Hallo zusammen,
dies ist das vierte Kapitel meiner aktuellen HP-Fanfiktion, mit der ich im Moment ein bisschen kämpfe. Hier eine kurze Zusammenfassung:
Wir befinden uns im Sommer zu Beginn von “Orden des Phönix”. Durch Zufall hat Sirius erfahren, dass Harry viele Jahre im Glauben gelassen wurde, James und Lily seien bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Wütend über diese Herabsetzung seiner besten Freunde und in dem Gefühl, etwas gutmachen zu müssen, geht er nach Godric’s Hollow, um sich davon zu überzeugen, dass James und Lily ein ordentliches Begräbnis erhalten haben. Der Anblick des Denkmals der Potters auf dem Dorfplatz wirft ihn in einen heftigen Flashback, aus dem er sich mit Hilfe einiger selbst erlernter Bewältigungsstrategien herausgeholt hat. Wir befinden uns jetzt auf dem Friedhof, wo Sirius sich auf die Suche nach James’ und Lilys Grab macht.
ACHTUNG: Das Kapitel enthält PTBS-Symptome und selbstverletzendes Verhalten (“Ritzen”)
Wichtig sind mir folgende Punkte:
- Logischer Aufbau und Nachvollziehbarkeit: Könnt ihr als Leser sagen: Ja, das ergibt für mich Sinn?
- Nähe/Distanz: Kann man emotional “mitgehen” oder fühlt man sich eher als “Beobachter”?
- Sachlichkeit: Ist das Ritzen einigermaßen realitätsnahe dargestellt? Es soll nicht verharmlosend oder gar glorifizieren wirken, aber es soll eben schon deutlich werden, warum er es tut und welche Wirkung es hat.
- Stil: Gut lesbar, zu “trocken”, zu “verschwurbelt”?
Ganz generell würde mich eure persönliche Meinung interessieren: Was findet ihr gut, was könnte man ander/besser machen?
An alle, die sich die Zeit für eine konstruktive Rückmeldung nehmen, bereits jetzt vielen Dank!
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Stachel des Lebens, Kapitel 4: Der Friedhof
Der Pfad endet an einem Eisentor, über dem eine einsame Lampe brennt. Sirius steckt den Zauberstab in die Hosentasche und späht über die vergoldeten Eisenspitzen hinweg. Dahinter ist der Weg mit weißen Kieseln bestreut, und in den Ausläufern des Lichtkreises kann man schwach die Umrisse der ersten Grabsteine erahnen.
Sirius fällt plötzlich siedend heiß ein, dass er nicht die leiseste Ahnung hat, wo genau er nach dem Grab suchen soll - falls es denn existiert. Na, das wird gleich toll aussehen. Ein Typ im dunklen Mantel, der um Mitternacht auf einem Friedhof herumirrt.
Die jungen Rumtreiber hätten an einer solchen Aktion ihre helle Freude gehabt: ‘Ich wette, das traust du dich nicht!’ ‘Na warte!’
Sirius kann nicht anders, als ein bisschen wehmütig zu grinsen. Als ob von Toten irgendeine Gefahr ausginge. Wenn man es nicht gerade mit Inferi zu tun hat, sind die meisten Toten sehr friedlich.
Nein, es sind die Lebenden, vor denen man sich in Acht nehmen muss.
Er besieht sich das Tor genauer. Kein Schloss zu erkennen. Warum sollte ein Friedhof auch abgesperrt sein? Sirius drückt die Klinke nieder. Das nasse Metall schmiegt sich kalt und unnachgiebig in seine Handfläche. Für die Dauer eines Herzschlags wird das Rauschen des Windes in den Bäumen zur Brandung des Meeres, aber das war immer ein vertrautes, verlässliches Geräusch, und der Eindruck verschwindet so schnell, wie er gekommen ist. Quietschend schwingt die Tür vor ihm auf.
“Lumos”, flüstert er und hält den leuchtenden Zauberstab in die Höhe. Der Regen hat inzwischen aufgehört, aber die Resthitze des Tages lässt das Wasser als weiße Schlieren aus dem Boden steigen und durch die Luft wabern. Im Gegenlicht des Zaubers wirken sie fast grell.
Langsam schreitet Sirius die Reihen der Gräber ab, liest Namen und Zahlen, die ihm nichts bedeuten. Im Stablicht werfen die Grabsteine lange, unförmige Schatten auf den Boden und auf das Geflecht aus Nebelstreifen dahinter. Der Wind bewegt die seltsame Schattenwand und formt etwas daraus, das eigenartig vertraut aussieht, wie eine dunkle Kapuzengestalt.
