren in meinen Augen Catelyn´s schlechte Behandlung von Jon und ihre "southron ambitions" für ihre Kinder ein ziemlich logisches Ergebniss ihrer eigenen Herkunft.
Was mich allerdings stets verwirrt hat war diese Aktion:
Ned: "Wir sind nicht auf einen offenen Konflikt mit den Lannisters vorbereitet; ich sitze hier in der Haupstadt völlig auf dem Präsentierteller und ohne zuverlässige Freunde. Liefern wir ihnen bloss keinen Vorwand..."
Cat: "Okay."
Später im Gasthaus am Kreuzweg...
Cat: "Tyrion Lannister! Packt ihn! Er hat versucht meinen Sohn ermorden zu lassen!"
Tyrion: "Indem ich dem Armleuchter einen teuren Dolch gebe, den man dann zu mir zurück verfolgt? Da hält mich wohl jemand für noch dümmer als sich selbst."
Cat: "Still! Petyr hat´s gesagt, also muss es ja wohl stimmen! Ich meine, ich traue ihm nicht mehr wirklich aber als Kinder waren wir mal Freunde..."
Tyrion: "Aha. Und jetzt geht´s nach Winterfell oder was?"
Cat: "Nein, ich bin viel schlauer als das! Wir gehen zur Eyrie, in einer tagelangen Reise durch ein Gebiet voller feindseliger Berg-Clans, mit knapp einem Dutzend Leute!"
Tyrion: "..."
Dann bin ich neulich auf diese Zusammenfassung gestoßen:
https://www.youtube.com/watch?v=G8NO-EBJjy4
Ich weiß nicht ob ich dort allem so zustimme, aber es ist schon was dran dass zwar einerseits Cat ständig von sich selbst denkt "I am helping!" aber dass andererseits die Ergebnisse nur selten hilfreich für ihre Familie sind.
Was denkt ihr so über diese kontroverse Figur?
…einerseits hat sie einige gute Ratschläge für Robb, etwa dass er Roose Bolton lieber das Kommando über die Hauptarmee geben soll die gegen Tywin Lennister zieht anstatt dem Großjon.
…Er warnt Robb davor das, wenn er Theon zu dessen Vater zurückschickt er nichts mehr hat mit dem er die Graufreuds im Zaum halten kann.
…Sie warnt ihn auch davor die Freys zu beleidigen oder einen Eid zu brechen den er im Angesicht der Götter und Menschen geleistet hat.
Und sie sagt ihm das auch immer so ohne ihn jetzt wie eine Mutter wirklich zu maßregeln, sondern so dass er von selbst darauf kommt.
…Andererseits hat sie nach Renlys Tod lieber Interesse daran Brienne zu retten anstatt sich wie Petyr Bealish an die Tyrells und ihre Siebzigtausend Mann ran zu schmeicheln.
…Sie lässt Edmure in Ruhe Robbs Pläne über den Haufen werfen.
…Sie befreit auch Jaimi Lennister, den Sohn und Erben ihres schlimmsten Erzfeindes nur weil der verspricht ihre Töchter zu befreien. Oder verspricht es zu versuchen.
…Sie rät Robb lieber dazu einen entfernten Großcousin mütterlicherseits aus dem Grünen Tal zu seinem Erben zu ernennen anstatt Ned Starks anderen Sohn.
Aber Ich kann ihre Beweggründe verstehen. Familie und Tradition ist für sie alles so wie man es ihr im Süden beigebracht hat. Ihr Mann stirbt, ihre Schwester wendet sich von ihr ab, ihr Vater stirbt, angeblich sterben 2-3 ihrer Fünf Kinder und sie kann keinen davon wirklich beerdigen, das Vierte wird einem Mann verheiratet denn selbst seine eigene Familie als Ungeheuer bezeichnet. So alles in Allem macht sie eigentlich am meisten durch und daher ist eine Art Nervenzusammenbruch oder leichte Paranoia verständlich.
Was ich interessant finde an ihr ist die Verwandlung in Lady Stoneheart nach ihrer Wiedererweckung durch Beric. Das hätte ich auch gerne in der Show gesehen: ein untotes Wesen, das nur noch von der Rache vorwärtsgetrieben wird.
Die Aktion im Gasthaus finde ich, ähnlich wie Kenny, auch etwas kritisch. Selbst Tyrion in seiner Zelle durchschaut, dass die Starks keinerlei wirklich handfeste Beweise haben und so einer richtigen Verhandlung wohl kaum standhalten dürften.
Ich sehe das als ziemlich emotional gesteuerte Reaktion: Dort ist der Mann, von dem sie glaubt, dass er ihren Sohn töten wollte, und sie will diese vielleicht einmalige Gelegenheit nicht verstreichen lassen.
Wirklich zu 100% kalkuliert ist es nicht.
Ich mag Cat, weil ich sie und ihre Beweggründe immer gut nachvollziehen konnte. Nicht unbedingt, dass ich sie gut heisse. Aber welcher Charakter in GRRM-Universum verhält sich schon immer logisch-rational und "so wie ich es machen würde"? Das ist doch genau, was sein Imperium so gut macht: Die Figuren tun, was ihre Persönlichkeit ihnen abverlangt und nicht was wir rational denkend tun würden.