Sirius starrt in den Nebel, in dem die Gestalt immer deutlicher Form annimmt, und Eiseskälte kriecht ihm in sämtliche Muskeln. Wie kann das sein? Wie haben sie ihn gefunden, ausgerechnet hier? Die Erscheinung bewegt sich, seltsam wellenartig scheint sie sich ihm zuzuwenden, und es macht fast den Eindruck, als ob sich unter der Kapuze etwas langsam öffnet…
Sirius prallt so heftig zurück, dass er auf dem nassen Boden den Halt verliert und zwischen die Gräber stürzt. Die harten Kiesel bohren sich schmerzhaft in seinen Körper, der Zauberstab rutscht ihm aus den Fingern, und Kieselsteine spritzen als weiße Flecken in die Dunkelheit, als er panisch hinterher hechtet. Zauber… es gibt einen Zauber… er war so stolz darauf, dass Harry ihn beherrscht… Harry… oh Merlin, er hat sich nicht von Harry verabschiedet…
Da fährt ein Windstoß in die Nebelgestalt, und Sirius vergisst alle Zauberei. Er rappelt sich auf und rennt, rennt einfach los in die entgegengesetzte Richtung und prallt gegen kalte, unnachgiebige Gitterstäbe. Seine Finger schließen sich krampfhaft um die Stangen, während er heftig daran zerrt, rausbittebitterausbitte, bis ihm einfällt, dass es hier tatsächlich einen Ausgang gibt. Zittrig tastet er sich am Zaun entlang, findet das offene Tor, stolpert hindurch und wirft es mit aller Kraft hinter sich ins Schloss. Das Scheppern verhallt in der Nacht.
Sirius macht noch ein paar Schritte und lässt sich dann einfach zu Boden sinken. Er spürt kalten Schlamm unter sich, aber das Gefühl ist substanzlos, es geht einfach durch ihn hindurch. Um so deutlicher spürt er das Brennen in seinen Lungen; er bekommt kaum Luft, so sehr schnürt ihm die Panik die Brust ab. Ein echter Dementor hätte ihn längst eingeholt, das weiß er, aber der Reflex sitzt zu tief, sein Körper braucht ihn nicht, um die erlernten Reaktionen abzuspulen.
Die schlimmsten Momente waren nicht die, in denen sie ihm nur die schlechten Erinnerungen ließen. Nein, es waren jene dunklen Augenblicke, wenn da nichts Gutes mehr in ihm war, dass sie noch hätten heraussaugen können und sie dennoch vor ihm standen und er gar nichts mehr fühlte, nicht einmal mehr den Schmerz. Wenn da nur noch die kalte Dunkelheit war und die ohnmächtige Gewissheit, dass sein Geist dabei war, in diesem schwarzen Abgrund zu ertrinken. Er spürt seinen Körper nicht mehr. Um ihn herum ist nur tiefer, lichtloser Raum, und er selbst beginnt sich darin aufzulösen.
Mit zitternden Händen wühlt Sirius in der Manteltasche. Es dauert endlose, kaum zu ertragende Sekunden, dann endlich schließen sich seine Finger um etwas Kühles, Glattes. Er schluchzt beinahe vor Erleichterung.
Allein das kleine Geräusch, mit dem das Messer aufschnappt, wirkt beruhigend. [...] Es dauert sogar ein paar Sekunden, bis der Schmerz einsetzt, aber dann ist er perfekt, durchdringend und von bebender, erdender Intensität. Sirius setzt das Messer erneut an, und bei jedem Schnitt kehrt ein wenig mehr von ihm in die Wirklichkeit zurück. [...]
Ein heftiges Zittern schüttelt ihn, und das ist der Punkt, an dem es zu viel wird. Er sackt keuchend vornüber, das Messer rutscht ihm aus den Fingern, und ein scharfer, bitterer Geschmack sammelt sich in seinem Mund, aber Merlin sei Dank, es ist vorbei, und er ist noch hier. Er ist noch hier.
Er lässt sich in diesem Gefühl treiben, in diesem Einfach-nur-Dasein, trotzig und erschöpft zugleich. Es fühlt sich ein bisschen zeitlos an, und es wäre leicht, sich auch in dieser Empfindung zu verirren, aber der Schmerz glüht warm in seinen Nervenbahnen, ein zuverlässiges Band, das ihn ankert.
Dann durchdringt ein Geräusch die Stille, kaum wahrnehmbar zuerst, aber schnell deutlicher werdend. Jemand ruft seinen Namen. “ Sirius… Sirius!”
Er weiß, dass er die Stimme kennen sollte, aber sein Verstand ist noch zu sehr in Watte gepackt. Jetzt nähern sich eilige Schritte. “Sirius,” sagt die Stimme erneut.
Jemand kauert sich neben ihm nieder. Instinktiv erfasst er die Nähe eines anderen Körpers. Hände legen sich auf seine Schultern.
Erst jetzt fällt ihm auf, dass er die Augen geschlossen hat, also öffnet er sie, wenn auch widerwillig. Das Gesicht des anderen ist nahe vor seinem, und im Licht eines zweiten Zauberstabs nimmt Sirius wie durch einen Schleier vertraute Einzelheiten wahr: Haare kurz und hellbraun, von Silber durchzogen, Dreitagebart, Augen bernsteinfarben und besorgt. Remus’ Atem kommt in schweren, abgehackten Stößen, so als sei er lange gerannt. “Sirius”,sagt er zum vierten Mal. “Hörst du mich? Was machst du hier, was ist passiert?”
Sirius erinnert sich, dass er wütend auf Remus sein sollte. Es gab dafür einen Grund, aber auch der will ihm partout nicht einfallen. Also lässt er zu, dass Remus ihm mit beiden Händen den Schlamm und die feuchten Haare aus dem Gesicht wischt, und lässt sich auch ohne Protest nach vorn sinken, als Remus ihn zu sich heranzieht. Aber dabei schließen sich seine Finger um Sirius’ Unterarme, und er zieht zischend den Atem durch die Zähne als der Schmerz, bis dahin so wunderbar gleichmäßig, grimmig aufflammt.
Augenblicklich zieht Remus die Hand zurück. Selbst im schwachen Zauberstablicht sieht man deutlich die roten Schlieren auf seiner Handfläche. Einen Moment lang starrt er darauf, dann greift er nach unten und hebt etwas aus dem matschigen Gras auf.
Die Messerklinge reflektiert das Licht, als würde sie selbst von innen leuchten. Wie aus weiter Ferne sieht Sirius den schockierten Ausdruck auf Remus’ Gesicht.
Um ein Haar hätte er gelacht.
Ich weiss, du hast deinen Auszug schon etwas länger veröffentlicht aber falls du noch Interesse an Kritik hast, findest du sie hier.
Eine ganz allgemeine Bemerkung zu Anfang:
- Ich bin kein grosser Fan von Präsenstexten, irgendwie ist die Erzählung dann meiner Meinung nach nicht besonders flüssig. Aber das ist eine persönliche Vorliebe (oder eben gerade nicht), von dem her braucht dich das nicht zu kümmern, solange du immer in der gleichen Zeitform bleibst. Allerdings denke ich, dass Schreiben in einer anderen Zeitform wohl einfacher wäre (mir geht es jedenfalls so). Das hebt sich dann auch schöner von den Dialogen in der direkten Rede ab.
Zum Stil:
- Ich mag deine Erzählweise (bis auf die oben schon angesprochene Zeitformendebatte) gerne.
- Deine Abschnitte beginnen oft mit "Sirius" oder mit "er". Das ist grundsätzlich nicht weiter schlimm, jedoch würde es sich gut machen, wenn du den Satz mal anders beginnst, z.B. ihn umstellst. Etwa so: "Nach ein paar Schritten lässt sich Siruis dann einfach zu Boden gleiten." statt: "Sirius macht noch ein paar Schritte und lässt sich dann einfach zu Boden sinken." Oder du könntest "Sirius" noch durch andere Namen (Der Dunkelhaarige, der Langhaarige, der Schwarz gekleidete, der junge Black, usw.) statt nur durch "er" ersetzen.
Nähe/Distanz:
- Mitgehen kann ich - dank deiner sehr plastischen und guten Beschreibungen - ausgezeichnet.
Sachlichkeit:
- Ganz klar gegeben
Logischer Aufbau:
- Hier harzt es für mich etwas. Bis und mit Abschnitt "Lumos" gibt alles wunderbar Sinn. Jedoch fehlt für mich dann irgendwie einiges. Trifft er auf dem Friedhof einen Dementor? Wenn ja, was macht der da? Wenn nein, stellt er ihn sich vor? Und wenn ja, warum kommt ihm eine solche Halluzination auf dem Friedhof? Ich meine, klar, er hat Flashbacks aber das kommt hier irgendwie aus dem Nichts. Und wie kann er vor ihm flüchten (weil sich weder ein echter noch ein eingebildeter Dementor von einem Tor abhalten lassen würde)?
--> Diese ganze Passage würde ich noch einmal etwas Überarbeiten. Vielleicht gleich zu Beginn berichten, dass der Dementor ein Flashback ist. Oder das ganz offen lassen? Und die Logik mit dem Tor etwas besser herstellen.
Ganz grundsätzlich gesprochen finde ich die Story gut. Also bleib dran! ☺️
Liebe Grüsse
Lou