Jetzt kann jeder sagen: Ich hätte Tyrion laufen lassen und Jaime nicht befreit. Aber ob es wirklich so ist? Das weiss ich nicht.
Und das macht Cat für mich spannend. Dass sie ihren mütterlichen Instinkten gemäss handelt. Und die Lady Stoneheart-Verwandlung finde ich cool, weil es Fantasy ist aber "begründet".
Aber eine Lieblingsfigur ist Cat für mich nicht.
Ich kann aber verstehen, warum Leute Cat nicht mögen. Nur etwas kann ich nicht verstehen: Warum sie sie immer für ihr Verhalten gegenüber Jon verurteilen. Du ziehst das vermeintlich uneheliche Kind deiner grossen Liebe auf (ja, ich glaube die beiden lieben sich wirklich) und dann will mir ein ganzes Fandom verkaufen, dass sie dieses Kind immer respektvoll und fair und liebend behandeln?
Uff.
Nur weil Jon einer der Lieblinge ist. Bei Theon interessiert das ja schliesslich keinen...
Im ersten Fall hat Cat mit Ned zuvor ein langes und ernstes Gespräch gehabt, dass sie Starks für einen offenen Konflikt mit den Lannisters nicht bereit sind und dass Ned (und ihre beiden Töchter) in der Hauptstadt keine zuverlässigen Verbündeten haben. Was macht sie also? Tywin Lannister vor hunderten von Zeugen einen Causus Belli liefern, mit nichts als einem hastig-halbgaren Plan wie sie mit der Geisel auf freundliches Gebiet entkommen kann. Sicher, Tywins folgender Völkermord gegen die Flusslande ist absolut überzogen (um es neutral auszudrücken), aber was hat Cat denn anderes erwartet? Dass ein in ganz Westeros für sein Ego und seine Rachsucht berüchtigter Mann in höflich-gesittete Verhandlungen mit ihrer Familie tritt?
Mit Jaime wird es noch schlimmer, wenn man den Kontext bedenkt. Okay, sie denkt also dass Bran und Rickon tot sind...also ist ihre Big-Brain-Idee Jaime als die einzige Geisel welche aktuell für die Leben von Sansa und Arya in King´s Landing garantiert achtlos weg zu werfen? Ich schreibe hier betont über die Romane, wo keine akute Gefahr bestand dass Jaime in den Kerkern von Riverrun gelyncht wird. Den Irsinn hat Lord Karstark erst angefangen, NACHDEM sie Jaime hat laufen lassen. In jedem Falle weiß Cat aber dass die Flusslande voller feindlicher Truppen und hungernder Wegelagerer sind, was keine gute Ausichten für ein kümmerliches Trio (in dem zwei von drei Leuten selbst feindliche Lannisters sind) darstellt. Und wenn sie trotz alles Wahrscheinlichkeiten nach King´s Landing kommen, ...dann wird wohl Tywin Lannister von allen Leuten seine wertvollsten Geiseln einfach frei lassen, weil sein Sohn - ein berüchtigter Eidbrecher- "angeblich" etwas geschworen haben soll? Wohlgemerkt, Cat SELBT wiederholt ständig dass in ihren Augen die Lannisters allesamt ehrlose und vertrauensunwürdige Schufte wären.
Das sind schon etwas komische Entscheidungen für eine Frau, die sich in Gedanken wiederholt selbst bescheinigt wie klug und erfahren in der Politik sie doch ist. Kommt mir einfach so vor, als hätte Martin hier wiederholt Cat als "plot device" genutzt um die Handlung voran zu treiben.
Das war für mich nur die einzige Erklärung, die ich mir da noch denken konnte, damit das noch etwas Sinn macht.
Ich glaube, Cat weiß zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, dass Tywin überhaupt in der Hauptstadt ist. Von dem Ende der Schlacht am Schwarzwasser und den neuen Bündnissen von Highgarden und Dorne erfährt sie ja erst am Anfang von A Storm of Swords, also als Jaime schon weg ist.
Sie verlässt sich, denke ich, vor allem darauf, dass Tyrion seine vorher aufgestellten Bedingungen einhält und ihre Töchter freilässt. Sie weiß noch gar nicht, wir gut die Position der Lannisters ist und wie schlecht die von Robb ist und will eben wenigstens ihre letzten Kinder wiedersehen.
Das ist zumindest meine Interpretation. Warum sie sich nun gerade auf das Wort von Tyrion verlässt, weiß ich aber nicht. Oder warum sie glaubt, dass Cersei da mitmacht. Oder wie die drei überhaupt sicher in die Hauptstadt kommen.
Man muss einfach sagen, dass sie sich viel zu einfach durch Kleinfinger manipulieren ließ. "Petyr ist ein alter Freund, wir können ihm vertrauen." Sie hängt einfach zu viel an den Personen ihrer Vergangenheit und bedenkt bei ihren Plänen nicht, dass sich diese geändert haben könnten. Deshalb denkt sie ja auch das ihre Schwester Lysa ihr bedingungslos helfen wird.
Und nachdem sie vom vermeintlichen Tod Brans und Rickons erfährt, hat die Vernunft sie komplett verlassen und sie bekommt gar nicht mit in welcher Situation sich Robb befindet.
Andrzej Sapkowski: Ein kleines Opfer